[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.sie als etwas Erlebtes bezeichne. -- In der Natur ist's auch Wie ich ihn zum erstenmal sah, da erzählte ich ſie als etwas Erlebtes bezeichne. — In der Natur iſt's auch Wie ich ihn zum erſtenmal ſah, da erzählte ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0240" n="230"/> ſie als etwas Erlebtes bezeichne. — In der Natur iſt's auch<lb/> ſo, was ſpiegeln kann, das giebt wieder die Schrift der<lb/> Liebe, der See malt die hohen Bäume, die ihn umge-<lb/> ben, grade die höchſten Wipfel in die tiefſte Tiefe, und<lb/> die erhabenen Sterne finden noch tiefere Tiefe in ihm,<lb/> und die Liebe, die alles erzeugte, bildet zu allem den<lb/> Grund, und ſo kann ich mit Recht ſagen: unergründ-<lb/> lich Geheimniß lockt alles zum Spiegel der Liebe, ſei<lb/> es auch noch ſo gering, ſei es auch noch ſo entfernt.</p><lb/> <p>Wie ich ihn zum erſtenmal ſah, da erzählte ich<lb/> ihm wie mich die Eiferſucht gequält habe, ſeit ich von<lb/> ihm wiſſe; es waren nicht ſeine Gedichte, nicht ſeine<lb/> Bücher, die mich ſo ganz leidenſchaftlich ſtimmten, ich<lb/> war viel zu bewegt noch eh ich ihn geſehen hatte, meine<lb/> Sinne waren viel zu verwirrt, um den Inhalt der Bü-<lb/> cher zu faſſen, ich war im Kloſter erzogen und hatte<lb/> noch nicht Poeſie verſtehen lernen; aber ich war ſchon<lb/> im ſechszehnten Jahr ſo von ihm hingeriſſen, daß wenn<lb/> man ſeinen Namen nannte, man mochte ihn loben oder<lb/> tadeln, ſo befiel mich Herzklopfen; ich glaub', es war<lb/> Eiferſucht, ich ward ſchwindlich, war es bei Tiſch wo<lb/> meine Großmutter manchmal von ihm ſprach, ſo konnt'<lb/> ich nicht mehr eſſen, währte das Geſpräch länger, ſo<lb/> vergingen mir die Sinne, ich ward nichts mehr gewahr,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [230/0240]
ſie als etwas Erlebtes bezeichne. — In der Natur iſt's auch
ſo, was ſpiegeln kann, das giebt wieder die Schrift der
Liebe, der See malt die hohen Bäume, die ihn umge-
ben, grade die höchſten Wipfel in die tiefſte Tiefe, und
die erhabenen Sterne finden noch tiefere Tiefe in ihm,
und die Liebe, die alles erzeugte, bildet zu allem den
Grund, und ſo kann ich mit Recht ſagen: unergründ-
lich Geheimniß lockt alles zum Spiegel der Liebe, ſei
es auch noch ſo gering, ſei es auch noch ſo entfernt.
Wie ich ihn zum erſtenmal ſah, da erzählte ich
ihm wie mich die Eiferſucht gequält habe, ſeit ich von
ihm wiſſe; es waren nicht ſeine Gedichte, nicht ſeine
Bücher, die mich ſo ganz leidenſchaftlich ſtimmten, ich
war viel zu bewegt noch eh ich ihn geſehen hatte, meine
Sinne waren viel zu verwirrt, um den Inhalt der Bü-
cher zu faſſen, ich war im Kloſter erzogen und hatte
noch nicht Poeſie verſtehen lernen; aber ich war ſchon
im ſechszehnten Jahr ſo von ihm hingeriſſen, daß wenn
man ſeinen Namen nannte, man mochte ihn loben oder
tadeln, ſo befiel mich Herzklopfen; ich glaub', es war
Eiferſucht, ich ward ſchwindlich, war es bei Tiſch wo
meine Großmutter manchmal von ihm ſprach, ſo konnt'
ich nicht mehr eſſen, währte das Geſpräch länger, ſo
vergingen mir die Sinne, ich ward nichts mehr gewahr,
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