zu schaffen, indem es viel zu schwer sei; ich entfernte mich leise, stieg zum Saal, hob das schwere Bild ab, nahm es an der Schnur über den Rücken, und so kam ich, noch eh' die Verhandlung beendigt war, zum Er- staunen Aller und zur großen Freude der Großmutter, zur Kellertreppe herabgepoltert, ich meldete noch, wie ich aus dem Saalfenster gesehen und alles still sei; ich bekam die Erlaubniß noch mehr zu retten, ich bekam die Schlüssel zur Bibliothek um Kupferwerke zu holen, mit freudiger Eile sprang ich die Treppe hinauf, in die Bibliothek hätt' ich längst gern mich eingestohlen, da war eine Sammlung prachtvoller Muscheln, wunderba- rer Steine, getrockneter Pflanzen, da hingen Straußen- eier an den Wänden, Kokusnüsse, da lagen alte Waf- fen, ein Magnetstein, an dem alle Näh- und Strickna- deln hängen blieben, da standen Schachteln voll Brief- schaften, Toiletten mit wunderlichem altem Geschirr und Geschmeid', Zitternadeln mit Sternen von bunten Stei- nen, o ich freute mich, den Schlüssel zu haben, ich holte herunter, was man verlangte, zog den Schlüssel ab, ohne abzuschließen, und dachte mir eine stille, ein- same Nacht, in der ich, alles durchsuchend und betrach- tend, schwelgen wolle. Das Schießen hatte wieder angefangen, einzelne Reiter hörte man in gestrecktem
zu ſchaffen, indem es viel zu ſchwer ſei; ich entfernte mich leiſe, ſtieg zum Saal, hob das ſchwere Bild ab, nahm es an der Schnur über den Rücken, und ſo kam ich, noch eh' die Verhandlung beendigt war, zum Er- ſtaunen Aller und zur großen Freude der Großmutter, zur Kellertreppe herabgepoltert, ich meldete noch, wie ich aus dem Saalfenſter geſehen und alles ſtill ſei; ich bekam die Erlaubniß noch mehr zu retten, ich bekam die Schlüſſel zur Bibliothek um Kupferwerke zu holen, mit freudiger Eile ſprang ich die Treppe hinauf, in die Bibliothek hätt' ich längſt gern mich eingeſtohlen, da war eine Sammlung prachtvoller Muſcheln, wunderba- rer Steine, getrockneter Pflanzen, da hingen Straußen- eier an den Wänden, Kokusnüſſe, da lagen alte Waf- fen, ein Magnetſtein, an dem alle Näh- und Strickna- deln hängen blieben, da ſtanden Schachteln voll Brief- ſchaften, Toiletten mit wunderlichem altem Geſchirr und Geſchmeid', Zitternadeln mit Sternen von bunten Stei- nen, o ich freute mich, den Schlüſſel zu haben, ich holte herunter, was man verlangte, zog den Schlüſſel ab, ohne abzuſchließen, und dachte mir eine ſtille, ein- ſame Nacht, in der ich, alles durchſuchend und betrach- tend, ſchwelgen wolle. Das Schießen hatte wieder angefangen, einzelne Reiter hörte man in geſtrecktem
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zu ſchaffen, indem es viel zu ſchwer ſei; ich entfernte
mich leiſe, ſtieg zum Saal, hob das ſchwere Bild ab,
nahm es an der Schnur über den Rücken, und ſo kam
ich, noch eh' die Verhandlung beendigt war, zum Er-
ſtaunen Aller und zur großen Freude der Großmutter,
zur Kellertreppe herabgepoltert, ich meldete noch, wie
ich aus dem Saalfenſter geſehen und alles ſtill ſei; ich
bekam die Erlaubniß noch mehr zu retten, ich bekam
die Schlüſſel zur Bibliothek um Kupferwerke zu holen,
mit freudiger Eile ſprang ich die Treppe hinauf, in die
Bibliothek hätt' ich längſt gern mich eingeſtohlen, da
war eine Sammlung prachtvoller Muſcheln, wunderba-
rer Steine, getrockneter Pflanzen, da hingen Straußen-
eier an den Wänden, Kokusnüſſe, da lagen alte Waf-
fen, ein Magnetſtein, an dem alle Näh- und Strickna-
deln hängen blieben, da ſtanden Schachteln voll Brief-
ſchaften, Toiletten mit wunderlichem altem Geſchirr und
Geſchmeid', Zitternadeln mit Sternen von bunten Stei-
nen, o ich freute mich, den Schlüſſel zu haben, ich
holte herunter, was man verlangte, zog den Schlüſſel
ab, ohne abzuſchließen, und dachte mir eine ſtille, ein-
ſame Nacht, in der ich, alles durchſuchend und betrach-
tend, ſchwelgen wolle. Das Schießen hatte wieder
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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/140>, abgerufen am 25.11.2024.
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