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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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Der Genius, der selbst die Flügel regt, sich in den
blauen Äther erhebt und Lichtstrahlen aussendet, der
Macht hat, die Seeligkeit durch eigne Kräfte zu erzeu-
gen. Wie schön, wenn der sich vor Dir beugt und Dich
lieben will, der nicht um Liebe klagt, nicht sie fordert,
sondern sie giebt. -- Ja schön und herrlich: übergehen
ineinander, in den Lichtspähren des Geistes, in aller
Glorie der Freiheit aus eignem, kräftigem Willen.

Die Erde liegt im Äther wie im Ei, das Irdische
liegt im Himmlischen wie im Mutterschooß, die Liebe
ist der Mutterschooß des Geistes.

Es giebt keine Weisheit, keine Erkenntniß des Wah-
ren, die mehr will, als die Liebe zu ihr.

Jede Wahrheit buhlt um die Gunst des Menschen-
geistes.

Gerechtigkeit gegen alle beurkundet die wahre Liebe
zu dem Einen.

Je allseitiger, je individueller.

Nur der Geist kann von Sünden frei machen.

Willst Du allein sein mit dem Geliebten, so sei al-
lein mit Dir.

Willst Du den Geliebten erwerben, so suche Dich
zu finden, zu erwerben in ihm.

Der Genius, der ſelbſt die Flügel regt, ſich in den
blauen Äther erhebt und Lichtſtrahlen ausſendet, der
Macht hat, die Seeligkeit durch eigne Kräfte zu erzeu-
gen. Wie ſchön, wenn der ſich vor Dir beugt und Dich
lieben will, der nicht um Liebe klagt, nicht ſie fordert,
ſondern ſie giebt. — Ja ſchön und herrlich: übergehen
ineinander, in den Lichtſpähren des Geiſtes, in aller
Glorie der Freiheit aus eignem, kräftigem Willen.

Die Erde liegt im Äther wie im Ei, das Irdiſche
liegt im Himmliſchen wie im Mutterſchooß, die Liebe
iſt der Mutterſchooß des Geiſtes.

Es giebt keine Weisheit, keine Erkenntniß des Wah-
ren, die mehr will, als die Liebe zu ihr.

Jede Wahrheit buhlt um die Gunſt des Menſchen-
geiſtes.

Gerechtigkeit gegen alle beurkundet die wahre Liebe
zu dem Einen.

Je allſeitiger, je individueller.

Nur der Geiſt kann von Sünden frei machen.

Willſt Du allein ſein mit dem Geliebten, ſo ſei al-
lein mit Dir.

Willſt Du den Geliebten erwerben, ſo ſuche Dich
zu finden, zu erwerben in ihm.

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[104/0114] Der Genius, der ſelbſt die Flügel regt, ſich in den blauen Äther erhebt und Lichtſtrahlen ausſendet, der Macht hat, die Seeligkeit durch eigne Kräfte zu erzeu- gen. Wie ſchön, wenn der ſich vor Dir beugt und Dich lieben will, der nicht um Liebe klagt, nicht ſie fordert, ſondern ſie giebt. — Ja ſchön und herrlich: übergehen ineinander, in den Lichtſpähren des Geiſtes, in aller Glorie der Freiheit aus eignem, kräftigem Willen. Die Erde liegt im Äther wie im Ei, das Irdiſche liegt im Himmliſchen wie im Mutterſchooß, die Liebe iſt der Mutterſchooß des Geiſtes. Es giebt keine Weisheit, keine Erkenntniß des Wah- ren, die mehr will, als die Liebe zu ihr. Jede Wahrheit buhlt um die Gunſt des Menſchen- geiſtes. Gerechtigkeit gegen alle beurkundet die wahre Liebe zu dem Einen. Je allſeitiger, je individueller. Nur der Geiſt kann von Sünden frei machen. Willſt Du allein ſein mit dem Geliebten, ſo ſei al- lein mit Dir. Willſt Du den Geliebten erwerben, ſo ſuche Dich zu finden, zu erwerben in ihm.

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/114>, abgerufen am 10.05.2024.