überwinden, versteh ich nicht, bei mir ist sie Willen, mächtiger, unüberwindlicher.
Der Unterschied zwischen göttlichem und menschli- chem Willen ist nur, daß jener nicht nachgiebt und ewig dasselbe will; unser Wille aber jeden Augenblick fragt: darf oder soll ich? -- Der Unterschied ist, daß der gött- liche Wille alles verewigt, und der menschliche am irdi- schen scheitert; das ist aber das große Geheimniß, daß die Liebe himmlischer Wille ist, Allmacht der nichts ver- sagt ist.
Ach Menschenwitz hat keinen Klang, aber himmli- scher Witz der ist Musik, lustige Energie, dem ist das ir- dische zum Spott; er ist das glänzende Gefieder mit dem die Seele sich aufschwingt, hoch über die Ansiede- lungen irdischer Vorurtheile, von da oben herab ist ihr alles Geschick gleich. Wir sagen, das Schicksal walte über uns? -- Wir sind unser eigen Schicksal, wir zer- reißen die Fäden die uns dem Glück verbinden, und knüpfen jene an die uns unseelige Last auf's Herz le- gen; eine innere geistige Gestalt will sich durch die äu- ßere weltliche bilden, dieser innere Geist regiert selbst sein eigen Schicksal wie es zu seiner höheren Organisa- tion erforderlich ist.
Du mußt mir's nicht verargen wenn ich's nicht
überwinden, verſteh ich nicht, bei mir iſt ſie Willen, mächtiger, unüberwindlicher.
Der Unterſchied zwiſchen göttlichem und menſchli- chem Willen iſt nur, daß jener nicht nachgiebt und ewig daſſelbe will; unſer Wille aber jeden Augenblick fragt: darf oder ſoll ich? — Der Unterſchied iſt, daß der gött- liche Wille alles verewigt, und der menſchliche am irdi- ſchen ſcheitert; das iſt aber das große Geheimniß, daß die Liebe himmliſcher Wille iſt, Allmacht der nichts ver- ſagt iſt.
Ach Menſchenwitz hat keinen Klang, aber himmli- ſcher Witz der iſt Muſik, luſtige Energie, dem iſt das ir- diſche zum Spott; er iſt das glänzende Gefieder mit dem die Seele ſich aufſchwingt, hoch über die Anſiede- lungen irdiſcher Vorurtheile, von da oben herab iſt ihr alles Geſchick gleich. Wir ſagen, das Schickſal walte über uns? — Wir ſind unſer eigen Schickſal, wir zer- reißen die Fäden die uns dem Glück verbinden, und knüpfen jene an die uns unſeelige Laſt auf's Herz le- gen; eine innere geiſtige Geſtalt will ſich durch die äu- ßere weltliche bilden, dieſer innere Geiſt regiert ſelbſt ſein eigen Schickſal wie es zu ſeiner höheren Organiſa- tion erforderlich iſt.
Du mußt mir's nicht verargen wenn ich's nicht
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0038"n="28"/>
überwinden, verſteh ich nicht, bei mir iſt ſie Willen,<lb/>
mächtiger, unüberwindlicher.</p><lb/><p>Der Unterſchied zwiſchen göttlichem und menſchli-<lb/>
chem Willen iſt nur, daß jener nicht nachgiebt und ewig<lb/>
daſſelbe will; unſer Wille aber jeden Augenblick fragt:<lb/>
darf oder ſoll ich? — Der Unterſchied iſt, daß der gött-<lb/>
liche Wille alles verewigt, und der menſchliche am irdi-<lb/>ſchen ſcheitert; das iſt aber das große Geheimniß, daß<lb/>
die Liebe himmliſcher Wille iſt, Allmacht der nichts ver-<lb/>ſagt iſt.</p><lb/><p>Ach Menſchenwitz hat keinen Klang, aber himmli-<lb/>ſcher Witz der iſt Muſik, luſtige Energie, dem iſt das ir-<lb/>
diſche zum Spott; er iſt das glänzende Gefieder mit<lb/>
dem die Seele ſich aufſchwingt, hoch über die Anſiede-<lb/>
lungen irdiſcher Vorurtheile, von da oben herab iſt ihr<lb/>
alles Geſchick gleich. Wir ſagen, das Schickſal walte<lb/>
über uns? —<hirendition="#g">Wir</hi>ſind unſer eigen Schickſal, <hirendition="#g">wir</hi> zer-<lb/>
reißen die Fäden die uns dem Glück verbinden, und<lb/>
knüpfen jene an die uns unſeelige Laſt auf's Herz le-<lb/>
gen; eine innere geiſtige Geſtalt will ſich durch die äu-<lb/>
ßere weltliche bilden, dieſer innere Geiſt regiert ſelbſt<lb/>ſein eigen Schickſal wie es zu ſeiner höheren Organiſa-<lb/>
tion erforderlich iſt.</p><lb/><p>Du mußt mir's nicht verargen wenn ich's nicht<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[28/0038]
überwinden, verſteh ich nicht, bei mir iſt ſie Willen,
mächtiger, unüberwindlicher.
Der Unterſchied zwiſchen göttlichem und menſchli-
chem Willen iſt nur, daß jener nicht nachgiebt und ewig
daſſelbe will; unſer Wille aber jeden Augenblick fragt:
darf oder ſoll ich? — Der Unterſchied iſt, daß der gött-
liche Wille alles verewigt, und der menſchliche am irdi-
ſchen ſcheitert; das iſt aber das große Geheimniß, daß
die Liebe himmliſcher Wille iſt, Allmacht der nichts ver-
ſagt iſt.
Ach Menſchenwitz hat keinen Klang, aber himmli-
ſcher Witz der iſt Muſik, luſtige Energie, dem iſt das ir-
diſche zum Spott; er iſt das glänzende Gefieder mit
dem die Seele ſich aufſchwingt, hoch über die Anſiede-
lungen irdiſcher Vorurtheile, von da oben herab iſt ihr
alles Geſchick gleich. Wir ſagen, das Schickſal walte
über uns? — Wir ſind unſer eigen Schickſal, wir zer-
reißen die Fäden die uns dem Glück verbinden, und
knüpfen jene an die uns unſeelige Laſt auf's Herz le-
gen; eine innere geiſtige Geſtalt will ſich durch die äu-
ßere weltliche bilden, dieſer innere Geiſt regiert ſelbſt
ſein eigen Schickſal wie es zu ſeiner höheren Organiſa-
tion erforderlich iſt.
Du mußt mir's nicht verargen wenn ich's nicht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/38>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.