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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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Was hast Du mir gethan was mich zur Falschheit
bewegen könnte, alles was ich an Dir verstehe das be-
glückt mich; Du kannst weder Aug noch Geist beleidi-
gen, und es hat mich weit über jede kleinliche Bedin-
gung erhoben, daß ich Dir vertrauen darf; und aus
dem tiefsten Herzen kann ich Dir immer nur den reinen
Wein einschenken in dem Dein Bild sich spiegelt.

Nicht wahr, Du glaubst nicht, daß ich falsch bin? --

Es giebt böse Fehler die an uns he[r]vorbrechen wie
Fieber; es hat seinen Verlauf und wir emfinden in der
Genesung daß wir schmerzlich krank waren; aber Falsch-
heit ist ein Gift das sich in des Herzens Mitte erzeugt,
könnte ich Dich nicht mehr in dieser Mitte herbergen,
was sollte ich anfangen?

In meinen Briefen wollte ich Dir nichts sagen,
aber hier im Buch da lasse ich Dir die Hand in meine
Wunde legen und es thut weh, daß Du an mir zwei-
feln kannst; ich will Dir erzählen aus meinen Kinder-
tagen, aus der Zeit eh ich Dich gesehen hatte. Wie
mein ganzes Leben ein Vorbereiten war auf Dich; wie
lange kenne ich Dich schon, wie oft hab' ich Dich ge-
sehen mit geschlossenen Augen, und wie wunderbar war's
wie endlich die wirkliche Welt sich in Deiner Gegenwart
an die lang gehegte Erwartung anschloß.

Was haſt Du mir gethan was mich zur Falſchheit
bewegen könnte, alles was ich an Dir verſtehe das be-
glückt mich; Du kannſt weder Aug noch Geiſt beleidi-
gen, und es hat mich weit über jede kleinliche Bedin-
gung erhoben, daß ich Dir vertrauen darf; und aus
dem tiefſten Herzen kann ich Dir immer nur den reinen
Wein einſchenken in dem Dein Bild ſich ſpiegelt.

Nicht wahr, Du glaubſt nicht, daß ich falſch bin? —

Es giebt böſe Fehler die an uns he[r]vorbrechen wie
Fieber; es hat ſeinen Verlauf und wir emfinden in der
Geneſung daß wir ſchmerzlich krank waren; aber Falſch-
heit iſt ein Gift das ſich in des Herzens Mitte erzeugt,
könnte ich Dich nicht mehr in dieſer Mitte herbergen,
was ſollte ich anfangen?

In meinen Briefen wollte ich Dir nichts ſagen,
aber hier im Buch da laſſe ich Dir die Hand in meine
Wunde legen und es thut weh, daß Du an mir zwei-
feln kannſt; ich will Dir erzählen aus meinen Kinder-
tagen, aus der Zeit eh ich Dich geſehen hatte. Wie
mein ganzes Leben ein Vorbereiten war auf Dich; wie
lange kenne ich Dich ſchon, wie oft hab' ich Dich ge-
ſehen mit geſchloſſenen Augen, und wie wunderbar war's
wie endlich die wirkliche Welt ſich in Deiner Gegenwart
an die lang gehegte Erwartung anſchloß.

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[42/0052] Was haſt Du mir gethan was mich zur Falſchheit bewegen könnte, alles was ich an Dir verſtehe das be- glückt mich; Du kannſt weder Aug noch Geiſt beleidi- gen, und es hat mich weit über jede kleinliche Bedin- gung erhoben, daß ich Dir vertrauen darf; und aus dem tiefſten Herzen kann ich Dir immer nur den reinen Wein einſchenken in dem Dein Bild ſich ſpiegelt. Nicht wahr, Du glaubſt nicht, daß ich falſch bin? — Es giebt böſe Fehler die an uns hervorbrechen wie Fieber; es hat ſeinen Verlauf und wir emfinden in der Geneſung daß wir ſchmerzlich krank waren; aber Falſch- heit iſt ein Gift das ſich in des Herzens Mitte erzeugt, könnte ich Dich nicht mehr in dieſer Mitte herbergen, was ſollte ich anfangen? In meinen Briefen wollte ich Dir nichts ſagen, aber hier im Buch da laſſe ich Dir die Hand in meine Wunde legen und es thut weh, daß Du an mir zwei- feln kannſt; ich will Dir erzählen aus meinen Kinder- tagen, aus der Zeit eh ich Dich geſehen hatte. Wie mein ganzes Leben ein Vorbereiten war auf Dich; wie lange kenne ich Dich ſchon, wie oft hab' ich Dich ge- ſehen mit geſchloſſenen Augen, und wie wunderbar war's wie endlich die wirkliche Welt ſich in Deiner Gegenwart an die lang gehegte Erwartung anſchloß.

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/52>, abgerufen am 13.05.2024.