ten mir ja ein Aug aus dem Kopf schlagen können; -- nun es hat Ihr ja kein Aug ausgeschlagen, wo sind denn die Steine, ich muß sie wieder haben, helf Sie mir sie wieder suchen sagte er; nun muß er sie wohl von seinem Schatz bekommen haben, denn er bekümmerte sich gar nur um die Steine, es waren ordinäre Kieselstein- chen und Sand, daß er den nicht mehr zusammen lesen konnte war ihm ärgerlich, alles was noch da war wik- kelte er sorgfältig in ein Papier und trug's fort, den Tag vorher war er in Offenbach gewesen da war ein Wirthshaus zur Rose, die Tochter hieß das schöne Gret- chen er hatte Sie sehr gern, das war die erste von der ich weiß daß er sie lieb hatte.
Bist Du bös daß die Mutter mir dies alles erzählt hat? diese Geschichte habe ich nun ganz ungemein lieb, deine Mutter hat sie mir wohl zwanzigmal erzählt, manchmal setzte sie hinzu daß die Sonne in's Fenster geschienen habe, daß Du roth geworden seist, daß Du die aufgesammelten Steinchen fest an's Herz gehalten und damit fort marschiert, ohne auch nur eine Ent- schuldigung gemacht zu haben, daß sie ihr in's Gesicht geflogen. Siehst Du was die alles gemerkt hat, denn so klein die Begebenheit schien, war es ihr doch eine Quelle von freudiger Betrachtung über deine Raschheit,
ten mir ja ein Aug aus dem Kopf ſchlagen können; — nun es hat Ihr ja kein Aug ausgeſchlagen, wo ſind denn die Steine, ich muß ſie wieder haben, helf Sie mir ſie wieder ſuchen ſagte er; nun muß er ſie wohl von ſeinem Schatz bekommen haben, denn er bekümmerte ſich gar nur um die Steine, es waren ordinäre Kieſelſtein- chen und Sand, daß er den nicht mehr zuſammen leſen konnte war ihm ärgerlich, alles was noch da war wik- kelte er ſorgfältig in ein Papier und trug's fort, den Tag vorher war er in Offenbach geweſen da war ein Wirthshaus zur Roſe, die Tochter hieß das ſchöne Gret- chen er hatte Sie ſehr gern, das war die erſte von der ich weiß daß er ſie lieb hatte.
Biſt Du böſ daß die Mutter mir dies alles erzählt hat? dieſe Geſchichte habe ich nun ganz ungemein lieb, deine Mutter hat ſie mir wohl zwanzigmal erzählt, manchmal ſetzte ſie hinzu daß die Sonne in's Fenſter geſchienen habe, daß Du roth geworden ſeiſt, daß Du die aufgeſammelten Steinchen feſt an's Herz gehalten und damit fort marſchiert, ohne auch nur eine Ent- ſchuldigung gemacht zu haben, daß ſie ihr in's Geſicht geflogen. Siehſt Du was die alles gemerkt hat, denn ſo klein die Begebenheit ſchien, war es ihr doch eine Quelle von freudiger Betrachtung über deine Raſchheit,
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ten mir ja ein Aug aus dem Kopf ſchlagen können; —
nun es hat Ihr ja kein Aug ausgeſchlagen, wo ſind
denn die Steine, ich muß ſie wieder haben, helf Sie mir
ſie wieder ſuchen ſagte er; nun muß er ſie wohl von
ſeinem Schatz bekommen haben, denn er bekümmerte ſich
gar nur um die Steine, es waren ordinäre Kieſelſtein-
chen und Sand, daß er den nicht mehr zuſammen leſen
konnte war ihm ärgerlich, alles was noch da war wik-
kelte er ſorgfältig in ein Papier und trug's fort, den
Tag vorher war er in Offenbach geweſen da war ein
Wirthshaus zur Roſe, die Tochter hieß das ſchöne Gret-
chen er hatte Sie ſehr gern, das war die erſte von der
ich weiß daß er ſie lieb hatte.
Biſt Du böſ daß die Mutter mir dies alles erzählt
hat? dieſe Geſchichte habe ich nun ganz ungemein lieb,
deine Mutter hat ſie mir wohl zwanzigmal erzählt,
manchmal ſetzte ſie hinzu daß die Sonne in's Fenſter
geſchienen habe, daß Du roth geworden ſeiſt, daß Du
die aufgeſammelten Steinchen feſt an's Herz gehalten
und damit fort marſchiert, ohne auch nur eine Ent-
ſchuldigung gemacht zu haben, daß ſie ihr in's Geſicht
geflogen. Siehſt Du was die alles gemerkt hat, denn
ſo klein die Begebenheit ſchien, war es ihr doch eine
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/270>, abgerufen am 25.11.2024.
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