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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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alle Abend die Sterne, die auf mein Grab scheinen wer-
den und das freut mich," sagte sie, "ich habe Friede
geschlossen mit allen Menschen und mit allem Schicksal,
der Wind mag brausend daher fahren, wie in der Bi-
bel stehet, und den alten Eichen den Hals umdrehen,
oder die Sonne mag meine alten Glieder erwärmen, --
ich nehme alles dahin. Friede mit allen Dingen macht
den Geist mächtig -- der wahre Friede hat Flügel, und
trägt den Menschen noch bei Leibes Leben hoch über
die Erde dem Himmel zu, denn er ist ein himmlischer
Bote und zeigt den kürzesten Weg; er sagt, wir sollen
uns nirgend wo aufhalten, denn das ist Unfriede; der
grade Weg zum Himmel ist Geist, das ist die Straße,
die hinüber führt, daß man alles versteht und begreift,
wer gegen sein Schicksal murrt, der begreift es nicht,
wer es aber im Frieden dahin nimmt, der lernt es auch
bald verstehen; was man erfahren und gelernt hat, das
ist allemal eine Station, die man auf der Himmels-
straße zurückgelegt; ja, ja! das Schicksal des Menschen
enthält alle Erkenntniß, und wenn man erst alles ver-
standen hat auf dieser irdischen Welt, dann wird man
ja doch wohl den lieben Gott können begreifen lernen.
Niemand lernt begreifen, denn durch Eingebung vom
heiligen Geist, durch eigne Offenbarung lernt man fremde

alle Abend die Sterne, die auf mein Grab ſcheinen wer-
den und das freut mich,“ ſagte ſie, „ich habe Friede
geſchloſſen mit allen Menſchen und mit allem Schickſal,
der Wind mag brauſend daher fahren, wie in der Bi-
bel ſtehet, und den alten Eichen den Hals umdrehen,
oder die Sonne mag meine alten Glieder erwärmen, —
ich nehme alles dahin. Friede mit allen Dingen macht
den Geiſt mächtig — der wahre Friede hat Flügel, und
trägt den Menſchen noch bei Leibes Leben hoch über
die Erde dem Himmel zu, denn er iſt ein himmliſcher
Bote und zeigt den kürzeſten Weg; er ſagt, wir ſollen
uns nirgend wo aufhalten, denn das iſt Unfriede; der
grade Weg zum Himmel iſt Geiſt, das iſt die Straße,
die hinüber führt, daß man alles verſteht und begreift,
wer gegen ſein Schickſal murrt, der begreift es nicht,
wer es aber im Frieden dahin nimmt, der lernt es auch
bald verſtehen; was man erfahren und gelernt hat, das
iſt allemal eine Station, die man auf der Himmels-
ſtraße zurückgelegt; ja, ja! das Schickſal des Menſchen
enthält alle Erkenntniß, und wenn man erſt alles ver-
ſtanden hat auf dieſer irdiſchen Welt, dann wird man
ja doch wohl den lieben Gott können begreifen lernen.
Niemand lernt begreifen, denn durch Eingebung vom
heiligen Geiſt, durch eigne Offenbarung lernt man fremde

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[163/0173] alle Abend die Sterne, die auf mein Grab ſcheinen wer- den und das freut mich,“ ſagte ſie, „ich habe Friede geſchloſſen mit allen Menſchen und mit allem Schickſal, der Wind mag brauſend daher fahren, wie in der Bi- bel ſtehet, und den alten Eichen den Hals umdrehen, oder die Sonne mag meine alten Glieder erwärmen, — ich nehme alles dahin. Friede mit allen Dingen macht den Geiſt mächtig — der wahre Friede hat Flügel, und trägt den Menſchen noch bei Leibes Leben hoch über die Erde dem Himmel zu, denn er iſt ein himmliſcher Bote und zeigt den kürzeſten Weg; er ſagt, wir ſollen uns nirgend wo aufhalten, denn das iſt Unfriede; der grade Weg zum Himmel iſt Geiſt, das iſt die Straße, die hinüber führt, daß man alles verſteht und begreift, wer gegen ſein Schickſal murrt, der begreift es nicht, wer es aber im Frieden dahin nimmt, der lernt es auch bald verſtehen; was man erfahren und gelernt hat, das iſt allemal eine Station, die man auf der Himmels- ſtraße zurückgelegt; ja, ja! das Schickſal des Menſchen enthält alle Erkenntniß, und wenn man erſt alles ver- ſtanden hat auf dieſer irdiſchen Welt, dann wird man ja doch wohl den lieben Gott können begreifen lernen. Niemand lernt begreifen, denn durch Eingebung vom heiligen Geiſt, durch eigne Offenbarung lernt man fremde

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/173>, abgerufen am 21.11.2024.