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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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tig, sie dampfen Nebel in den Mond. Alleweil will
das Licht den Abschied nehmen, ich will aber sehen, ob
ich nicht im Mondschein schreiben kann. -- Ich bin so
vergnügt, wie die Blätter wenn sie ganz beregnet sind
vom Gewitter in der Nacht und der Himmel wird wie¬
der hell, und sie schlafen dann ruhig ein, weils Gewit¬
ter vorbei ist. -- Da hör ich schon die ganze Zeit einen
fremdartigen Vogel schreien, sollte das ein Käuzchen
sein, das die Frau Hoch einen Todtenvogel nennt, er
schreit ganz dicht vor meinem Fenster; ach Günderöd¬
chen ich schäm mich ein wenig, weil ich mich ein we¬
nig fürchte. Meine Stube ist so düster, das Licht wird
gleich ausgehn, die Berge da üben sind so grausend,
man sieht sonderbare Gestalten, die kleine Quell unter
meinem Fenster ruschelt so leis und bedächtig wie ein
alt Hausgespenst. Was bin ich so dumm? -- Da
fällt mir der Dämon ein, und sollt mich fürchten vor
dem Käuzchen, siehst Du so albern bin ich, und doch
macht die inwendig Seel solchen Anspruch, der Geist
soll sie heimsuchen, und fürcht mich vor dem Käuz¬
chen! -- gleich mach ichs Fenster auf und seh nach ihm,
da fliegts weg, die Sterne funklen zu tausenden am
Himmel, da unter meinem Fenster steht meine alte In¬
validenschildwach und paßt vermuthlich auf ein Ständ¬

tig, ſie dampfen Nebel in den Mond. Alleweil will
das Licht den Abſchied nehmen, ich will aber ſehen, ob
ich nicht im Mondſchein ſchreiben kann. — Ich bin ſo
vergnügt, wie die Blätter wenn ſie ganz beregnet ſind
vom Gewitter in der Nacht und der Himmel wird wie¬
der hell, und ſie ſchlafen dann ruhig ein, weils Gewit¬
ter vorbei iſt. — Da hör ich ſchon die ganze Zeit einen
fremdartigen Vogel ſchreien, ſollte das ein Käuzchen
ſein, das die Frau Hoch einen Todtenvogel nennt, er
ſchreit ganz dicht vor meinem Fenſter; ach Günderöd¬
chen ich ſchäm mich ein wenig, weil ich mich ein we¬
nig fürchte. Meine Stube iſt ſo düſter, das Licht wird
gleich ausgehn, die Berge da üben ſind ſo grauſend,
man ſieht ſonderbare Geſtalten, die kleine Quell unter
meinem Fenſter ruſchelt ſo leiſ und bedächtig wie ein
alt Hausgeſpenſt. Was bin ich ſo dumm? — Da
fällt mir der Dämon ein, und ſollt mich fürchten vor
dem Käuzchen, ſiehſt Du ſo albern bin ich, und doch
macht die inwendig Seel ſolchen Anſpruch, der Geiſt
ſoll ſie heimſuchen, und fürcht mich vor dem Käuz¬
chen! — gleich mach ichs Fenſter auf und ſeh nach ihm,
da fliegts weg, die Sterne funklen zu tauſenden am
Himmel, da unter meinem Fenſter ſteht meine alte In¬
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[78/0094] tig, ſie dampfen Nebel in den Mond. Alleweil will das Licht den Abſchied nehmen, ich will aber ſehen, ob ich nicht im Mondſchein ſchreiben kann. — Ich bin ſo vergnügt, wie die Blätter wenn ſie ganz beregnet ſind vom Gewitter in der Nacht und der Himmel wird wie¬ der hell, und ſie ſchlafen dann ruhig ein, weils Gewit¬ ter vorbei iſt. — Da hör ich ſchon die ganze Zeit einen fremdartigen Vogel ſchreien, ſollte das ein Käuzchen ſein, das die Frau Hoch einen Todtenvogel nennt, er ſchreit ganz dicht vor meinem Fenſter; ach Günderöd¬ chen ich ſchäm mich ein wenig, weil ich mich ein we¬ nig fürchte. Meine Stube iſt ſo düſter, das Licht wird gleich ausgehn, die Berge da üben ſind ſo grauſend, man ſieht ſonderbare Geſtalten, die kleine Quell unter meinem Fenſter ruſchelt ſo leiſ und bedächtig wie ein alt Hausgeſpenſt. Was bin ich ſo dumm? — Da fällt mir der Dämon ein, und ſollt mich fürchten vor dem Käuzchen, ſiehſt Du ſo albern bin ich, und doch macht die inwendig Seel ſolchen Anſpruch, der Geiſt ſoll ſie heimſuchen, und fürcht mich vor dem Käuz¬ chen! — gleich mach ichs Fenſter auf und ſeh nach ihm, da fliegts weg, die Sterne funklen zu tauſenden am Himmel, da unter meinem Fenſter ſteht meine alte In¬ validenſchildwach und paßt vermuthlich auf ein Ständ¬

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/94>, abgerufen am 15.05.2024.