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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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eine Rolle spielen, sie fand sie auf ihrer Frühstückstasse.
Sie ließ sich aus über das frische Rubinroth der
Blüthe, hielts gegens Licht und war ergötzt über die
Gluth -- mir ists lieb wenn sie so schwäzt -- ich
sagt ihr, sie komme mir vor wie ein Kind, das alles
zum erstenmal sehe. -- "Was soll ich anders als nur ein
Kind werden, sind doch alle Lebenszerstreuungen jetzt
entschwunden die dem Kindersinn früher in den Weg
traten, so beschreibt das Menschenleben einen Kreis und
bezeichnet schon hier daß es auf die Ewigkeit angewie¬
sen ist, sagte sie, jetzt wo mein Leben vollendet so gut
als mirs der Himmel hat werden lassen -- so viel der
schönen Blüthen sind mir abgeblüht, so viel Früchte
gereift, jetzt wo das Laub abfällt da bereitet sich der
Geist vor auf frische Triebe im nächsten Lebenskreislauf,
und da magst Du ganz recht ahnen." -- Ach Günde¬
rode, ich will auch erst wieder ein Kind werden eh ich
sterb, ich will einen Kreis bilden, nicht wie Du willst,
recht früh sterben, nein, das will ich nicht, wo ists schö¬
ner als auf der schönen Erde, und dann als Kind,
wos am schönsten ist, wieder hinüber wo die Sonne
untergeht. Die Großmama erzählte auch noch eine
schöne Geschichte die ich dir hierher schreiben will, weil
ich sie nicht gern vergessen, möchte, von dem Vater des

eine Rolle ſpielen, ſie fand ſie auf ihrer Frühſtückſtaſſe.
Sie ließ ſich aus über das friſche Rubinroth der
Blüthe, hielts gegens Licht und war ergötzt über die
Gluth — mir iſts lieb wenn ſie ſo ſchwäzt — ich
ſagt ihr, ſie komme mir vor wie ein Kind, das alles
zum erſtenmal ſehe. — „Was ſoll ich anders als nur ein
Kind werden, ſind doch alle Lebenszerſtreuungen jetzt
entſchwunden die dem Kinderſinn früher in den Weg
traten, ſo beſchreibt das Menſchenleben einen Kreis und
bezeichnet ſchon hier daß es auf die Ewigkeit angewie¬
ſen iſt, ſagte ſie, jetzt wo mein Leben vollendet ſo gut
als mirs der Himmel hat werden laſſen — ſo viel der
ſchönen Blüthen ſind mir abgeblüht, ſo viel Früchte
gereift, jetzt wo das Laub abfällt da bereitet ſich der
Geiſt vor auf friſche Triebe im nächſten Lebenskreislauf,
und da magſt Du ganz recht ahnen.“ — Ach Günde¬
rode, ich will auch erſt wieder ein Kind werden eh ich
ſterb, ich will einen Kreis bilden, nicht wie Du willſt,
recht früh ſterben, nein, das will ich nicht, wo iſts ſchö¬
ner als auf der ſchönen Erde, und dann als Kind,
wos am ſchönſten iſt, wieder hinüber wo die Sonne
untergeht. Die Großmama erzählte auch noch eine
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[278/0294] eine Rolle ſpielen, ſie fand ſie auf ihrer Frühſtückſtaſſe. Sie ließ ſich aus über das friſche Rubinroth der Blüthe, hielts gegens Licht und war ergötzt über die Gluth — mir iſts lieb wenn ſie ſo ſchwäzt — ich ſagt ihr, ſie komme mir vor wie ein Kind, das alles zum erſtenmal ſehe. — „Was ſoll ich anders als nur ein Kind werden, ſind doch alle Lebenszerſtreuungen jetzt entſchwunden die dem Kinderſinn früher in den Weg traten, ſo beſchreibt das Menſchenleben einen Kreis und bezeichnet ſchon hier daß es auf die Ewigkeit angewie¬ ſen iſt, ſagte ſie, jetzt wo mein Leben vollendet ſo gut als mirs der Himmel hat werden laſſen — ſo viel der ſchönen Blüthen ſind mir abgeblüht, ſo viel Früchte gereift, jetzt wo das Laub abfällt da bereitet ſich der Geiſt vor auf friſche Triebe im nächſten Lebenskreislauf, und da magſt Du ganz recht ahnen.“ — Ach Günde¬ rode, ich will auch erſt wieder ein Kind werden eh ich ſterb, ich will einen Kreis bilden, nicht wie Du willſt, recht früh ſterben, nein, das will ich nicht, wo iſts ſchö¬ ner als auf der ſchönen Erde, und dann als Kind, wos am ſchönſten iſt, wieder hinüber wo die Sonne untergeht. Die Großmama erzählte auch noch eine ſchöne Geſchichte die ich dir hierher ſchreiben will, weil ich ſie nicht gern vergeſſen, möchte, von dem Vater des

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/294>, abgerufen am 23.11.2024.