Schelm, und was thun denn die Philosophen, als daß sie sich um ihre Einbildungen zanken, wer zuerst dies gedacht hat; -- hast Du's gedacht oder gesagt, so war es doch ohne Dich wahr, oder besser: so ists eine Chi¬ märe, die Deine Eitelkeit geboren hat. Was geitzest Du mit Münze, die nur dem elenden Erdenleben ange¬ hört, nicht den himmlischen Sphären. Ich möcht doch wissen, ob Christus besorgt war drum, daß seine Weis¬ heit ihm Nachruhm bringe? -- Wenn das wär, so war er nicht göttlich. Aber doch haben die Menschen ihm nur einen Götzendienst eingerichtet, weil sie so drauf halten, ihn äußerlich zu bekennen, aber innerlich nicht; äußerlich dürfte er immer vergessen sein, und nicht er¬ kannt, wenn die Lieb im Herzen keimte. -- Ich will Dir was sagen, mag der Geist auch noch so schöne er¬ habene Gewande zuschneiden und anlegen und damit auf dem Theater herumstolziren, was wills anders als blos eine Vorstellung, die wir wie ein Heldenstück de¬ klamiren, aber nicht zu wirklichen Helden werden da¬ durch. Du schriebst an den Clemens: "Sagen Sie nicht, mein Wesen sei Reflexion oder gar, ich sei mistrauisch, -- das Mistrauen ist eine Harpye, die sich gierig über das Göttermal der Begeistrung wirft und es besudelt mit unreiner Erfahrung und gemeiner Klugheit, die ich
Schelm, und was thun denn die Philoſophen, als daß ſie ſich um ihre Einbildungen zanken, wer zuerſt dies gedacht hat; — haſt Du's gedacht oder geſagt, ſo war es doch ohne Dich wahr, oder beſſer: ſo iſts eine Chi¬ märe, die Deine Eitelkeit geboren hat. Was geitzeſt Du mit Münze, die nur dem elenden Erdenleben ange¬ hört, nicht den himmliſchen Sphären. Ich möcht doch wiſſen, ob Chriſtus beſorgt war drum, daß ſeine Weis¬ heit ihm Nachruhm bringe? — Wenn das wär, ſo war er nicht göttlich. Aber doch haben die Menſchen ihm nur einen Götzendienſt eingerichtet, weil ſie ſo drauf halten, ihn äußerlich zu bekennen, aber innerlich nicht; äußerlich dürfte er immer vergeſſen ſein, und nicht er¬ kannt, wenn die Lieb im Herzen keimte. — Ich will Dir was ſagen, mag der Geiſt auch noch ſo ſchöne er¬ habene Gewande zuſchneiden und anlegen und damit auf dem Theater herumſtolziren, was wills anders als blos eine Vorſtellung, die wir wie ein Heldenſtück de¬ klamiren, aber nicht zu wirklichen Helden werden da¬ durch. Du ſchriebſt an den Clemens: „Sagen Sie nicht, mein Weſen ſei Reflexion oder gar, ich ſei mistrauiſch, — das Mistrauen iſt eine Harpye, die ſich gierig über das Göttermal der Begeiſtrung wirft und es beſudelt mit unreiner Erfahrung und gemeiner Klugheit, die ich
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Schelm, und was thun denn die Philoſophen, als daß
ſie ſich um ihre Einbildungen zanken, wer zuerſt dies
gedacht hat; — haſt Du's gedacht oder geſagt, ſo war
es doch ohne Dich wahr, oder beſſer: ſo iſts eine Chi¬
märe, die Deine Eitelkeit geboren hat. Was geitzeſt
Du mit Münze, die nur dem elenden Erdenleben ange¬
hört, nicht den himmliſchen Sphären. Ich möcht doch
wiſſen, ob Chriſtus beſorgt war drum, daß ſeine Weis¬
heit ihm Nachruhm bringe? — Wenn das wär, ſo war
er nicht göttlich. Aber doch haben die Menſchen ihm
nur einen Götzendienſt eingerichtet, weil ſie ſo drauf
halten, ihn äußerlich zu bekennen, aber innerlich nicht;
äußerlich dürfte er immer vergeſſen ſein, und nicht er¬
kannt, wenn die Lieb im Herzen keimte. — Ich will
Dir was ſagen, mag der Geiſt auch noch ſo ſchöne er¬
habene Gewande zuſchneiden und anlegen und damit
auf dem Theater herumſtolziren, was wills anders als
blos eine Vorſtellung, die wir wie ein Heldenſtück de¬
klamiren, aber nicht zu wirklichen Helden werden da¬
durch. Du ſchriebſt an den Clemens: „Sagen Sie nicht,
mein Weſen ſei Reflexion oder gar, ich ſei mistrauiſch, —
das Mistrauen iſt eine Harpye, die ſich gierig über
das Göttermal der Begeiſtrung wirft und es beſudelt
mit unreiner Erfahrung und gemeiner Klugheit, die ich
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/164>, abgerufen am 27.11.2024.
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