Stadion, der habe einen Löwen gehabt der sey zahm gewesen, der habe Nachts an seinem Bett geschlafen, da sei er eines Morgens aufgewacht weil ihn der Löwe gar hart an der Hand leckte, da war er von seiner rauhen Zunge bis aufs Blut geleckt, und dem Löwen hat das Blut sehr gut geschmeckt, der Stadion hat sich nicht getraut die Hand zurückzuziehen und hat, mit der andern Hand nach einer geladnen Pistol ge¬ griffen die am Bett hing, und dem Löwen vor dem Kopf abgedrückt. -- Und als die Leut auf den Lärm hereingedrungen waren zu ihrem Herrn, da hat der Stadion über dem todten Löwen gelegen und ihn um¬ halst und ihn ganz starr angesehn, und hat einen großen Schrei gethan, "ich hab meinen besten Freund gemordet," und da hat er sich mehrere Tage in sein Zimmer eingeschlossen, weil es ihn so sehr gekränkt hatte. -- Ach ich hätte dies Thier lieber nicht umgebracht, und hätt auf seine Großmuth gebaut, ob der Löwe mich gefressen hätt, ich glaubs noch nicht, und mir wär lie¬ ber gewesen die Geschicht wär nicht so ausgegangen. -- Sie erzählte noch manches von ihm, was seine große Gegenwart des Geistes bewieß, und sprach so weise über diese große Eigenschaft, daß ich ganz versunken war im Zuhören; sie sagte, daß die Menschen als lang
Stadion, der habe einen Löwen gehabt der ſey zahm geweſen, der habe Nachts an ſeinem Bett geſchlafen, da ſei er eines Morgens aufgewacht weil ihn der Löwe gar hart an der Hand leckte, da war er von ſeiner rauhen Zunge bis aufs Blut geleckt, und dem Löwen hat das Blut ſehr gut geſchmeckt, der Stadion hat ſich nicht getraut die Hand zurückzuziehen und hat, mit der andern Hand nach einer geladnen Piſtol ge¬ griffen die am Bett hing, und dem Löwen vor dem Kopf abgedrückt. — Und als die Leut auf den Lärm hereingedrungen waren zu ihrem Herrn, da hat der Stadion über dem todten Löwen gelegen und ihn um¬ halſt und ihn ganz ſtarr angeſehn, und hat einen großen Schrei gethan, „ich hab meinen beſten Freund gemordet,“ und da hat er ſich mehrere Tage in ſein Zimmer eingeſchloſſen, weil es ihn ſo ſehr gekränkt hatte. — Ach ich hätte dies Thier lieber nicht umgebracht, und hätt auf ſeine Großmuth gebaut, ob der Löwe mich gefreſſen hätt, ich glaubs noch nicht, und mir wär lie¬ ber geweſen die Geſchicht wär nicht ſo ausgegangen. — Sie erzählte noch manches von ihm, was ſeine große Gegenwart des Geiſtes bewieß, und ſprach ſo weiſe über dieſe große Eigenſchaft, daß ich ganz verſunken war im Zuhören; ſie ſagte, daß die Menſchen als lang
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Stadion, der habe einen Löwen gehabt der ſey zahm
geweſen, der habe Nachts an ſeinem Bett geſchlafen,
da ſei er eines Morgens aufgewacht weil ihn der Löwe
gar hart an der Hand leckte, da war er von ſeiner
rauhen Zunge bis aufs Blut geleckt, und dem Löwen
hat das Blut ſehr gut geſchmeckt, der Stadion hat
ſich nicht getraut die Hand zurückzuziehen und hat,
mit der andern Hand nach einer geladnen Piſtol ge¬
griffen die am Bett hing, und dem Löwen vor dem
Kopf abgedrückt. — Und als die Leut auf den Lärm
hereingedrungen waren zu ihrem Herrn, da hat der
Stadion über dem todten Löwen gelegen und ihn um¬
halſt und ihn ganz ſtarr angeſehn, und hat einen
großen Schrei gethan, „ich hab meinen beſten Freund
gemordet,“ und da hat er ſich mehrere Tage in ſein
Zimmer eingeſchloſſen, weil es ihn ſo ſehr gekränkt hatte.
— Ach ich hätte dies Thier lieber nicht umgebracht, und
hätt auf ſeine Großmuth gebaut, ob der Löwe mich
gefreſſen hätt, ich glaubs noch nicht, und mir wär lie¬
ber geweſen die Geſchicht wär nicht ſo ausgegangen. —
Sie erzählte noch manches von ihm, was ſeine große
Gegenwart des Geiſtes bewieß, und ſprach ſo weiſe
über dieſe große Eigenſchaft, daß ich ganz verſunken
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/295>, abgerufen am 23.11.2024.
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