Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

liebten fliegt, nur was liebt, ist Gedanke und fliegt. --
Ja Gedanken sind geistige Vögel.

Wenn ich nicht im Bett wär', so schrieb ich noch
mehr, aber so zieht mich das Kopfkissen nieder.

In Deinem Garten ist's so schön! Alle meine Ge-
danken sind Bienen, sie kommen aus Deinem duftenden
Garten zum Fenster hereingeflogen, das ich mir geöffnet
habe und setzen da ihren Honig ab, den sie in Deinem
blüthenreichen Garten gesammelt haben. -- Und so spät
es ist, nach Mitternacht schon, so kommen sie doch noch
einzeln und umsummen mich und wecken mich aus dem
Schlaf; und die Bienen Deines Gartens und die Bienen
Deines Geistes summen unter einander.

Liebe ist Erkenntniß, Schönheit ist das Geheimniß
ihrer Erkenntniß, und so tief ist dies Geheimniß, daß
es sich keinem mittheilt als nur dem Liebenden. Glaub's
nur! keiner besitzt das Geheimniß von Dir wie ich es
besitze, das heißt: keiner liebt Dich wie ich Dich liebe.

Wieder ein Bienchen! -- Deine Schönheit ist
Dein Leben
-- es wollte noch mehr summen, aber der
Wind jagte es wieder zum Fenster hinaus. -- Daß ich
in Deinem Garten schlafe eine Nacht, das ist wohl ein
groß Ereigniß. -- Du hast oft hier herrliche Stunden
verlebt, allein, und mit Freunden; und nun bin ich al-

liebten fliegt, nur was liebt, iſt Gedanke und fliegt. —
Ja Gedanken ſind geiſtige Vögel.

Wenn ich nicht im Bett wär', ſo ſchrieb ich noch
mehr, aber ſo zieht mich das Kopfkiſſen nieder.

In Deinem Garten iſt's ſo ſchön! Alle meine Ge-
danken ſind Bienen, ſie kommen aus Deinem duftenden
Garten zum Fenſter hereingeflogen, das ich mir geöffnet
habe und ſetzen da ihren Honig ab, den ſie in Deinem
blüthenreichen Garten geſammelt haben. — Und ſo ſpät
es iſt, nach Mitternacht ſchon, ſo kommen ſie doch noch
einzeln und umſummen mich und wecken mich aus dem
Schlaf; und die Bienen Deines Gartens und die Bienen
Deines Geiſtes ſummen unter einander.

Liebe iſt Erkenntniß, Schönheit iſt das Geheimniß
ihrer Erkenntniß, und ſo tief iſt dies Geheimniß, daß
es ſich keinem mittheilt als nur dem Liebenden. Glaub's
nur! keiner beſitzt das Geheimniß von Dir wie ich es
beſitze, das heißt: keiner liebt Dich wie ich Dich liebe.

Wieder ein Bienchen! — Deine Schönheit iſt
Dein Leben
— es wollte noch mehr ſummen, aber der
Wind jagte es wieder zum Fenſter hinaus. — Daß ich
in Deinem Garten ſchlafe eine Nacht, das iſt wohl ein
groß Ereigniß. — Du haſt oft hier herrliche Stunden
verlebt, allein, und mit Freunden; und nun bin ich al-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0186" n="176"/>
liebten fliegt, nur was liebt, i&#x017F;t Gedanke und fliegt. &#x2014;<lb/>
Ja Gedanken &#x017F;ind gei&#x017F;tige Vögel.</p><lb/>
          <p>Wenn ich nicht im Bett wär', &#x017F;o &#x017F;chrieb ich noch<lb/>
mehr, aber &#x017F;o zieht mich das Kopfki&#x017F;&#x017F;en nieder.</p><lb/>
          <p>In Deinem Garten i&#x017F;t's &#x017F;o &#x017F;chön! Alle meine Ge-<lb/>
danken &#x017F;ind Bienen, &#x017F;ie kommen aus Deinem duftenden<lb/>
Garten zum Fen&#x017F;ter hereingeflogen, das ich mir geöffnet<lb/>
habe und &#x017F;etzen da ihren Honig ab, den &#x017F;ie in Deinem<lb/>
blüthenreichen Garten ge&#x017F;ammelt haben. &#x2014; Und &#x017F;o &#x017F;pät<lb/>
es i&#x017F;t, nach Mitternacht &#x017F;chon, &#x017F;o kommen &#x017F;ie doch noch<lb/>
einzeln und um&#x017F;ummen mich und wecken mich aus dem<lb/>
Schlaf; und die Bienen Deines Gartens und die Bienen<lb/>
Deines Gei&#x017F;tes &#x017F;ummen unter einander.</p><lb/>
          <p>Liebe i&#x017F;t Erkenntniß, Schönheit i&#x017F;t das Geheimniß<lb/>
ihrer Erkenntniß, und &#x017F;o tief i&#x017F;t dies Geheimniß, daß<lb/>
es &#x017F;ich keinem mittheilt als nur dem Liebenden. Glaub's<lb/>
nur! keiner be&#x017F;itzt das Geheimniß von Dir wie ich es<lb/>
be&#x017F;itze, das heißt: keiner liebt Dich wie ich Dich liebe.</p><lb/>
          <p>Wieder ein Bienchen! &#x2014; <hi rendition="#g">Deine Schönheit i&#x017F;t<lb/>
Dein Leben</hi> &#x2014; es wollte noch mehr &#x017F;ummen, aber der<lb/>
Wind jagte es wieder zum Fen&#x017F;ter hinaus. &#x2014; Daß ich<lb/>
in Deinem Garten &#x017F;chlafe eine Nacht, das i&#x017F;t wohl ein<lb/>
groß Ereigniß. &#x2014; Du ha&#x017F;t oft hier herrliche Stunden<lb/>
verlebt, allein, und mit Freunden; und nun bin ich al-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0186] liebten fliegt, nur was liebt, iſt Gedanke und fliegt. — Ja Gedanken ſind geiſtige Vögel. Wenn ich nicht im Bett wär', ſo ſchrieb ich noch mehr, aber ſo zieht mich das Kopfkiſſen nieder. In Deinem Garten iſt's ſo ſchön! Alle meine Ge- danken ſind Bienen, ſie kommen aus Deinem duftenden Garten zum Fenſter hereingeflogen, das ich mir geöffnet habe und ſetzen da ihren Honig ab, den ſie in Deinem blüthenreichen Garten geſammelt haben. — Und ſo ſpät es iſt, nach Mitternacht ſchon, ſo kommen ſie doch noch einzeln und umſummen mich und wecken mich aus dem Schlaf; und die Bienen Deines Gartens und die Bienen Deines Geiſtes ſummen unter einander. Liebe iſt Erkenntniß, Schönheit iſt das Geheimniß ihrer Erkenntniß, und ſo tief iſt dies Geheimniß, daß es ſich keinem mittheilt als nur dem Liebenden. Glaub's nur! keiner beſitzt das Geheimniß von Dir wie ich es beſitze, das heißt: keiner liebt Dich wie ich Dich liebe. Wieder ein Bienchen! — Deine Schönheit iſt Dein Leben — es wollte noch mehr ſummen, aber der Wind jagte es wieder zum Fenſter hinaus. — Daß ich in Deinem Garten ſchlafe eine Nacht, das iſt wohl ein groß Ereigniß. — Du haſt oft hier herrliche Stunden verlebt, allein, und mit Freunden; und nun bin ich al-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/186
Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/186>, abgerufen am 13.05.2024.