Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

wie meine Natur schwach ist. So fühl ich in diesem Mit¬
erleiden eines Vergangnen Verlebten, was erst im griechi¬
schen Dichter in seinen schärfsten Regungen durch den
Geist zum Lichte trat, und jetzt durch diesen schmerzlichen
Übersetzer zum zweitenmal in die Muttersprache getragen,
mit Schmerzen hineingetragen -- dies Heiligthum des
Wehthums, -- über den Dornenpfad trug er es schmerzlich
durchdrungen. Geweihtes Blut tränkt die Spur der ver¬
letzten Seele und stark als Held trug er es herüber. --
Und das nährt mich, stärkt mich, wenn ich Abends
schlafen gehe dann schlag ichs auf und lese es, lese hier
dem Päan gesungen, den Klaggesang, den sing ich
Abends auf dem Dach vom Taubenschlag aus dem Steg¬
reif, und da weiß ich, daß auch ich von der Muße be¬
rührt bin und daß sie mich tröstet, selbst tröstet. O was
frag ich nach den Menschen, ob die den Mangel an
historischem Sinn und der Logik an mir rügen, ich weiß
den Teufel was Logik ist. -- Und daß mir St. Clair
so viel zutraut, daß ich die Fahne glücklich schwingen
werde und sicher, und die Besseren und Hohen unter
ihr sammlen. -- Sag ihm von mir ich werde nicht feh¬
len, was mir einer zutraut, alle Kräfte dran zu setzen.
Den kleinen Brief vom Papa hab ich ihm selbst ge¬
schenkt, er wollte ein Andenken von mir zum Gegenge¬

wie meine Natur ſchwach iſt. So fühl ich in dieſem Mit¬
erleiden eines Vergangnen Verlebten, was erſt im griechi¬
ſchen Dichter in ſeinen ſchärfſten Regungen durch den
Geiſt zum Lichte trat, und jetzt durch dieſen ſchmerzlichen
Überſetzer zum zweitenmal in die Mutterſprache getragen,
mit Schmerzen hineingetragen — dies Heiligthum des
Wehthums, — über den Dornenpfad trug er es ſchmerzlich
durchdrungen. Geweihtes Blut tränkt die Spur der ver¬
letzten Seele und ſtark als Held trug er es herüber. —
Und das nährt mich, ſtärkt mich, wenn ich Abends
ſchlafen gehe dann ſchlag ichs auf und leſe es, leſe hier
dem Päan geſungen, den Klaggeſang, den ſing ich
Abends auf dem Dach vom Taubenſchlag aus dem Steg¬
reif, und da weiß ich, daß auch ich von der Muße be¬
rührt bin und daß ſie mich tröſtet, ſelbſt tröſtet. O was
frag ich nach den Menſchen, ob die den Mangel an
hiſtoriſchem Sinn und der Logik an mir rügen, ich weiß
den Teufel was Logik iſt. — Und daß mir St. Clair
ſo viel zutraut, daß ich die Fahne glücklich ſchwingen
werde und ſicher, und die Beſſeren und Hohen unter
ihr ſammlen. — Sag ihm von mir ich werde nicht feh¬
len, was mir einer zutraut, alle Kräfte dran zu ſetzen.
