Mordbrand; da kamen sie in den Flammen um, die Mütter mit den Säuglingen, hier lag alles im schwei- genden Frieden der Nacht, und der Thau tränkte die Kräuter, und dort verkohlte die Flamme den mit Helden- blut getränkten Boden.
Ich stand die halbe Nacht auf dem Thurm im Hofgarten und betrachtete den rothen Schein, und wußte nicht was ich davon denken solle, und konnte nicht be- ten, weil es doch nichts hilft, und weil ein göttlich Ge- schick größer ist als alle Noth, und allen Jammer auf- wiegt. --
Ach, wenn sehnsüchtiger Jammer beten ist, warum hat dann Gott mein heißes Gebet nicht erhört? -- warum hat er mir nicht einen Führer geschickt, der mich die Wege hinüber geleitet hätte? -- Ich zittere zwar vor Furcht und Schrecken über allen Gräuel, den man nimmer ahnden könnte, wenn er nicht geschehen wär, aber die Stimme aus meinem Herzen hinüber zu ihnen übertäubt alles. Das Schloß der blinden Tannenberge haben sie verrätherisch abgebrennt; Schwatz, Greise, Kinder, Heiligthümer; ach, was soll ich Dir schreiben, was ich nimmermehr selbst wissen möchte, und doch ha- ben die Baiern selbst jubelnd sich dessen gerühmt, so was muß man tragen lernen mit kaltem Blut, und
Mordbrand; da kamen ſie in den Flammen um, die Mütter mit den Säuglingen, hier lag alles im ſchwei- genden Frieden der Nacht, und der Thau tränkte die Kräuter, und dort verkohlte die Flamme den mit Helden- blut getränkten Boden.
Ich ſtand die halbe Nacht auf dem Thurm im Hofgarten und betrachtete den rothen Schein, und wußte nicht was ich davon denken ſolle, und konnte nicht be- ten, weil es doch nichts hilft, und weil ein göttlich Ge- ſchick größer iſt als alle Noth, und allen Jammer auf- wiegt. —
Ach, wenn ſehnſüchtiger Jammer beten iſt, warum hat dann Gott mein heißes Gebet nicht erhört? — warum hat er mir nicht einen Führer geſchickt, der mich die Wege hinüber geleitet hätte? — Ich zittere zwar vor Furcht und Schrecken über allen Gräuel, den man nimmer ahnden könnte, wenn er nicht geſchehen wär, aber die Stimme aus meinem Herzen hinüber zu ihnen übertäubt alles. Das Schloß der blinden Tannenberge haben ſie verrätheriſch abgebrennt; Schwatz, Greiſe, Kinder, Heiligthümer; ach, was ſoll ich Dir ſchreiben, was ich nimmermehr ſelbſt wiſſen möchte, und doch ha- ben die Baiern ſelbſt jubelnd ſich deſſen gerühmt, ſo was muß man tragen lernen mit kaltem Blut, und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0076"n="66"/>
Mordbrand; da kamen ſie in den Flammen um, die<lb/>
Mütter mit den Säuglingen, hier lag alles im ſchwei-<lb/>
genden Frieden der Nacht, und der Thau tränkte die<lb/>
Kräuter, und dort verkohlte die Flamme den mit Helden-<lb/>
blut getränkten Boden.</p><lb/><p>Ich ſtand die halbe Nacht auf dem Thurm im<lb/>
Hofgarten und betrachtete den rothen Schein, und wußte<lb/>
nicht was ich davon denken ſolle, und konnte nicht be-<lb/>
ten, weil es doch nichts hilft, und weil ein göttlich Ge-<lb/>ſchick größer iſt als alle Noth, und allen Jammer auf-<lb/>
wiegt. —</p><lb/><p>Ach, wenn ſehnſüchtiger Jammer beten iſt, warum<lb/>
hat <hirendition="#g">dann</hi> Gott mein heißes Gebet nicht erhört? —<lb/>
warum hat er mir nicht einen Führer geſchickt, der mich<lb/>
die Wege hinüber geleitet hätte? — Ich zittere zwar<lb/>
vor Furcht und Schrecken über allen Gräuel, den man<lb/>
nimmer ahnden könnte, wenn er nicht geſchehen wär,<lb/>
aber die Stimme aus meinem Herzen hinüber zu ihnen<lb/>
übertäubt alles. Das Schloß der blinden Tannenberge<lb/>
haben ſie verrätheriſch abgebrennt; Schwatz, Greiſe,<lb/>
Kinder, Heiligthümer; ach, was ſoll ich Dir ſchreiben,<lb/>
was ich nimmermehr ſelbſt wiſſen möchte, und doch ha-<lb/>
ben die Baiern ſelbſt jubelnd ſich deſſen gerühmt, ſo<lb/>
was muß man tragen lernen mit kaltem Blut, und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[66/0076]
Mordbrand; da kamen ſie in den Flammen um, die
Mütter mit den Säuglingen, hier lag alles im ſchwei-
genden Frieden der Nacht, und der Thau tränkte die
Kräuter, und dort verkohlte die Flamme den mit Helden-
blut getränkten Boden.
Ich ſtand die halbe Nacht auf dem Thurm im
Hofgarten und betrachtete den rothen Schein, und wußte
nicht was ich davon denken ſolle, und konnte nicht be-
ten, weil es doch nichts hilft, und weil ein göttlich Ge-
ſchick größer iſt als alle Noth, und allen Jammer auf-
wiegt. —
Ach, wenn ſehnſüchtiger Jammer beten iſt, warum
hat dann Gott mein heißes Gebet nicht erhört? —
warum hat er mir nicht einen Führer geſchickt, der mich
die Wege hinüber geleitet hätte? — Ich zittere zwar
vor Furcht und Schrecken über allen Gräuel, den man
nimmer ahnden könnte, wenn er nicht geſchehen wär,
aber die Stimme aus meinem Herzen hinüber zu ihnen
übertäubt alles. Das Schloß der blinden Tannenberge
haben ſie verrätheriſch abgebrennt; Schwatz, Greiſe,
Kinder, Heiligthümer; ach, was ſoll ich Dir ſchreiben,
was ich nimmermehr ſelbſt wiſſen möchte, und doch ha-
ben die Baiern ſelbſt jubelnd ſich deſſen gerühmt, ſo
was muß man tragen lernen mit kaltem Blut, und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/76>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.