den schönen Tempel, ich bekleide seine Wände mit lieb- lichen Farben und Marmorbildern, ich lege den Boden aus mit bunten Steinen, ich schmücke ihn mit Blu- men, und erfülle durchwandelnd die Hallen mit dem Duft des Weihrauchs, auf den Zinnen aber bereite ich dem glückbringenden Storch ein bequemes Nest, und so vertreibe ich mir die ungeduldige Zeit, die mich aus einer Aufregung in die andere stürzt. -- Ach ich darf gar nicht hinhorchen in die Ferne, wie sonst, wenn ich in der waldrauschenden Einsamkeit, auf das Zwitschern der Vögel lauschte um ihr Nestchen zu entdecken. Jetzt am hohen Mittag, sitz ich allein im Garten, und möchte nur fühlen -- nicht denken -- was Du mir bist; da kommt so leise der Wind, als käm er von Dir; er legt sich so frisch an's Herz, -- er spielt mit dem Staub zu meinen Füßen und jagt unter die tanzenden Mückchen, er streift mir die heißen Wangen, hält schmeichelnd den Brand der Sonne auf; am unbeschnittnen Rebengelän- der hebt er die Ranken, und flüstert in den Blättern, dann streift er eilend über die Felder über die neigenden Blumen. Brachte er Bothschaft? hab ich ihn recht ver- standen? -- Ist's gewiß? er soll mich tausendmal grü- ßen vom Freund, der gar nicht weit von hier meiner harrt um mich tausendmal willkommen zu heißen? --
den ſchönen Tempel, ich bekleide ſeine Wände mit lieb- lichen Farben und Marmorbildern, ich lege den Boden aus mit bunten Steinen, ich ſchmücke ihn mit Blu- men, und erfülle durchwandelnd die Hallen mit dem Duft des Weihrauchs, auf den Zinnen aber bereite ich dem glückbringenden Storch ein bequemes Neſt, und ſo vertreibe ich mir die ungeduldige Zeit, die mich aus einer Aufregung in die andere ſtürzt. — Ach ich darf gar nicht hinhorchen in die Ferne, wie ſonſt, wenn ich in der waldrauſchenden Einſamkeit, auf das Zwitſchern der Vögel lauſchte um ihr Neſtchen zu entdecken. Jetzt am hohen Mittag, ſitz ich allein im Garten, und möchte nur fühlen — nicht denken — was Du mir biſt; da kommt ſo leiſe der Wind, als käm er von Dir; er legt ſich ſo friſch an's Herz, — er ſpielt mit dem Staub zu meinen Füßen und jagt unter die tanzenden Mückchen, er ſtreift mir die heißen Wangen, hält ſchmeichelnd den Brand der Sonne auf; am unbeſchnittnen Rebengelän- der hebt er die Ranken, und flüſtert in den Blättern, dann ſtreift er eilend über die Felder über die neigenden Blumen. Brachte er Bothſchaft? hab ich ihn recht ver- ſtanden? — Iſt's gewiß? er ſoll mich tauſendmal grü- ßen vom Freund, der gar nicht weit von hier meiner harrt um mich tauſendmal willkommen zu heißen? —
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den ſchönen Tempel, ich bekleide ſeine Wände mit lieb-
lichen Farben und Marmorbildern, ich lege den Boden
aus mit bunten Steinen, ich ſchmücke ihn mit Blu-
men, und erfülle durchwandelnd die Hallen mit dem
Duft des Weihrauchs, auf den Zinnen aber bereite ich
dem glückbringenden Storch ein bequemes Neſt, und ſo
vertreibe ich mir die ungeduldige Zeit, die mich aus einer
Aufregung in die andere ſtürzt. — Ach ich darf gar
nicht hinhorchen in die Ferne, wie ſonſt, wenn ich in
der waldrauſchenden Einſamkeit, auf das Zwitſchern der
Vögel lauſchte um ihr Neſtchen zu entdecken. Jetzt am
hohen Mittag, ſitz ich allein im Garten, und möchte
nur fühlen — nicht denken — was Du mir biſt; da
kommt ſo leiſe der Wind, als käm er von Dir; er legt
ſich ſo friſch an's Herz, — er ſpielt mit dem Staub zu
meinen Füßen und jagt unter die tanzenden Mückchen,
er ſtreift mir die heißen Wangen, hält ſchmeichelnd den
Brand der Sonne auf; am unbeſchnittnen Rebengelän-
der hebt er die Ranken, und flüſtert in den Blättern,
dann ſtreift er eilend über die Felder über die neigenden
Blumen. Brachte er Bothſchaft? hab ich ihn recht ver-
ſtanden? — Iſt's gewiß? er ſoll mich tauſendmal grü-
ßen vom Freund, der gar nicht weit von hier meiner
harrt um mich tauſendmal willkommen zu heißen? —
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/232>, abgerufen am 24.11.2024.
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