auch wahr, die Angst mit der Frau hatte mir Hunger gemacht, der Moritz griff in die Tasche die hatte er voll getrockneter Oliven, die esse ich gern, er leerte seine Tasche in meinen Handschuh aus, den ich ausgezogen hatte um sie hineinzufüllen, da führt der Gukuk die Lotte vorbei; der Moritz ging, die Lotte kam an mich heran und fragte wie kannst du nur auf offner Straße mit dem Moritz Hand in Hand stehen, das ärgerte mich, ich ging ins Stift zu Dir herein wo ich meine Oliven speiste und die Kerne alle in eine Reihe legte aufs Fen¬ sterbrett, Du standst neben mir und warst ganz still versunken in die Dämmerung und "endlich sagtest Du, warum bist du heute so schweigsam? ich sagte: ich esse meine Oliven das beschäftigt mich, aber Du bist doch auch stille, warum bist Du still?-- "Es giebt ein Ver¬ stummen der Seele" sagtest Du "wo alles tod ist in der Brust." -- Ist es so in Dir, fragte ich -- Du schwiegst eine Weile, dann sagtest Du: "es ist grade so in mir wie da draußen im Garten, die Dämmerung liegt auf meiner Seele wie auf jenen Büschen, sie ist farblos aber sie erkennt sich, -- aber sie ist farblos," sagtest Du noch einmal, und dies letztemal so klanglos auch, daß ich Dich im Nachtschimmer ansah verwundert und verschüchtert, denn ich traute mich nicht mehr zu
auch wahr, die Angſt mit der Frau hatte mir Hunger gemacht, der Moritz griff in die Taſche die hatte er voll getrockneter Oliven, die eſſe ich gern, er leerte ſeine Taſche in meinen Handſchuh aus, den ich ausgezogen hatte um ſie hineinzufüllen, da führt der Gukuk die Lotte vorbei; der Moritz ging, die Lotte kam an mich heran und fragte wie kannſt du nur auf offner Straße mit dem Moritz Hand in Hand ſtehen, das ärgerte mich, ich ging ins Stift zu Dir herein wo ich meine Oliven ſpeiſte und die Kerne alle in eine Reihe legte aufs Fen¬ ſterbrett, Du ſtandſt neben mir und warſt ganz ſtill verſunken in die Dämmerung und „endlich ſagteſt Du, warum biſt du heute ſo ſchweigſam? ich ſagte: ich eſſe meine Oliven das beſchäftigt mich, aber Du biſt doch auch ſtille, warum biſt Du ſtill?— „Es giebt ein Ver¬ ſtummen der Seele“ ſagteſt Du „wo alles tod iſt in der Bruſt.“ — Iſt es ſo in Dir, fragte ich — Du ſchwiegſt eine Weile, dann ſagteſt Du: „es iſt grade ſo in mir wie da draußen im Garten, die Dämmerung liegt auf meiner Seele wie auf jenen Büſchen, ſie iſt farblos aber ſie erkennt ſich, — aber ſie iſt farblos,“ ſagteſt Du noch einmal, und dies letztemal ſo klanglos auch, daß ich Dich im Nachtſchimmer anſah verwundert und verſchüchtert, denn ich traute mich nicht mehr zu
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auch wahr, die Angſt mit der Frau hatte mir Hunger
gemacht, der Moritz griff in die Taſche die hatte er
voll getrockneter Oliven, die eſſe ich gern, er leerte ſeine
Taſche in meinen Handſchuh aus, den ich ausgezogen
hatte um ſie hineinzufüllen, da führt der Gukuk die Lotte
vorbei; der Moritz ging, die Lotte kam an mich heran
und fragte wie kannſt du nur auf offner Straße mit
dem Moritz Hand in Hand ſtehen, das ärgerte mich,
ich ging ins Stift zu Dir herein wo ich meine Oliven
ſpeiſte und die Kerne alle in eine Reihe legte aufs Fen¬
ſterbrett, Du ſtandſt neben mir und warſt ganz ſtill
verſunken in die Dämmerung und „endlich ſagteſt Du,
warum biſt du heute ſo ſchweigſam? ich ſagte: ich eſſe
meine Oliven das beſchäftigt mich, aber Du biſt doch
auch ſtille, warum biſt Du ſtill?— „Es giebt ein Ver¬
ſtummen der Seele“ ſagteſt Du „wo alles tod iſt in
der Bruſt.“ — Iſt es ſo in Dir, fragte ich — Du
ſchwiegſt eine Weile, dann ſagteſt Du: „es iſt grade
ſo in mir wie da draußen im Garten, die Dämmerung
liegt auf meiner Seele wie auf jenen Büſchen, ſie iſt
farblos aber ſie erkennt ſich, — aber ſie iſt farblos,“
ſagteſt Du noch einmal, und dies letztemal ſo klanglos
auch, daß ich Dich im Nachtſchimmer anſah verwundert
und verſchüchtert, denn ich traute mich nicht mehr zu
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/333>, abgerufen am 22.11.2024.
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