innewohne, damit er sich selber kennen lerne, so wär Schleiermacher ewig göttlich und der erste größte Geist." -- da dacht ich wenn ich von Dir fern wär da würd ich in Briefen wohl Dir die ganze Tiefe meiner Natur offenbaren können -- Dir und mir; und ganz in ihrer un¬ gestörten Wahrheit wie ich sie vielleicht noch nicht kenne, und wenn ich will daß Du mich liebst, wie soll ich das anders anfangen als mit meinen, innersten Selbst, -- sonst hab ich gar nichts anders, -- und von Stund an ging ich mir nach wie einem Geist, den ich Dir ins Netz locken wollt. Am Abend hatte mir der Franz noch ein paar freund¬ liche aber doch mahnende Worte darüber gesagt daß ich mit dem Moritz aus der Straß gestanden hatte und geplau¬ dert; -- die Lotte hatte es der Schwägerin gesagt; -- ich antwortete ihm nicht darauf, denn vertheidigen schien mir nicht passend, wie denn das meiner Seele ohnedem nicht einverleibt ist daß ich solche Irrthümer aufklären möchte und am Ende schien mir der Moritz doch werth daß man freundlich mit ihm Hand in Hand stehe, obschon er mir bei jener Vermahnung sehr schwarz gemacht wurde, er begegnete mir am andern Morgen auf dem Vorplatz und ich sah mich um ob niemand mich erspä¬ hen könne und zog ihn in die Ecke wo die Wendel¬ treppe hinaufführt zu meinem Zimmer, da küßte ich ihn
innewohne, damit er ſich ſelber kennen lerne, ſo wär Schleiermacher ewig göttlich und der erſte größte Geiſt.“ — da dacht ich wenn ich von Dir fern wär da würd ich in Briefen wohl Dir die ganze Tiefe meiner Natur offenbaren können — Dir und mir; und ganz in ihrer un¬ geſtörten Wahrheit wie ich ſie vielleicht noch nicht kenne, und wenn ich will daß Du mich liebſt, wie ſoll ich das anders anfangen als mit meinen, innerſten Selbſt, — ſonſt hab ich gar nichts anders, — und von Stund an ging ich mir nach wie einem Geiſt, den ich Dir ins Netz locken wollt. Am Abend hatte mir der Franz noch ein paar freund¬ liche aber doch mahnende Worte darüber geſagt daß ich mit dem Moritz aus der Straß geſtanden hatte und geplau¬ dert; — die Lotte hatte es der Schwägerin geſagt; — ich antwortete ihm nicht darauf, denn vertheidigen ſchien mir nicht paſſend, wie denn das meiner Seele ohnedem nicht einverleibt iſt daß ich ſolche Irrthümer aufklären möchte und am Ende ſchien mir der Moritz doch werth daß man freundlich mit ihm Hand in Hand ſtehe, obſchon er mir bei jener Vermahnung ſehr ſchwarz gemacht wurde, er begegnete mir am andern Morgen auf dem Vorplatz und ich ſah mich um ob niemand mich erſpä¬ hen könne und zog ihn in die Ecke wo die Wendel¬ treppe hinaufführt zu meinem Zimmer, da küßte ich ihn
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innewohne, damit er ſich ſelber kennen lerne, ſo wär
Schleiermacher ewig göttlich und der erſte größte Geiſt.“
— da dacht ich wenn ich von Dir fern wär da würd
ich in Briefen wohl Dir die ganze Tiefe meiner Natur
offenbaren können — Dir und mir; und ganz in ihrer un¬
geſtörten Wahrheit wie ich ſie vielleicht noch nicht kenne,
und wenn ich will daß Du mich liebſt, wie ſoll ich das
anders anfangen als mit meinen, innerſten Selbſt, — ſonſt
hab ich gar nichts anders, — und von Stund an ging ich
mir nach wie einem Geiſt, den ich Dir ins Netz locken
wollt. Am Abend hatte mir der Franz noch ein paar freund¬
liche aber doch mahnende Worte darüber geſagt daß ich
mit dem Moritz aus der Straß geſtanden hatte und geplau¬
dert; — die Lotte hatte es der Schwägerin geſagt; — ich
antwortete ihm nicht darauf, denn vertheidigen ſchien mir
nicht paſſend, wie denn das meiner Seele ohnedem nicht
einverleibt iſt daß ich ſolche Irrthümer aufklären möchte
und am Ende ſchien mir der Moritz doch werth daß
man freundlich mit ihm Hand in Hand ſtehe, obſchon
er mir bei jener Vermahnung ſehr ſchwarz gemacht
wurde, er begegnete mir am andern Morgen auf dem
Vorplatz und ich ſah mich um ob niemand mich erſpä¬
hen könne und zog ihn in die Ecke wo die Wendel¬
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/336>, abgerufen am 22.11.2024.
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