Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
An Goethe.

Mit Dir hab' ich zu sprechen! -- nicht mit dem,
der mich von sich gestoßen, der Thränen nicht geachtet,
und karg keinen Fluch wie keinen Seegen zu spenden
hat, vor dem weichen die Gedanken zurück. Mit Dir
Genius! Hüter und Entzünder! der mit gewaltigen
Schwingen oft die Flamme aus der versunknen Asche
wieder emporwehte, mit Dir der es mit heimlichem Ent-
zücken genoß, wenn der jugendliche Quell brausend em-
pörend über Gefels sich den Weg suchte zur ruhigen
Bucht zu Deinen Füßen, da es mir genügte Deine
Kniee zu umfassen.

Aug' in Aug'! einzig Leben! keine Begeistrung die
über Dich geht! -- die Seeligkeit gesehen zu sein und
Dich zu sehen! --

Ob ich Dich liebte? -- das fragst Du? -- macht
Ihr es aus über unsern Häuptern, Ihr Schwingenbe-
gabte. -- Glaub an mich! -- glaub an einen heißen
Trieb -- Lebenstrieb will ich ihn nennen, -- so sing ich
Deinem träumenden Busen vor. -- Du träumst, Du
schläfst! und ich träume mit.

An Goethe.

Mit Dir hab' ich zu ſprechen! — nicht mit dem,
der mich von ſich geſtoßen, der Thränen nicht geachtet,
und karg keinen Fluch wie keinen Seegen zu ſpenden
hat, vor dem weichen die Gedanken zurück. Mit Dir
Genius! Hüter und Entzünder! der mit gewaltigen
Schwingen oft die Flamme aus der verſunknen Aſche
wieder emporwehte, mit Dir der es mit heimlichem Ent-
zücken genoß, wenn der jugendliche Quell brauſend em-
pörend über Gefels ſich den Weg ſuchte zur ruhigen
Bucht zu Deinen Füßen, da es mir genügte Deine
Kniee zu umfaſſen.

Aug' in Aug'! einzig Leben! keine Begeiſtrung die
über Dich geht! — die Seeligkeit geſehen zu ſein und
Dich zu ſehen! —

Ob ich Dich liebte? — das fragſt Du? — macht
Ihr es aus über unſern Häuptern, Ihr Schwingenbe-
gabte. — Glaub an mich! — glaub an einen heißen
Trieb — Lebenstrieb will ich ihn nennen, — ſo ſing ich
Deinem träumenden Buſen vor. — Du träumſt, Du
ſchläfſt! und ich träume mit.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0315" n="305"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <salute>An Goethe.</salute><lb/>
            <dateline> <hi rendition="#et">Weimar, den 29. Oktober 1821.</hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Mit Dir hab' ich zu &#x017F;prechen! &#x2014; nicht mit dem,<lb/>
der mich von &#x017F;ich ge&#x017F;toßen, der Thränen nicht geachtet,<lb/>
und karg keinen Fluch wie keinen Seegen zu &#x017F;penden<lb/>
hat, vor <hi rendition="#g">dem</hi> weichen die Gedanken zurück. Mit Dir<lb/>
Genius! Hüter und Entzünder! der mit gewaltigen<lb/>
Schwingen oft die Flamme aus der ver&#x017F;unknen A&#x017F;che<lb/>
wieder emporwehte, mit Dir der es mit heimlichem Ent-<lb/>
zücken genoß, wenn der jugendliche Quell brau&#x017F;end em-<lb/>
pörend über Gefels &#x017F;ich den Weg &#x017F;uchte zur ruhigen<lb/>
Bucht zu Deinen Füßen, da es mir genügte Deine<lb/>
Kniee zu umfa&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Aug' in Aug'! einzig Leben! keine Begei&#x017F;trung die<lb/>
über Dich geht! &#x2014; die Seeligkeit ge&#x017F;ehen zu &#x017F;ein und<lb/>
Dich zu &#x017F;ehen! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ob ich Dich liebte? &#x2014; das frag&#x017F;t Du? &#x2014; macht<lb/>
Ihr es aus über un&#x017F;ern Häuptern, Ihr Schwingenbe-<lb/>
gabte. &#x2014; Glaub an mich! &#x2014; glaub an einen heißen<lb/>
Trieb &#x2014; Lebenstrieb will ich ihn nennen, &#x2014; &#x017F;o &#x017F;ing ich<lb/>
Deinem träumenden Bu&#x017F;en vor. &#x2014; Du träum&#x017F;t, Du<lb/>
&#x017F;chläf&#x017F;t! und ich träume mit.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[305/0315] An Goethe. Weimar, den 29. Oktober 1821. Mit Dir hab' ich zu ſprechen! — nicht mit dem, der mich von ſich geſtoßen, der Thränen nicht geachtet, und karg keinen Fluch wie keinen Seegen zu ſpenden hat, vor dem weichen die Gedanken zurück. Mit Dir Genius! Hüter und Entzünder! der mit gewaltigen Schwingen oft die Flamme aus der verſunknen Aſche wieder emporwehte, mit Dir der es mit heimlichem Ent- zücken genoß, wenn der jugendliche Quell brauſend em- pörend über Gefels ſich den Weg ſuchte zur ruhigen Bucht zu Deinen Füßen, da es mir genügte Deine Kniee zu umfaſſen. Aug' in Aug'! einzig Leben! keine Begeiſtrung die über Dich geht! — die Seeligkeit geſehen zu ſein und Dich zu ſehen! — Ob ich Dich liebte? — das fragſt Du? — macht Ihr es aus über unſern Häuptern, Ihr Schwingenbe- gabte. — Glaub an mich! — glaub an einen heißen Trieb — Lebenstrieb will ich ihn nennen, — ſo ſing ich Deinem träumenden Buſen vor. — Du träumſt, Du ſchläfſt! und ich träume mit.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/315
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/315>, abgerufen am 24.11.2024.