Den ersten Tag als wir ankamen wars so heiß, daß es mehr wie unerträglich war; wir warfen unsere Nankin-Reise-Jacken aus, und legten uns in den Un¬ terkleidern, in Hemdsärmel, auf dem Gang vor unserer Zimmerthür ins Fenster, von da kann man versteckt hinter Bäumen, auf eine Terrasse sehen, wo sich die Ge¬ sellschaft zum Thee bei der Kurprinzessin von Hessen versammelt, die grade unter uns wohnt. Das machte mir Spaß, man konnte Manches verstehen, und ein Wort aus der Ferne, wenns auch an sich unbedeutend ist, ist immer anregend wie eine Comödie. Doch hat das Vergnügen dran nicht lang gedauert; ein krebsro¬ ther Kammerherr, der mir im Anfang Vergnügen machte zu sehen, wie er hin und wieder lief, und den Frauen allerlei in die Ohren zischelte, und dann ein Herzog von Gotha mit langen Beinen, rothem Haar und sehr melancholischen Gesichtszügen und ein großes weißes Windspiel zwischen den Knieen, der trägt einen le¬ berfarbnen Rock; dann viele Damen mit überflüssigem Putz, die Hauben auf hatten, als wärs die Flotte vom Nelson mit aufgeschwellten Segeln, und dann fran¬
An die Günderode.
Den erſten Tag als wir ankamen wars ſo heiß, daß es mehr wie unerträglich war; wir warfen unſere Nankin-Reiſe-Jacken aus, und legten uns in den Un¬ terkleidern, in Hemdsärmel, auf dem Gang vor unſerer Zimmerthür ins Fenſter, von da kann man verſteckt hinter Bäumen, auf eine Terraſſe ſehen, wo ſich die Ge¬ ſellſchaft zum Thee bei der Kurprinzeſſin von Heſſen verſammelt, die grade unter uns wohnt. Das machte mir Spaß, man konnte Manches verſtehen, und ein Wort aus der Ferne, wenns auch an ſich unbedeutend iſt, iſt immer anregend wie eine Comödie. Doch hat das Vergnügen dran nicht lang gedauert; ein krebsro¬ ther Kammerherr, der mir im Anfang Vergnügen machte zu ſehen, wie er hin und wieder lief, und den Frauen allerlei in die Ohren ziſchelte, und dann ein Herzog von Gotha mit langen Beinen, rothem Haar und ſehr melancholiſchen Geſichtszügen und ein großes weißes Windſpiel zwiſchen den Knieen, der trägt einen le¬ berfarbnen Rock; dann viele Damen mit überflüſſigem Putz, die Hauben auf hatten, als wärs die Flotte vom Nelſon mit aufgeſchwellten Segeln, und dann fran¬
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An die Günderode.
Den erſten Tag als wir ankamen wars ſo heiß,
daß es mehr wie unerträglich war; wir warfen unſere
Nankin-Reiſe-Jacken aus, und legten uns in den Un¬
terkleidern, in Hemdsärmel, auf dem Gang vor unſerer
Zimmerthür ins Fenſter, von da kann man verſteckt
hinter Bäumen, auf eine Terraſſe ſehen, wo ſich die Ge¬
ſellſchaft zum Thee bei der Kurprinzeſſin von Heſſen
verſammelt, die grade unter uns wohnt. Das machte
mir Spaß, man konnte Manches verſtehen, und ein
Wort aus der Ferne, wenns auch an ſich unbedeutend
iſt, iſt immer anregend wie eine Comödie. Doch hat
das Vergnügen dran nicht lang gedauert; ein krebsro¬
ther Kammerherr, der mir im Anfang Vergnügen machte
zu ſehen, wie er hin und wieder lief, und den Frauen
allerlei in die Ohren ziſchelte, und dann ein Herzog
von Gotha mit langen Beinen, rothem Haar und ſehr
melancholiſchen Geſichtszügen und ein großes weißes
Windſpiel zwiſchen den Knieen, der trägt einen le¬
berfarbnen Rock; dann viele Damen mit überflüſſigem
Putz, die Hauben auf hatten, als wärs die Flotte vom
Nelſon mit aufgeſchwellten Segeln, und dann fran¬
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/68>, abgerufen am 24.11.2024.
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