Den kleinen Brief vom Papa hab ich ihm ſelbſt ge¬
ſchenkt, er wollte ein Andenken von mir zum Gegenge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0242" n="226"/>
wie meine Natur &#x017F;chwach i&#x017F;t. So fühl ich in die&#x017F;em Mit¬<lb/>
erleiden eines Vergangnen Verlebten, was er&#x017F;t im griechi¬<lb/>
&#x017F;chen Dichter in &#x017F;einen &#x017F;chärf&#x017F;ten Regungen durch den<lb/>
Gei&#x017F;t zum Lichte trat, und jetzt durch die&#x017F;en &#x017F;chmerzlichen<lb/>
Über&#x017F;etzer zum zweitenmal in die Mutter&#x017F;prache getragen,<lb/>
mit Schmerzen hineingetragen &#x2014; dies Heiligthum des<lb/>
Wehthums, &#x2014; über den Dornenpfad trug er es &#x017F;chmerzlich<lb/>
durchdrungen. Geweihtes Blut tränkt die Spur der ver¬<lb/>
letzten Seele und &#x017F;tark als Held trug er es herüber. &#x2014;<lb/>
Und das nährt mich, &#x017F;tärkt mich, wenn ich Abends<lb/>
&#x017F;chlafen gehe dann &#x017F;chlag ichs auf und le&#x017F;e es, le&#x017F;e hier<lb/>
dem Päan ge&#x017F;ungen, den Klagge&#x017F;ang, den &#x017F;ing ich<lb/>
Abends auf dem Dach vom Tauben&#x017F;chlag aus dem Steg¬<lb/>
reif, und da weiß ich, daß auch ich von der Muße be¬<lb/>
rührt bin und daß &#x017F;ie mich trö&#x017F;tet, &#x017F;elb&#x017F;t trö&#x017F;tet. O was<lb/>
frag ich nach den Men&#x017F;chen, ob die den Mangel an<lb/>
hi&#x017F;tori&#x017F;chem Sinn und der Logik an mir rügen, ich weiß<lb/>
den Teufel was Logik i&#x017F;t. &#x2014; Und daß mir St. Clair<lb/>
&#x017F;o viel zutraut, daß ich die Fahne glücklich &#x017F;chwingen<lb/>
werde und &#x017F;icher, und die Be&#x017F;&#x017F;eren und Hohen unter<lb/>
ihr &#x017F;ammlen. &#x2014; Sag ihm von mir ich werde nicht feh¬<lb/>
len, was mir einer zutraut, alle Kräfte dran zu &#x017F;etzen.<lb/>
Den kleinen Brief vom Papa hab ich ihm &#x017F;elb&#x017F;t ge¬<lb/>
&#x017F;chenkt, er wollte ein Andenken von mir zum Gegenge¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[226/0242] wie meine Natur ſchwach iſt. So fühl ich in dieſem Mit¬ erleiden eines Vergangnen Verlebten, was erſt im griechi¬ ſchen Dichter in ſeinen ſchärfſten Regungen durch den Geiſt zum Lichte trat, und jetzt durch dieſen ſchmerzlichen Überſetzer zum zweitenmal in die Mutterſprache getragen, mit Schmerzen hineingetragen — dies Heiligthum des Wehthums, — über den Dornenpfad trug er es ſchmerzlich durchdrungen. Geweihtes Blut tränkt die Spur der ver¬ letzten Seele und ſtark als Held trug er es herüber. — Und das nährt mich, ſtärkt mich, wenn ich Abends ſchlafen gehe dann ſchlag ichs auf und leſe es, leſe hier dem Päan geſungen, den Klaggeſang, den ſing ich Abends auf dem Dach vom Taubenſchlag aus dem Steg¬ reif, und da weiß ich, daß auch ich von der Muße be¬ rührt bin und daß ſie mich tröſtet, ſelbſt tröſtet. O was frag ich nach den Menſchen, ob die den Mangel an hiſtoriſchem Sinn und der Logik an mir rügen, ich weiß den Teufel was Logik iſt. — Und daß mir St. Clair ſo viel zutraut, daß ich die Fahne glücklich ſchwingen werde und ſicher, und die Beſſeren und Hohen unter ihr ſammlen. — Sag ihm von mir ich werde nicht feh¬ len, was mir einer zutraut, alle Kräfte dran zu ſetzen. Den kleinen Brief vom Papa hab ich ihm ſelbſt ge¬ ſchenkt, er wollte ein Andenken von mir zum Gegenge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/242
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/242>, abgerufen am 24.11.2024.