muß denken daß Unsterblichkeit ein ewiger Lohn ist, der alles Geschick überbietet. --
Der König fuhr, da wir eben in die Stadt kamen, durch die erleuchteten Straßen, das Volk jauchzte und Freudenthränen rollten über die Wangen der harten Nation; ich warf ihm auch Kußhände zu, und ich gönn ihm daß er geliebt ist. -- Adieu, hab dein treues Kind lieb, sag ihm bald ein paar Worte.
Bettine.
An Goethe.
Am 22. Mai.
Heute Morgen zu meiner Überraschung erhielt ich deinen Brief. Ich war gar nicht mehr gefaßt darauf, schon die ganze Zeit schreibe ich meine Blätter als ein verzweifelter Liebhaber, der sie dem Sturmwind preis giebt, ob der sie etwa hintrage zu dem Freund in den mein krankes Herz Vertrauen hat. So hat mich denn mein guter Genius nicht verlassen! er durchsauset die Lüfte auf einem schlechten Postklepper, und am Morgen, einer Nacht voll weinender Träume, erblick ich erwachend das blaue Couvert auf meiner grünen Decke.
muß denken daß Unſterblichkeit ein ewiger Lohn iſt, der alles Geſchick überbietet. —
Der König fuhr, da wir eben in die Stadt kamen, durch die erleuchteten Straßen, das Volk jauchzte und Freudenthränen rollten über die Wangen der harten Nation; ich warf ihm auch Kußhände zu, und ich gönn ihm daß er geliebt iſt. — Adieu, hab dein treues Kind lieb, ſag ihm bald ein paar Worte.
Bettine.
An Goethe.
Am 22. Mai.
Heute Morgen zu meiner Überraſchung erhielt ich deinen Brief. Ich war gar nicht mehr gefaßt darauf, ſchon die ganze Zeit ſchreibe ich meine Blätter als ein verzweifelter Liebhaber, der ſie dem Sturmwind preis giebt, ob der ſie etwa hintrage zu dem Freund in den mein krankes Herz Vertrauen hat. So hat mich denn mein guter Genius nicht verlaſſen! er durchſauſet die Lüfte auf einem ſchlechten Poſtklepper, und am Morgen, einer Nacht voll weinender Träume, erblick ich erwachend das blaue Couvert auf meiner grünen Decke.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0077"n="67"/>
muß denken daß Unſterblichkeit ein ewiger Lohn iſt, der<lb/>
alles Geſchick überbietet. —</p><lb/><p>Der König fuhr, da wir eben in die Stadt kamen,<lb/>
durch die erleuchteten Straßen, das Volk jauchzte und<lb/>
Freudenthränen rollten über die Wangen der harten<lb/>
Nation; ich warf ihm auch Kußhände zu, und ich gönn<lb/>
ihm daß er geliebt iſt. — Adieu, hab dein treues Kind<lb/>
lieb, ſag ihm bald ein paar Worte.</p><lb/><closer><salute><hirendition="#et">Bettine.</hi></salute></closer></div><lb/><divn="2"><opener><salute>An Goethe.</salute><lb/><dateline><hirendition="#et">Am 22. Mai.</hi></dateline></opener><lb/><p>Heute Morgen zu meiner Überraſchung erhielt ich<lb/>
deinen Brief. Ich war gar nicht mehr gefaßt darauf,<lb/>ſchon die ganze Zeit ſchreibe ich meine Blätter als ein<lb/>
verzweifelter Liebhaber, der ſie dem Sturmwind preis<lb/>
giebt, ob <hirendition="#g">der</hi>ſie etwa hintrage zu dem Freund in den<lb/>
mein krankes Herz Vertrauen hat. So hat mich denn<lb/>
mein guter Genius nicht verlaſſen! er durchſauſet die<lb/>
Lüfte auf einem ſchlechten Poſtklepper, und am Morgen,<lb/>
einer Nacht voll weinender Träume, erblick ich erwachend<lb/>
das blaue Couvert auf meiner grünen Decke.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[67/0077]
muß denken daß Unſterblichkeit ein ewiger Lohn iſt, der
alles Geſchick überbietet. —
Der König fuhr, da wir eben in die Stadt kamen,
durch die erleuchteten Straßen, das Volk jauchzte und
Freudenthränen rollten über die Wangen der harten
Nation; ich warf ihm auch Kußhände zu, und ich gönn
ihm daß er geliebt iſt. — Adieu, hab dein treues Kind
lieb, ſag ihm bald ein paar Worte.
Bettine.
An Goethe.
Am 22. Mai.
Heute Morgen zu meiner Überraſchung erhielt ich
deinen Brief. Ich war gar nicht mehr gefaßt darauf,
ſchon die ganze Zeit ſchreibe ich meine Blätter als ein
verzweifelter Liebhaber, der ſie dem Sturmwind preis
giebt, ob der ſie etwa hintrage zu dem Freund in den
mein krankes Herz Vertrauen hat. So hat mich denn
mein guter Genius nicht verlaſſen! er durchſauſet die
Lüfte auf einem ſchlechten Poſtklepper, und am Morgen,
einer Nacht voll weinender Träume, erblick ich erwachend
das blaue Couvert auf meiner grünen Decke.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/77>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.