sie Sclaven sind, es sollte mir keiner wagen sich am Ebenbild Gottes zu vergreifen.
Ich meine immer der Kronprinz müsse anders em- pfinden, menschlicher, die Leute wollen ihn nicht loben, sie sagen: er sei eigensinnig und launig, ich habe Zu- trauen zu ihm, er pflegt den Garten, den er als Kind hatte, noch jetzt mit Sorgfalt, begießt die Blumen, die in seinen Zimmern blühen, selbst, macht Gedichte, hol- perig, aber voll Begeisterung, das alles sagt mir gut für ihn.
Was wohl ein solcher für Gedanken hat, der jeden Gedanken realisiren könnte? -- ein Fürst, dessen Geist das ganze Land erhellen soll? -- er müßte verharren im Gebet sein Lebenlang, der angewiesen ist in tausend andern zu leben, zu handeln.
Ja, ob ein Königssohn wohl den heiligen Geist in sich erweckt, daß der regiere statt seiner? -- der Sta- dion seufzt und sagt: das beste ist, daß, wie die Wür- fel auch fallen, der Weg zum Himmel immer unver- sperrt bleibt für König und Unterthan.
ſie Sclaven ſind, es ſollte mir keiner wagen ſich am Ebenbild Gottes zu vergreifen.
Ich meine immer der Kronprinz müſſe anders em- pfinden, menſchlicher, die Leute wollen ihn nicht loben, ſie ſagen: er ſei eigenſinnig und launig, ich habe Zu- trauen zu ihm, er pflegt den Garten, den er als Kind hatte, noch jetzt mit Sorgfalt, begießt die Blumen, die in ſeinen Zimmern blühen, ſelbſt, macht Gedichte, hol- perig, aber voll Begeiſterung, das alles ſagt mir gut für ihn.
Was wohl ein ſolcher für Gedanken hat, der jeden Gedanken realiſiren könnte? — ein Fürſt, deſſen Geiſt das ganze Land erhellen ſoll? — er müßte verharren im Gebet ſein Lebenlang, der angewieſen iſt in tauſend andern zu leben, zu handeln.
Ja, ob ein Königsſohn wohl den heiligen Geiſt in ſich erweckt, daß der regiere ſtatt ſeiner? — der Sta- dion ſeufzt und ſagt: das beſte iſt, daß, wie die Wür- fel auch fallen, der Weg zum Himmel immer unver- ſperrt bleibt für König und Unterthan.
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ſie Sclaven ſind, es ſollte mir keiner wagen ſich am
Ebenbild Gottes zu vergreifen.
Ich meine immer der Kronprinz müſſe anders em-
pfinden, menſchlicher, die Leute wollen ihn nicht loben,
ſie ſagen: er ſei eigenſinnig und launig, ich habe Zu-
trauen zu ihm, er pflegt den Garten, den er als Kind
hatte, noch jetzt mit Sorgfalt, begießt die Blumen, die
in ſeinen Zimmern blühen, ſelbſt, macht Gedichte, hol-
perig, aber voll Begeiſterung, das alles ſagt mir gut
für ihn.
Was wohl ein ſolcher für Gedanken hat, der jeden
Gedanken realiſiren könnte? — ein Fürſt, deſſen Geiſt
das ganze Land erhellen ſoll? — er müßte verharren
im Gebet ſein Lebenlang, der angewieſen iſt in tauſend
andern zu leben, zu handeln.
Ja, ob ein Königsſohn wohl den heiligen Geiſt in
ſich erweckt, daß der regiere ſtatt ſeiner? — der Sta-
dion ſeufzt und ſagt: das beſte iſt, daß, wie die Wür-
fel auch fallen, der Weg zum Himmel immer unver-
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/48>, abgerufen am 21.11.2024.
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