der Wunder Gottes, als sie in dem Bauch des Esels die schönen Tulibanen, Levkoyen, Narcissen, Hyazinthen, Schwertlilien, Kaiserkronen und vor allem die schönen Rosen herum floriren sahen. Als sie dessen sattsam sich erfreut hatten, so ließ der Herr Bürgermeister fortfahren in den angefangenen Rathschlägen, und den gläsernen Blumenesel einstweilen auf einem erhabenen Platz auf¬ stellen, wie nun der Rath vollendet war, welcher wegen wichtigen Angelegenheiten etwas lange gedauert hatte, und man den Esel in die Raritätskammer führen wollte, so hatte dieser unterdessen seine Nothdurft verrichtet, und es war keine einzige Blume in seinem Bauch ge¬ blieben, sondern war alles zu Mist geworden, und der Bauch des Esels sah nicht anders aus als eine schmutzige ranzige Ölflasche. Die Stadtmusikanten, welche auf Befehl des Rathes herbeigekommen waren, um diese schöne Naturseltenheit Gottes mit Trommeln und Pfei¬ fen durch die löbliche freie Reichsstadt zu geleiten, wur¬ den zum großen Leidwesen der Gassenbuben verabschie¬ det, die aus Rache den armen Esel mit Steinen war¬ fen, daß sein gläserner Bauch in tausend Stücken ging und er elendiglich sich auf dem Scherbelhaufen vom Dippenmarkt am Pfarreisen zum Verscheiden hinlegte, wo er unter dem Gespött und boshaften Zwicken seiner
der Wunder Gottes, als ſie in dem Bauch des Eſels die ſchönen Tulibanen, Levkoyen, Narciſſen, Hyazinthen, Schwertlilien, Kaiſerkronen und vor allem die ſchönen Roſen herum floriren ſahen. Als ſie deſſen ſattſam ſich erfreut hatten, ſo ließ der Herr Bürgermeiſter fortfahren in den angefangenen Rathſchlägen, und den gläſernen Blumeneſel einſtweilen auf einem erhabenen Platz auf¬ ſtellen, wie nun der Rath vollendet war, welcher wegen wichtigen Angelegenheiten etwas lange gedauert hatte, und man den Eſel in die Raritätskammer führen wollte, ſo hatte dieſer unterdeſſen ſeine Nothdurft verrichtet, und es war keine einzige Blume in ſeinem Bauch ge¬ blieben, ſondern war alles zu Miſt geworden, und der Bauch des Eſels ſah nicht anders aus als eine ſchmutzige ranzige Ölflaſche. Die Stadtmuſikanten, welche auf Befehl des Rathes herbeigekommen waren, um dieſe ſchöne Naturſeltenheit Gottes mit Trommeln und Pfei¬ fen durch die löbliche freie Reichsſtadt zu geleiten, wur¬ den zum großen Leidweſen der Gaſſenbuben verabſchie¬ det, die aus Rache den armen Eſel mit Steinen war¬ fen, daß ſein gläſerner Bauch in tauſend Stücken ging und er elendiglich ſich auf dem Scherbelhaufen vom Dippenmarkt am Pfarreiſen zum Verſcheiden hinlegte, wo er unter dem Geſpött und boshaften Zwicken ſeiner
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der Wunder Gottes, als ſie in dem Bauch des Eſels
die ſchönen Tulibanen, Levkoyen, Narciſſen, Hyazinthen,
Schwertlilien, Kaiſerkronen und vor allem die ſchönen
Roſen herum floriren ſahen. Als ſie deſſen ſattſam ſich
erfreut hatten, ſo ließ der Herr Bürgermeiſter fortfahren
in den angefangenen Rathſchlägen, und den gläſernen
Blumeneſel einſtweilen auf einem erhabenen Platz auf¬
ſtellen, wie nun der Rath vollendet war, welcher wegen
wichtigen Angelegenheiten etwas lange gedauert hatte,
und man den Eſel in die Raritätskammer führen wollte,
ſo hatte dieſer unterdeſſen ſeine Nothdurft verrichtet,
und es war keine einzige Blume in ſeinem Bauch ge¬
blieben, ſondern war alles zu Miſt geworden, und
der Bauch des Eſels ſah nicht anders aus als eine
ſchmutzige ranzige Ölflaſche. Die Stadtmuſikanten, welche
auf Befehl des Rathes herbeigekommen waren, um dieſe
ſchöne Naturſeltenheit Gottes mit Trommeln und Pfei¬
fen durch die löbliche freie Reichsſtadt zu geleiten, wur¬
den zum großen Leidweſen der Gaſſenbuben verabſchie¬
det, die aus Rache den armen Eſel mit Steinen war¬
fen, daß ſein gläſerner Bauch in tauſend Stücken ging
und er elendiglich ſich auf dem Scherbelhaufen vom
Dippenmarkt am Pfarreiſen zum Verſcheiden hinlegte,
wo er unter dem Geſpött und boshaften Zwicken ſeiner
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/52>, abgerufen am 22.11.2024.
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