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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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In dem Garten wo ich noch als Kind spazierte
da wuchs die Jungfrauenrebe hoch empor an plattem
Gestein. Damals hab ich oft ihre kleine Sammtrüssel
betrachtet mit denen sie sich anzusaugen strebt, ich be-
wunderte dies unzertrennliche Anklammern in jede Fuge,
und wenn der Frühling erschöpft war, und die Som-
mergluthen dem jungen weichen Keimleben dieser zarten
Pflanze einfeuerten, da fielen allmählig ihre zierlichen
rothgefärbten Blätter zum Schmuck des Herbstes in's
Gras. Ach ich auch! absterbend aber feurig werd' ich
von Dir Abschied nehmen; und diese Blätter werden
wie jenes rothe Laub auf dem grünen Rasen spielen
der diese Zeiten deckt.


Ich bin nicht falsch gegen Dich; -- Du sagst:
"Wenn Du falsch bist, Du hättest keine Ehre
davon ich bin leicht zu betrügen
."

Ich will nicht falsch sein, ich frage nicht ob Du
falsch bist, sondern wie Du bist will ich Dir dienen.

Den Stern der dem Einsamen jeden Abend leuchtet,
den wird er nicht verrathen.


In dem Garten wo ich noch als Kind ſpazierte
da wuchs die Jungfrauenrebe hoch empor an plattem
Geſtein. Damals hab ich oft ihre kleine Sammtrüſſel
betrachtet mit denen ſie ſich anzuſaugen ſtrebt, ich be-
wunderte dies unzertrennliche Anklammern in jede Fuge,
und wenn der Frühling erſchöpft war, und die Som-
mergluthen dem jungen weichen Keimleben dieſer zarten
Pflanze einfeuerten, da fielen allmählig ihre zierlichen
rothgefärbten Blätter zum Schmuck des Herbſtes in's
Gras. Ach ich auch! abſterbend aber feurig werd' ich
von Dir Abſchied nehmen; und dieſe Blätter werden
wie jenes rothe Laub auf dem grünen Raſen ſpielen
der dieſe Zeiten deckt.


Ich bin nicht falſch gegen Dich; — Du ſagſt:
Wenn Du falſch biſt, Du hätteſt keine Ehre
davon ich bin leicht zu betrügen
.“

Ich will nicht falſch ſein, ich frage nicht ob Du
falſch biſt, ſondern wie Du biſt will ich Dir dienen.

Den Stern der dem Einſamen jeden Abend leuchtet,
den wird er nicht verrathen.

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[41/0051] In dem Garten wo ich noch als Kind ſpazierte da wuchs die Jungfrauenrebe hoch empor an plattem Geſtein. Damals hab ich oft ihre kleine Sammtrüſſel betrachtet mit denen ſie ſich anzuſaugen ſtrebt, ich be- wunderte dies unzertrennliche Anklammern in jede Fuge, und wenn der Frühling erſchöpft war, und die Som- mergluthen dem jungen weichen Keimleben dieſer zarten Pflanze einfeuerten, da fielen allmählig ihre zierlichen rothgefärbten Blätter zum Schmuck des Herbſtes in's Gras. Ach ich auch! abſterbend aber feurig werd' ich von Dir Abſchied nehmen; und dieſe Blätter werden wie jenes rothe Laub auf dem grünen Raſen ſpielen der dieſe Zeiten deckt. Ich bin nicht falſch gegen Dich; — Du ſagſt: „Wenn Du falſch biſt, Du hätteſt keine Ehre davon ich bin leicht zu betrügen.“ Ich will nicht falſch ſein, ich frage nicht ob Du falſch biſt, ſondern wie Du biſt will ich Dir dienen. Den Stern der dem Einſamen jeden Abend leuchtet, den wird er nicht verrathen.

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/51>, abgerufen am 24.11.2024.