[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.es braus'te um mich her, und wenn ich allein war dann es brauſ'te um mich her, und wenn ich allein war dann <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0241" n="231"/> es brauſ'te um mich her, und wenn ich allein war dann<lb/> brach ich in Thränen aus, ich konnte die Bücher nicht<lb/> leſen, ich war viel zu bewegt, da war's gleichſam als<lb/> erſtürzte der Strom meines Lebens über Fels und Ge-<lb/> klüft in tauſend Kaskaden herab, und es dauerte lang<lb/> ehe er ſich wieder zur Ruh ſammelte. — Da kam nun<lb/> einer, der trug einen Siegelring am Finger und ſagte,<lb/> den habe Goethe ihm geſchenkt. Das klagte ich ihm,<lb/> wie ich ihn zum erſtenmal ſah, wie ſehr mich das ge-<lb/> ſchmerzt habe, daß er einen Ring ſo leichtſinnig habe<lb/> verſchenken können, noch eh er mich gekannt. Goethe<lb/> lächelte zu dieſen ſeltſamen Liebesklagen nicht, er ſah<lb/> milde auf mich herab, die zutraulich an ſeinen Knieen<lb/> auf dem Schemel ſaß. Beim Weggehen ſteckte er mir<lb/> den Ring an den Finger und ſagte: „Wenn einer<lb/> ſagt, er habe einen Ring von mir, ſo ſage du: <hi rendition="#g">Goethe<lb/> erinnert ſich an keinen wie an dieſen</hi>.“ —<lb/> Nachher nahm er mich ſanft an ſein Herz, ich zählte<lb/> die Schläge. — „Ich hoffe du vergißt mich nicht,“ ſagte<lb/> er, „es wäre undankbar, ich habe ohne Bedingungen<lb/> alle deine Forderungen ſo viel wie möglich befriedigt.“<lb/> — <hi rendition="#g">Alſo liebſt Du mich</hi>, ſagte ich, und ewig, denn<lb/> ſonſt bin ich ärmer wie je, ja ich muß verzweifeln.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [231/0241]
es brauſ'te um mich her, und wenn ich allein war dann
brach ich in Thränen aus, ich konnte die Bücher nicht
leſen, ich war viel zu bewegt, da war's gleichſam als
erſtürzte der Strom meines Lebens über Fels und Ge-
klüft in tauſend Kaskaden herab, und es dauerte lang
ehe er ſich wieder zur Ruh ſammelte. — Da kam nun
einer, der trug einen Siegelring am Finger und ſagte,
den habe Goethe ihm geſchenkt. Das klagte ich ihm,
wie ich ihn zum erſtenmal ſah, wie ſehr mich das ge-
ſchmerzt habe, daß er einen Ring ſo leichtſinnig habe
verſchenken können, noch eh er mich gekannt. Goethe
lächelte zu dieſen ſeltſamen Liebesklagen nicht, er ſah
milde auf mich herab, die zutraulich an ſeinen Knieen
auf dem Schemel ſaß. Beim Weggehen ſteckte er mir
den Ring an den Finger und ſagte: „Wenn einer
ſagt, er habe einen Ring von mir, ſo ſage du: Goethe
erinnert ſich an keinen wie an dieſen.“ —
Nachher nahm er mich ſanft an ſein Herz, ich zählte
die Schläge. — „Ich hoffe du vergißt mich nicht,“ ſagte
er, „es wäre undankbar, ich habe ohne Bedingungen
alle deine Forderungen ſo viel wie möglich befriedigt.“
— Alſo liebſt Du mich, ſagte ich, und ewig, denn
ſonſt bin ich ärmer wie je, ja ich muß verzweifeln.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |