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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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und dann fühl ich mich reif zum Abschied und sterb
wenn ich lernen will.

Jetzt will ich Dir auch noch auf Deine letzte Frage
antworten von der gemeinen Frau, das war kurz ehe
ich von Frankfurt hier herauskam, da war ich allein
von dem Bockenheimer Thor aus dem Garten wo die
Tonie wohnt hereingegangen in die Stadt. Da begeg¬
nete mir eine Frau der war das Band aufgegangen am
Schuh, und sie konnte sich nicht bücken denn sie ging
mit einem Kinde und seufzte sehr unter ihrer Last, ich
ließ sie ihren Fuß auf mein Knie stellen um das Schuh¬
band ihr zuzubinden, dann aber führte ich sie nach
ihrer Wohnung weil sie so sehr jammerte über Schmer¬
zen, es war schon dämmerig, als wir in die Stadt ka¬
men da begegnete mir eben auch die Frau Euler welche
unser beider böser Dämon zu sein scheint, ich machte ihr
eine tiefe Verbeugung zu meinem Plaisir, und schleppte
die Frau weiter, die fing aber an mir bang zu machen
denn sie seufzte so schwer und ward so blaß und der
Schweiß trat ihr auf die Stirn, da kam der gute Dok¬
tor Neville, dem übergab ich die Frau, und als ich auf
den Roßmarkt kam da begegnete mir der Moritz der
sagte: ach wie blaß sehen Sie aus, es fehlt Ihnen was,
ich habe so großen Hunger, sagte ich -- und es war

und dann fühl ich mich reif zum Abſchied und ſterb
wenn ich lernen will.

Jetzt will ich Dir auch noch auf Deine letzte Frage
antworten von der gemeinen Frau, das war kurz ehe
ich von Frankfurt hier herauskam, da war ich allein
von dem Bockenheimer Thor aus dem Garten wo die
Tonie wohnt hereingegangen in die Stadt. Da begeg¬
nete mir eine Frau der war das Band aufgegangen am
Schuh, und ſie konnte ſich nicht bücken denn ſie ging
mit einem Kinde und ſeufzte ſehr unter ihrer Laſt, ich
ließ ſie ihren Fuß auf mein Knie ſtellen um das Schuh¬
band ihr zuzubinden, dann aber führte ich ſie nach
ihrer Wohnung weil ſie ſo ſehr jammerte über Schmer¬
zen, es war ſchon dämmerig, als wir in die Stadt ka¬
men da begegnete mir eben auch die Frau Euler welche
unſer beider böſer Dämon zu ſein ſcheint, ich machte ihr
eine tiefe Verbeugung zu meinem Plaiſir, und ſchleppte
die Frau weiter, die fing aber an mir bang zu machen
denn ſie ſeufzte ſo ſchwer und ward ſo blaß und der
Schweiß trat ihr auf die Stirn, da kam der gute Dok¬
tor Neville, dem übergab ich die Frau, und als ich auf
den Roßmarkt kam da begegnete mir der Moritz der
ſagte: ach wie blaß ſehen Sie aus, es fehlt Ihnen was,
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[316/0332] und dann fühl ich mich reif zum Abſchied und ſterb wenn ich lernen will. Jetzt will ich Dir auch noch auf Deine letzte Frage antworten von der gemeinen Frau, das war kurz ehe ich von Frankfurt hier herauskam, da war ich allein von dem Bockenheimer Thor aus dem Garten wo die Tonie wohnt hereingegangen in die Stadt. Da begeg¬ nete mir eine Frau der war das Band aufgegangen am Schuh, und ſie konnte ſich nicht bücken denn ſie ging mit einem Kinde und ſeufzte ſehr unter ihrer Laſt, ich ließ ſie ihren Fuß auf mein Knie ſtellen um das Schuh¬ band ihr zuzubinden, dann aber führte ich ſie nach ihrer Wohnung weil ſie ſo ſehr jammerte über Schmer¬ zen, es war ſchon dämmerig, als wir in die Stadt ka¬ men da begegnete mir eben auch die Frau Euler welche unſer beider böſer Dämon zu ſein ſcheint, ich machte ihr eine tiefe Verbeugung zu meinem Plaiſir, und ſchleppte die Frau weiter, die fing aber an mir bang zu machen denn ſie ſeufzte ſo ſchwer und ward ſo blaß und der Schweiß trat ihr auf die Stirn, da kam der gute Dok¬ tor Neville, dem übergab ich die Frau, und als ich auf den Roßmarkt kam da begegnete mir der Moritz der ſagte: ach wie blaß ſehen Sie aus, es fehlt Ihnen was, ich habe ſo großen Hunger, ſagte ich — und es war

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/332>, abgerufen am 22.11.2024.