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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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in meinen Augen erkennen, mußt jetzt liebreich mich in
deine Arme ziehen; sagen: so ein treues Kind ist mir
bescheert, zum Lohn, zum Ersatz für manches. Es ist
mir werth dies Kind, ein Schatz ist mir's, ein Kleinod
das ich nicht verlieren will. -- Siehst Du? -- und mußt
mich küssen; denn das ist was meine Einbildungskraft
der deinigen bescheert.

Ich führ Dich noch weiter; -- tritt sachte auf in
meines Herzenskammer; -- hier sind wir in der Vor-
halle; -- große Stille! -- kein Humbold, -- kein Ar-
chitekt, -- kein Hund der bellt. -- Du bist nicht fremd;
-- geh hin poch an -- es wird allein sein und, herein
-- Dir rufen. Du wirst's auf kühlem, stillem Lager
finden, ein freundlich Licht wird Dir entgegen leuchten,
alles wird in Ruh und Ordnung sein, und Du Will-
kommen. -- Was ist das? -- Himmel! -- die Flam-
men über ihm zusammenschlagend! -- Woher die Feu-
ersbrunst? -- Wer rettet hier? -- armes Herz! -- ar-
mes nothgedrungenes Herz. -- Was kann der Verstand
hier? -- der weiß alles besser und kann doch nichts
helfen, der läßt die Arme sinken.

Kalt und unbedeutend geht das Leben entweder so
fort, das nennt man einen gesunden Zustand; oder wenn
es wagt auch nur den einzigen Schritt tiefer in's Ge-

in meinen Augen erkennen, mußt jetzt liebreich mich in
deine Arme ziehen; ſagen: ſo ein treues Kind iſt mir
beſcheert, zum Lohn, zum Erſatz für manches. Es iſt
mir werth dies Kind, ein Schatz iſt mir's, ein Kleinod
das ich nicht verlieren will. — Siehſt Du? — und mußt
mich küſſen; denn das iſt was meine Einbildungskraft
der deinigen beſcheert.

Ich führ Dich noch weiter; — tritt ſachte auf in
meines Herzenskammer; — hier ſind wir in der Vor-
halle; — große Stille! — kein Humbold, — kein Ar-
chitekt, — kein Hund der bellt. — Du biſt nicht fremd;
— geh hin poch an — es wird allein ſein und, herein
— Dir rufen. Du wirſt's auf kühlem, ſtillem Lager
finden, ein freundlich Licht wird Dir entgegen leuchten,
alles wird in Ruh und Ordnung ſein, und Du Will-
kommen. — Was iſt das? — Himmel! — die Flam-
men über ihm zuſammenſchlagend! — Woher die Feu-
ersbrunſt? — Wer rettet hier? — armes Herz! — ar-
mes nothgedrungenes Herz. — Was kann der Verſtand
hier? — der weiß alles beſſer und kann doch nichts
helfen, der läßt die Arme ſinken.

Kalt und unbedeutend geht das Leben entweder ſo
fort, das nennt man einen geſunden Zuſtand; oder wenn
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[26/0036] in meinen Augen erkennen, mußt jetzt liebreich mich in deine Arme ziehen; ſagen: ſo ein treues Kind iſt mir beſcheert, zum Lohn, zum Erſatz für manches. Es iſt mir werth dies Kind, ein Schatz iſt mir's, ein Kleinod das ich nicht verlieren will. — Siehſt Du? — und mußt mich küſſen; denn das iſt was meine Einbildungskraft der deinigen beſcheert. Ich führ Dich noch weiter; — tritt ſachte auf in meines Herzenskammer; — hier ſind wir in der Vor- halle; — große Stille! — kein Humbold, — kein Ar- chitekt, — kein Hund der bellt. — Du biſt nicht fremd; — geh hin poch an — es wird allein ſein und, herein — Dir rufen. Du wirſt's auf kühlem, ſtillem Lager finden, ein freundlich Licht wird Dir entgegen leuchten, alles wird in Ruh und Ordnung ſein, und Du Will- kommen. — Was iſt das? — Himmel! — die Flam- men über ihm zuſammenſchlagend! — Woher die Feu- ersbrunſt? — Wer rettet hier? — armes Herz! — ar- mes nothgedrungenes Herz. — Was kann der Verſtand hier? — der weiß alles beſſer und kann doch nichts helfen, der läßt die Arme ſinken. Kalt und unbedeutend geht das Leben entweder ſo fort, das nennt man einen geſunden Zuſtand; oder wenn es wagt auch nur den einzigen Schritt tiefer in's Ge-

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/36>, abgerufen am 21.11.2024.