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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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in ungemessene Ferne, -- denn ach wie fern Du mir
bist das kann ja doch nur Dein Herz entscheiden --
dies Auge sah heute Nacht in Deinem Auge den Schein
des Mondes sich spieglen.

Ich träumte von Dir; Du träumtest mit mir;
Du sprachst; ich empfinde noch den Ton Deiner Stimme;
was Du sagtest, weiß ich nicht mehr; Schmeichelreden
waren's, denn mit Deinen Reden gingen Schauer von
Wollust durch mich.

Gott hat alles gemacht, und alles aus Weisheit
und alle Weisheit für die Liebe, und doch sagen sie, ein
Liebender sei toll!

Weisheit ist die Atmosphäre der Liebe, der Liebende
athmet Weisheit, sie ist nicht außer ihm, nein, -- sein
Athem ist Weisheit, sein Blick sein Gefühl, und dies
bildet seinen Nymbus, der ihn absondert von allem,
was nicht der Wille der Liebe ist der Weisheit ist.

Weisheit der Liebe giebt alles, sie lenkt die Phantasie im
Reich der Träume, und schenkt der Lippe die süße Frucht,
die ihren Durst löscht, während die Unbegeisterten sich
nach dem Boden umthun, dem sie den Saamen anver-
trauen möchten, aus dem ihr Glück reifen könnte, um
das sie ihre Vorsicht betrügt.

Ich aber sauge Genuß aus diesen Träumen, aus

in ungemeſſene Ferne, — denn ach wie fern Du mir
biſt das kann ja doch nur Dein Herz entſcheiden —
dies Auge ſah heute Nacht in Deinem Auge den Schein
des Mondes ſich ſpieglen.

Ich träumte von Dir; Du träumteſt mit mir;
Du ſprachſt; ich empfinde noch den Ton Deiner Stimme;
was Du ſagteſt, weiß ich nicht mehr; Schmeichelreden
waren's, denn mit Deinen Reden gingen Schauer von
Wolluſt durch mich.

Gott hat alles gemacht, und alles aus Weisheit
und alle Weisheit für die Liebe, und doch ſagen ſie, ein
Liebender ſei toll!

Weisheit iſt die Atmoſphäre der Liebe, der Liebende
athmet Weisheit, ſie iſt nicht außer ihm, nein, — ſein
Athem iſt Weisheit, ſein Blick ſein Gefühl, und dies
bildet ſeinen Nymbus, der ihn abſondert von allem,
was nicht der Wille der Liebe iſt der Weisheit iſt.

Weisheit der Liebe giebt alles, ſie lenkt die Phantaſie im
Reich der Träume, und ſchenkt der Lippe die ſüße Frucht,
die ihren Durſt löſcht, während die Unbegeiſterten ſich
nach dem Boden umthun, dem ſie den Saamen anver-
trauen möchten, aus dem ihr Glück reifen könnte, um
das ſie ihre Vorſicht betrügt.

Ich aber ſauge Genuß aus dieſen Träumen, aus

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[28/0038] in ungemeſſene Ferne, — denn ach wie fern Du mir biſt das kann ja doch nur Dein Herz entſcheiden — dies Auge ſah heute Nacht in Deinem Auge den Schein des Mondes ſich ſpieglen. Ich träumte von Dir; Du träumteſt mit mir; Du ſprachſt; ich empfinde noch den Ton Deiner Stimme; was Du ſagteſt, weiß ich nicht mehr; Schmeichelreden waren's, denn mit Deinen Reden gingen Schauer von Wolluſt durch mich. Gott hat alles gemacht, und alles aus Weisheit und alle Weisheit für die Liebe, und doch ſagen ſie, ein Liebender ſei toll! Weisheit iſt die Atmoſphäre der Liebe, der Liebende athmet Weisheit, ſie iſt nicht außer ihm, nein, — ſein Athem iſt Weisheit, ſein Blick ſein Gefühl, und dies bildet ſeinen Nymbus, der ihn abſondert von allem, was nicht der Wille der Liebe iſt der Weisheit iſt. Weisheit der Liebe giebt alles, ſie lenkt die Phantaſie im Reich der Träume, und ſchenkt der Lippe die ſüße Frucht, die ihren Durſt löſcht, während die Unbegeiſterten ſich nach dem Boden umthun, dem ſie den Saamen anver- trauen möchten, aus dem ihr Glück reifen könnte, um das ſie ihre Vorſicht betrügt. Ich aber ſauge Genuß aus dieſen Träumen, aus

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/38>, abgerufen am 28.04.2024.