Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht Helden sein wollen neben diesem großen Überwin¬
der, der ein so weiches Herz hatte, daß er aus lieben¬
dem Herzen die Kinder zu sich berief, daß er den Jo¬
hannes an seiner Brust liegen hieß? Er war menschlich, wie
wir menschlich sind, was uns zu höheren Wesen bildet,
nemlich das Bedürfniß der Liebe, und zu selbstverläug¬
nenden Opfern befähigt, das war die Grundlage seiner
göttlichen Natur, er liebte und wollte geliebt sein, be¬
durfte der Liebe; weil nun die Liebe auf Erden nicht
zu Hause war, so fand er keinen Stein, da er sein
Haupt ruhen konnte, da verwandelte sich dieses reine
Bedürfniß der Liebe in das göttliche Feuer der Selbst¬
verläugnung, er brachte sich dar, ein Opfer für die ge¬
liebte Menschheit, sein Geist strahlte wieder himmel¬
wärts, von wo er in seine Seele eingeboren war, wie
die Opferflamme hinaufsteigt ein Gebet für den Ge¬
liebten, und dies Gebet ist erhört worden, denn wir
fühlen uns allzumal durch diese Liebe geläutert, und
wenn wir uns ihrer Betrachtung weihen, so werden
wir göttlich durch ihr Feuer, und dieses ist wie der
Odem Gottes, der alles ins Leben ruft, jeden Keim des
Frühling, so auch ruft nun die Liebe Jesu, die auf Er¬
den nicht begnügt und beglückt konnte werden, zu sich,
alle die mühselig und beladen sind, sie sind verschlossne

nicht Helden ſein wollen neben dieſem großen Überwin¬
der, der ein ſo weiches Herz hatte, daß er aus lieben¬
dem Herzen die Kinder zu ſich berief, daß er den Jo¬
hannes an ſeiner Bruſt liegen hieß? Er war menſchlich, wie
wir menſchlich ſind, was uns zu höheren Weſen bildet,
nemlich das Bedürfniß der Liebe, und zu ſelbſtverläug¬
nenden Opfern befähigt, das war die Grundlage ſeiner
göttlichen Natur, er liebte und wollte geliebt ſein, be¬
durfte der Liebe; weil nun die Liebe auf Erden nicht
zu Hauſe war, ſo fand er keinen Stein, da er ſein
Haupt ruhen konnte, da verwandelte ſich dieſes reine
Bedürfniß der Liebe in das göttliche Feuer der Selbſt¬
verläugnung, er brachte ſich dar, ein Opfer für die ge¬
liebte Menſchheit, ſein Geiſt ſtrahlte wieder himmel¬
wärts, von wo er in ſeine Seele eingeboren war, wie
die Opferflamme hinaufſteigt ein Gebet für den Ge¬
liebten, und dies Gebet iſt erhört worden, denn wir
fühlen uns allzumal durch dieſe Liebe geläutert, und
wenn wir uns ihrer Betrachtung weihen, ſo werden
wir göttlich durch ihr Feuer, und dieſes iſt wie der
Odem Gottes, der alles ins Leben ruft, jeden Keim des
Frühling, ſo auch ruft nun die Liebe Jeſu, die auf Er¬
den nicht begnügt und beglückt konnte werden, zu ſich,
alle die mühſelig und beladen ſind, ſie ſind verſchloſſne

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0075" n="59"/>
nicht Helden &#x017F;ein wollen neben die&#x017F;em großen Überwin¬<lb/>
der, der ein &#x017F;o weiches Herz hatte, daß er aus lieben¬<lb/>
dem Herzen die Kinder zu &#x017F;ich berief, daß er den Jo¬<lb/>
hannes an &#x017F;einer Bru&#x017F;t liegen hieß? Er war men&#x017F;chlich, wie<lb/>
wir men&#x017F;chlich &#x017F;ind, was uns zu höheren We&#x017F;en bildet,<lb/>
nemlich das Bedürfniß der Liebe, und zu &#x017F;elb&#x017F;tverläug¬<lb/>
nenden Opfern befähigt, das war die Grundlage &#x017F;einer<lb/>
göttlichen Natur, er liebte und wollte geliebt &#x017F;ein, be¬<lb/>
durfte der Liebe; weil nun die Liebe auf Erden nicht<lb/>
zu Hau&#x017F;e war, &#x017F;o fand er keinen Stein, da er &#x017F;ein<lb/>
Haupt ruhen konnte, da verwandelte &#x017F;ich die&#x017F;es reine<lb/>
Bedürfniß der Liebe in das göttliche Feuer der Selb&#x017F;<lb/>
verläugnung, er brachte &#x017F;ich dar, ein Opfer für die ge¬<lb/>
liebte Men&#x017F;chheit, &#x017F;ein Gei&#x017F;t &#x017F;trahlte wieder himmel¬<lb/>
wärts, von wo er in &#x017F;eine Seele eingeboren war, wie<lb/>
die Opferflamme hinauf&#x017F;teigt ein Gebet für den Ge¬<lb/>
liebten, und dies Gebet i&#x017F;t erhört worden, denn wir<lb/>
fühlen uns allzumal durch die&#x017F;e Liebe geläutert, und<lb/>
wenn wir uns ihrer Betrachtung weihen, &#x017F;o werden<lb/>
wir göttlich durch ihr Feuer, und die&#x017F;es i&#x017F;t wie der<lb/>
Odem Gottes, der alles ins Leben ruft, jeden Keim des<lb/>
Frühling, &#x017F;o auch ruft nun die Liebe Je&#x017F;u, die auf Er¬<lb/>
den nicht begnügt und beglückt konnte werden, zu &#x017F;ich,<lb/>
alle die müh&#x017F;elig und beladen &#x017F;ind, &#x017F;ie &#x017F;ind ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ne<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0075] nicht Helden ſein wollen neben dieſem großen Überwin¬ der, der ein ſo weiches Herz hatte, daß er aus lieben¬ dem Herzen die Kinder zu ſich berief, daß er den Jo¬ hannes an ſeiner Bruſt liegen hieß? Er war menſchlich, wie wir menſchlich ſind, was uns zu höheren Weſen bildet, nemlich das Bedürfniß der Liebe, und zu ſelbſtverläug¬ nenden Opfern befähigt, das war die Grundlage ſeiner göttlichen Natur, er liebte und wollte geliebt ſein, be¬ durfte der Liebe; weil nun die Liebe auf Erden nicht zu Hauſe war, ſo fand er keinen Stein, da er ſein Haupt ruhen konnte, da verwandelte ſich dieſes reine Bedürfniß der Liebe in das göttliche Feuer der Selbſt¬ verläugnung, er brachte ſich dar, ein Opfer für die ge¬ liebte Menſchheit, ſein Geiſt ſtrahlte wieder himmel¬ wärts, von wo er in ſeine Seele eingeboren war, wie die Opferflamme hinaufſteigt ein Gebet für den Ge¬ liebten, und dies Gebet iſt erhört worden, denn wir fühlen uns allzumal durch dieſe Liebe geläutert, und wenn wir uns ihrer Betrachtung weihen, ſo werden wir göttlich durch ihr Feuer, und dieſes iſt wie der Odem Gottes, der alles ins Leben ruft, jeden Keim des Frühling, ſo auch ruft nun die Liebe Jeſu, die auf Er¬ den nicht begnügt und beglückt konnte werden, zu ſich, alle die mühſelig und beladen ſind, ſie ſind verſchloſſne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/75
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/75>, abgerufen am 25.11.2024.