Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

da muß der Geist wohl Platz gewinnen sich auszudeh¬
nen und groß zu werden. -- Verzeih mirs heut, ein
Spiegel ist vor meinen Augen, als hätte einer den
Schleier vor ihm weggezogen, und so traurig ist mirs,
lauter Gewölk seh ich im Spiegel, und klagende Winde
-- als müßt ich ewig weinen weil ich an Dich denk --
ich war draus heut Abend am Main, da rauschte das
Schilf so wunderlich -- und weil ich in der Einsamkeit
immer mit Dir allein bin, da fragt ich Dich in meinem
Geist, "was ist das? redet das Schilf mit Dir", hab
ich gefragt. Denn ich will Dirs gestehen, denn ich möchte
nicht so angeredet sein, so klagvoll, so jammervoll, ich
wollts von mir wegschieben! -- Ach Günderode so trau¬
rig bin ich, war das nicht feige von mir das ich die
Klagen der Natur abwenden wollt von mir, und schobs
auf Dich -- als hätte sie mit Dir geredet wie sie so
wehmuthsvoll aufschrie im Schilf. -- Ich will ja doch
gern alles mit Dir theilen, es ist mir Genuß, großer
Genuß Deine Schmerzen auf mich zu nehmen, ich bin
stark, ich bin hart, ich spürs nicht so leicht, mir sind
Thränen zu ertragen, und dann sprießt die Hoffnung so
leicht in mir auf, als könnt wieder alles werden und
besser noch als was die Seele verlangt. -- Verlaß Dich
auf mich! -- wenns Dich ergreift -- als woll es Dich

da muß der Geiſt wohl Platz gewinnen ſich auszudeh¬
nen und groß zu werden. — Verzeih mirs heut, ein
Spiegel iſt vor meinen Augen, als hätte einer den
Schleier vor ihm weggezogen, und ſo traurig iſt mirs,
lauter Gewölk ſeh ich im Spiegel, und klagende Winde
— als müßt ich ewig weinen weil ich an Dich denk —
ich war draus heut Abend am Main, da rauſchte das
Schilf ſo wunderlich — und weil ich in der Einſamkeit
immer mit Dir allein bin, da fragt ich Dich in meinem
Geiſt, „was iſt das? redet das Schilf mit Dir“, hab
ich gefragt. Denn ich will Dirs geſtehen, denn ich möchte
nicht ſo angeredet ſein, ſo klagvoll, ſo jammervoll, ich
wollts von mir wegſchieben! — Ach Günderode ſo trau¬
rig bin ich, war das nicht feige von mir das ich die
Klagen der Natur abwenden wollt von mir, und ſchobs
auf Dich — als hätte ſie mit Dir geredet wie ſie ſo
wehmuthsvoll aufſchrie im Schilf. — Ich will ja doch
gern alles mit Dir theilen, es iſt mir Genuß, großer
Genuß Deine Schmerzen auf mich zu nehmen, ich bin
ſtark, ich bin hart, ich ſpürs nicht ſo leicht, mir ſind
Thränen zu ertragen, und dann ſprießt die Hoffnung ſo
leicht in mir auf, als könnt wieder alles werden und
beſſer noch als was die Seele verlangt. — Verlaß Dich
auf mich! — wenns Dich ergreift — als woll es Dich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0342" n="326"/>
da muß der Gei&#x017F;t wohl Platz gewinnen &#x017F;ich auszudeh¬<lb/>
nen und groß zu werden. &#x2014; Verzeih mirs heut, ein<lb/>
Spiegel i&#x017F;t vor meinen Augen, als hätte einer den<lb/>
Schleier vor ihm weggezogen, und &#x017F;o traurig i&#x017F;t mirs,<lb/>
lauter Gewölk &#x017F;eh ich im Spiegel, und klagende Winde<lb/>
&#x2014; als müßt ich ewig weinen weil ich an Dich denk &#x2014;<lb/>
ich war draus heut Abend am Main, da rau&#x017F;chte das<lb/>
Schilf &#x017F;o wunderlich &#x2014; und weil ich in der Ein&#x017F;amkeit<lb/>
immer mit Dir allein bin, da fragt ich Dich in meinem<lb/>
Gei&#x017F;t, &#x201E;was i&#x017F;t das? redet das Schilf mit <hi rendition="#g">Dir</hi>&#x201C;, hab<lb/>
ich gefragt. Denn ich will Dirs ge&#x017F;tehen, denn ich möchte<lb/>
nicht &#x017F;o angeredet &#x017F;ein, &#x017F;o klagvoll, &#x017F;o jammervoll, ich<lb/>
wollts von mir weg&#x017F;chieben! &#x2014; Ach Günderode &#x017F;o trau¬<lb/>
rig bin ich, war das nicht feige von mir das ich die<lb/>
Klagen der Natur abwenden wollt von mir, und &#x017F;chobs<lb/>
auf Dich &#x2014; als hätte &#x017F;ie mit Dir geredet wie &#x017F;ie &#x017F;o<lb/>
wehmuthsvoll auf&#x017F;chrie im Schilf. &#x2014; Ich will ja doch<lb/>
gern alles mit Dir theilen, es i&#x017F;t mir Genuß, großer<lb/>
Genuß Deine Schmerzen auf mich zu nehmen, ich bin<lb/>
&#x017F;tark, ich bin hart, ich &#x017F;pürs nicht &#x017F;o leicht, mir &#x017F;ind<lb/>
Thränen zu ertragen, und dann &#x017F;prießt die Hoffnung &#x017F;o<lb/>
leicht in mir auf, als könnt wieder alles werden und<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er noch als was die Seele verlangt. &#x2014; Verlaß Dich<lb/>
auf mich! &#x2014; wenns Dich ergreift &#x2014; als woll es Dich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[326/0342] da muß der Geiſt wohl Platz gewinnen ſich auszudeh¬ nen und groß zu werden. — Verzeih mirs heut, ein Spiegel iſt vor meinen Augen, als hätte einer den Schleier vor ihm weggezogen, und ſo traurig iſt mirs, lauter Gewölk ſeh ich im Spiegel, und klagende Winde — als müßt ich ewig weinen weil ich an Dich denk — ich war draus heut Abend am Main, da rauſchte das Schilf ſo wunderlich — und weil ich in der Einſamkeit immer mit Dir allein bin, da fragt ich Dich in meinem Geiſt, „was iſt das? redet das Schilf mit Dir“, hab ich gefragt. Denn ich will Dirs geſtehen, denn ich möchte nicht ſo angeredet ſein, ſo klagvoll, ſo jammervoll, ich wollts von mir wegſchieben! — Ach Günderode ſo trau¬ rig bin ich, war das nicht feige von mir das ich die Klagen der Natur abwenden wollt von mir, und ſchobs auf Dich — als hätte ſie mit Dir geredet wie ſie ſo wehmuthsvoll aufſchrie im Schilf. — Ich will ja doch gern alles mit Dir theilen, es iſt mir Genuß, großer Genuß Deine Schmerzen auf mich zu nehmen, ich bin ſtark, ich bin hart, ich ſpürs nicht ſo leicht, mir ſind Thränen zu ertragen, und dann ſprießt die Hoffnung ſo leicht in mir auf, als könnt wieder alles werden und beſſer noch als was die Seele verlangt. — Verlaß Dich auf mich! — wenns Dich ergreift — als woll es Dich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/342
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/342>, abgerufen am 22.11.2024.