[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.Du den Kopf über mich beugtest, als wolltest Du mich Du den Kopf über mich beugteſt, als wollteſt Du mich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0232" n="222"/> Du den Kopf über mich beugteſt, als wollteſt Du mich<lb/> in ſeinem Schatten bergen, und wie ich erwachte ſagteſt<lb/> Du: „du haſt geſchlafen!“ lange? — fragte ich. „Nun,<lb/> Saiten die lange nicht in meinem Herzen geklungen ha-<lb/> ben, fühlt' ich berührt, ſo iſt mir die Zeit ſchnell genug<lb/> vergangen.“ Wie ſahſt Du mich ſo mild an! — wie<lb/> war mir alles ſo neu! — ein menſchlich Antlitz zum er-<lb/> ſtenmal erkannt, angeſtaunt in der Liebe. Dein Antlitz<lb/> o Goethe, das keinem andern vergleichbar war, zum<lb/> erſtenmal mir in die Seele leuchtend. — O Herrlicher!<lb/> — Noch einmal knie ich hier zu Deinen Füßen, ich<lb/> weiß, Deine Lippen träufeln Thau auf mich herab<lb/> aus den Wolken, ich fühle mich wie belaſtet mit<lb/> Früchten der Seeligkeit, die all' Dein Feuergeiſt in mir<lb/> gezeitigt, ja ich fühl's, Du ſiehſt auf mich herab aus<lb/> himmliſchen Höhen, laſſe mich bewußtlos ſein, denn ich<lb/> vertrag's nicht, Du haſt mich aus den Angeln gehoben,<lb/> wo ſteh ich feſt? — Der Boden wankt, ſchweben ſoll<lb/> ich fortan, denn weil ich mich nicht mehr auf Erden<lb/> fühle; keinen kenne ich mehr, keine Neigung, keinen<lb/> Zweck, als nur ſchlafen, ſchlafen auf Wolken gebettet<lb/> an den Stufen Deines himmliſchen Thrones, Dein Auge<lb/> Feuerwache haltend über mir, Dein allbeherrſchender<lb/> Geiſt ſich über mich beugend im Blütherauſch der Lie-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [222/0232]
Du den Kopf über mich beugteſt, als wollteſt Du mich
in ſeinem Schatten bergen, und wie ich erwachte ſagteſt
Du: „du haſt geſchlafen!“ lange? — fragte ich. „Nun,
Saiten die lange nicht in meinem Herzen geklungen ha-
ben, fühlt' ich berührt, ſo iſt mir die Zeit ſchnell genug
vergangen.“ Wie ſahſt Du mich ſo mild an! — wie
war mir alles ſo neu! — ein menſchlich Antlitz zum er-
ſtenmal erkannt, angeſtaunt in der Liebe. Dein Antlitz
o Goethe, das keinem andern vergleichbar war, zum
erſtenmal mir in die Seele leuchtend. — O Herrlicher!
— Noch einmal knie ich hier zu Deinen Füßen, ich
weiß, Deine Lippen träufeln Thau auf mich herab
aus den Wolken, ich fühle mich wie belaſtet mit
Früchten der Seeligkeit, die all' Dein Feuergeiſt in mir
gezeitigt, ja ich fühl's, Du ſiehſt auf mich herab aus
himmliſchen Höhen, laſſe mich bewußtlos ſein, denn ich
vertrag's nicht, Du haſt mich aus den Angeln gehoben,
wo ſteh ich feſt? — Der Boden wankt, ſchweben ſoll
ich fortan, denn weil ich mich nicht mehr auf Erden
fühle; keinen kenne ich mehr, keine Neigung, keinen
Zweck, als nur ſchlafen, ſchlafen auf Wolken gebettet
an den Stufen Deines himmliſchen Thrones, Dein Auge
Feuerwache haltend über mir, Dein allbeherrſchender
Geiſt ſich über mich beugend im Blütherauſch der Lie-
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