Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

vor und lachte sie aus, aber da schrie alles: ich hätt
können den Hals abstürzen, ich hätt können Arm und
Bein brechen, mich hätt können der Schlag rühren,
unvorsichtig, tollkühn, sinnlos schrieen sie. -- Was
Guckuck, ich wollts nicht mehr hören, ich setzt mich wie¬
der in Galopp, der Badepeter hatte grad die Bäder
angelassen, ich rief ihm zu: sagt nicht, wo ich geblie¬
ben bin, und sprang ins Wasser mit Schuh und
Strümpf, und allen Kleidern; da unterm Wasser warf
ich die Kleider ab, und dacht nicht gleich, daß ich Dei¬
nen Brief im Busen stecken hatt, bis er auf dem Was¬
ser schwamm, ich hab ihn gleich aus einander gelegt
und an dem Strick festgemacht in der Mitte vom Ba¬
degewölb, womit man die Klapp aufzieht wenns zu
heiß ist, er flatterte im Luftzug über mir, und drehte
sich hin und her, ich bin ihm immer nachgeschwommen,
links und rechts, und hab ihn buchstabiert, hier ein
Theil und dort wieder, wie der Wind das Blatt drehte,
das hat mich ergötzt und auch hab ich mich gefreut,
wenn ich aus dem Bad käm ihn zu lesen, und dann
stimmt ich an: "O du der Götter Höchster, der über
Olympia mächtiglich waltet, laß beim Laufe der Flur
günstige Winde in den Schläfe-beschattenden Kränzen
mir wehen." -- Da wußten sie auf einmal, wo ich ge¬

vor und lachte ſie aus, aber da ſchrie alles: ich hätt
können den Hals abſtürzen, ich hätt können Arm und
Bein brechen, mich hätt können der Schlag rühren,
unvorſichtig, tollkühn, ſinnlos ſchrieen ſie. — Was
Guckuck, ich wollts nicht mehr hören, ich ſetzt mich wie¬
der in Galopp, der Badepeter hatte grad die Bäder
angelaſſen, ich rief ihm zu: ſagt nicht, wo ich geblie¬
ben bin, und ſprang ins Waſſer mit Schuh und
Strümpf, und allen Kleidern; da unterm Waſſer warf
ich die Kleider ab, und dacht nicht gleich, daß ich Dei¬
nen Brief im Buſen ſtecken hatt, bis er auf dem Waſ¬
ſer ſchwamm, ich hab ihn gleich aus einander gelegt
und an dem Strick feſtgemacht in der Mitte vom Ba¬
degewölb, womit man die Klapp aufzieht wenns zu
heiß iſt, er flatterte im Luftzug über mir, und drehte
ſich hin und her, ich bin ihm immer nachgeſchwommen,
links und rechts, und hab ihn buchſtabiert, hier ein
Theil und dort wieder, wie der Wind das Blatt drehte,
das hat mich ergötzt und auch hab ich mich gefreut,
wenn ich aus dem Bad käm ihn zu leſen, und dann
ſtimmt ich an: „O du der Götter Höchſter, der über
Olympia mächtiglich waltet, laß beim Laufe der Flur
günſtige Winde in den Schläfe-beſchattenden Kränzen
mir wehen.“ — Da wußten ſie auf einmal, wo ich ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0131" n="115"/>
vor und lachte &#x017F;ie aus, aber da &#x017F;chrie alles: ich hätt<lb/>
können den Hals ab&#x017F;türzen, ich hätt können Arm und<lb/>
Bein brechen, mich hätt können der Schlag rühren,<lb/>
unvor&#x017F;ichtig, tollkühn, &#x017F;innlos &#x017F;chrieen &#x017F;ie. &#x2014; Was<lb/>
Guckuck, ich wollts nicht mehr hören, ich &#x017F;etzt mich wie¬<lb/>
der in Galopp, der Badepeter hatte grad die Bäder<lb/>
angela&#x017F;&#x017F;en, ich rief ihm zu: &#x017F;agt nicht, wo ich geblie¬<lb/>
ben bin, und &#x017F;prang ins Wa&#x017F;&#x017F;er mit Schuh und<lb/>
Strümpf, und allen Kleidern; da unterm Wa&#x017F;&#x017F;er warf<lb/>
ich die Kleider ab, und dacht nicht gleich, daß ich Dei¬<lb/>
nen Brief im Bu&#x017F;en &#x017F;tecken hatt, bis er auf dem Wa&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;er &#x017F;chwamm, ich hab ihn gleich aus einander gelegt<lb/>
und an dem Strick fe&#x017F;tgemacht in der Mitte vom Ba¬<lb/>
degewölb, womit man die Klapp aufzieht wenns zu<lb/>
heiß i&#x017F;t, er flatterte im Luftzug über mir, und drehte<lb/>
&#x017F;ich hin und her, ich bin ihm immer nachge&#x017F;chwommen,<lb/>
links und rechts, und hab ihn buch&#x017F;tabiert, hier ein<lb/>
Theil und dort wieder, wie der Wind das Blatt drehte,<lb/>
das hat mich ergötzt und auch hab ich mich gefreut,<lb/>
wenn ich aus dem Bad käm ihn zu le&#x017F;en, und dann<lb/>
&#x017F;timmt ich an: &#x201E;O du der Götter Höch&#x017F;ter, der über<lb/>
Olympia mächtiglich waltet, laß beim Laufe der Flur<lb/>
gün&#x017F;tige Winde in den Schläfe-be&#x017F;chattenden Kränzen<lb/>
mir wehen.&#x201C; &#x2014; Da wußten &#x017F;ie auf einmal, wo ich ge¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0131] vor und lachte ſie aus, aber da ſchrie alles: ich hätt können den Hals abſtürzen, ich hätt können Arm und Bein brechen, mich hätt können der Schlag rühren, unvorſichtig, tollkühn, ſinnlos ſchrieen ſie. — Was Guckuck, ich wollts nicht mehr hören, ich ſetzt mich wie¬ der in Galopp, der Badepeter hatte grad die Bäder angelaſſen, ich rief ihm zu: ſagt nicht, wo ich geblie¬ ben bin, und ſprang ins Waſſer mit Schuh und Strümpf, und allen Kleidern; da unterm Waſſer warf ich die Kleider ab, und dacht nicht gleich, daß ich Dei¬ nen Brief im Buſen ſtecken hatt, bis er auf dem Waſ¬ ſer ſchwamm, ich hab ihn gleich aus einander gelegt und an dem Strick feſtgemacht in der Mitte vom Ba¬ degewölb, womit man die Klapp aufzieht wenns zu heiß iſt, er flatterte im Luftzug über mir, und drehte ſich hin und her, ich bin ihm immer nachgeſchwommen, links und rechts, und hab ihn buchſtabiert, hier ein Theil und dort wieder, wie der Wind das Blatt drehte, das hat mich ergötzt und auch hab ich mich gefreut, wenn ich aus dem Bad käm ihn zu leſen, und dann ſtimmt ich an: „O du der Götter Höchſter, der über Olympia mächtiglich waltet, laß beim Laufe der Flur günſtige Winde in den Schläfe-beſchattenden Kränzen mir wehen.“ — Da wußten ſie auf einmal, wo ich ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/131
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/131>, abgerufen am 04.12.2024.