ich mein Versprechen nicht halten würde und wie das ohne Lüge nicht abgehen könne, ich müsse ihm sagen der Kranz sei verloren oder zerrissen und das wär eine doppelte Unachtsamkeit und müsse ihn doppelt verletzen, nein ich mußt ihn ihm geben. Meine Seele war or¬ dentlich leicht als er hingeworfen war und er ihn mit der Hand auffing, er erröthete so freundlich, grad mit der Morgenröthe! -- die aufstieg. -- Dem Moritz den Gürtel, ihm den Kranz! ja beiden gehörts. -- Denn beide sind freundlich gesandt vom Dichter-Genius, der in der lautlosen Stille, wenns von Menschen nicht ge¬ wußt oder nicht bedacht, mir durchs Labyrinth der Brust schweifet in der Nacht. --
Zu Haus im Bett wie war mirs da? -- Letzt sah ich dem Franz sein Kindchen an der Amme trinken da mußte es so schnell schlucken, es konnt nicht eifrig genug trinken so strömte ihm die Milch zu. Grad so war mirs im Herzen, ich schluckte süße Milch, alle süße Erinnerung strömte, so wie meine Gedanken nur einen Augenblick wollten an ihr saugen, und wies Kindchen sich von einer Brust zur andern wen¬ det weil sie zu voll strömen bis es vor Ermüdung des Saugens einschläft, so wendete ich mich von einer Seite zur andern, und schlief auch endlich
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ich mein Verſprechen nicht halten würde und wie das ohne Lüge nicht abgehen könne, ich müſſe ihm ſagen der Kranz ſei verloren oder zerriſſen und das wär eine doppelte Unachtſamkeit und müſſe ihn doppelt verletzen, nein ich mußt ihn ihm geben. Meine Seele war or¬ dentlich leicht als er hingeworfen war und er ihn mit der Hand auffing, er erröthete ſo freundlich, grad mit der Morgenröthe! — die aufſtieg. — Dem Moritz den Gürtel, ihm den Kranz! ja beiden gehörts. — Denn beide ſind freundlich geſandt vom Dichter-Genius, der in der lautloſen Stille, wenns von Menſchen nicht ge¬ wußt oder nicht bedacht, mir durchs Labyrinth der Bruſt ſchweifet in der Nacht. —
Zu Haus im Bett wie war mirs da? — Letzt ſah ich dem Franz ſein Kindchen an der Amme trinken da mußte es ſo ſchnell ſchlucken, es konnt nicht eifrig genug trinken ſo ſtrömte ihm die Milch zu. Grad ſo war mirs im Herzen, ich ſchluckte ſüße Milch, alle ſüße Erinnerung ſtrömte, ſo wie meine Gedanken nur einen Augenblick wollten an ihr ſaugen, und wies Kindchen ſich von einer Bruſt zur andern wen¬ det weil ſie zu voll ſtrömen bis es vor Ermüdung des Saugens einſchläft, ſo wendete ich mich von einer Seite zur andern, und ſchlief auch endlich
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ich mein Verſprechen nicht halten würde und wie das
ohne Lüge nicht abgehen könne, ich müſſe ihm ſagen
der Kranz ſei verloren oder zerriſſen und das wär eine
doppelte Unachtſamkeit und müſſe ihn doppelt verletzen,
nein ich mußt ihn ihm geben. Meine Seele war or¬
dentlich leicht als er hingeworfen war und er ihn mit
der Hand auffing, er erröthete ſo freundlich, grad mit
der Morgenröthe! — die aufſtieg. — Dem Moritz den
Gürtel, ihm den Kranz! ja beiden gehörts. — Denn
beide ſind freundlich geſandt vom Dichter-Genius, der
in der lautloſen Stille, wenns von Menſchen nicht ge¬
wußt oder nicht bedacht, mir durchs Labyrinth der Bruſt
ſchweifet in der Nacht. —
Zu Haus im Bett wie war mirs da? — Letzt ſah
ich dem Franz ſein Kindchen an der Amme trinken
da mußte es ſo ſchnell ſchlucken, es konnt nicht
eifrig genug trinken ſo ſtrömte ihm die Milch zu.
Grad ſo war mirs im Herzen, ich ſchluckte ſüße Milch,
alle ſüße Erinnerung ſtrömte, ſo wie meine Gedanken
nur einen Augenblick wollten an ihr ſaugen, und
wies Kindchen ſich von einer Bruſt zur andern wen¬
det weil ſie zu voll ſtrömen bis es vor Ermüdung
des Saugens einſchläft, ſo wendete ich mich von
einer Seite zur andern, und ſchlief auch endlich
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/353>, abgerufen am 22.11.2024.
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