test die äußerlich so fest war, daß nichts Fremdes sie verletzen konnte, und beim geringsten Berühren des Schmetterlings sich aufthat ihn zu entlassen, und dann sich wieder schloß. Wenn die Natur sich so eigen dazu verwendet jede Störung ihrer Bildungen zu ver¬ hüten, sogar die leere Kammer, woraus sie ihr geflügel¬ tes Geschöpf entläßt, sorgsam wieder schließt, wie sehr muß da der Instinkt in dies lebende Wesen eingeprägt sein daß es sich keiner fremden Gewalt hingebe. -- Du verstehst die Natur ja mannigfach, so wirst Du mich auch hier begreifen, nicht besser, nicht mehr kommst Du mir vor als alles was in der Natur lebt, denn alles Leben hat gleiche Ansprüche ans Göttliche; aber sorge nur daß Du Dein eignes Naturleben nicht ver¬ letzest, und daß es sich ohne Störung entwickle.
Dein klein Gedicht was Du bei Gelegenheit der Langenweile gemacht, beweist mir daß wir beide Recht haben, für jeden Andern wollt ich es als Gedicht rech¬ nen, aber für Dich nicht, denn Du sprichst darin eine äußere Situation aus, nicht die innere, und ein Gedicht ist doch wohl nur dann lebendig wirkend wenn es das Innerste in lebendiger Gestalt hervortreten macht, je rei¬ ner je entschiedner dies innere Leben sich ausspricht je tiefer ist der Eindruck, die Gewalt des Gedichts. Auf
teſt die äußerlich ſo feſt war, daß nichts Fremdes ſie verletzen konnte, und beim geringſten Berühren des Schmetterlings ſich aufthat ihn zu entlaſſen, und dann ſich wieder ſchloß. Wenn die Natur ſich ſo eigen dazu verwendet jede Störung ihrer Bildungen zu ver¬ hüten, ſogar die leere Kammer, woraus ſie ihr geflügel¬ tes Geſchöpf entläßt, ſorgſam wieder ſchließt, wie ſehr muß da der Inſtinkt in dies lebende Weſen eingeprägt ſein daß es ſich keiner fremden Gewalt hingebe. — Du verſtehſt die Natur ja mannigfach, ſo wirſt Du mich auch hier begreifen, nicht beſſer, nicht mehr kommſt Du mir vor als alles was in der Natur lebt, denn alles Leben hat gleiche Anſprüche ans Göttliche; aber ſorge nur daß Du Dein eignes Naturleben nicht ver¬ letzeſt, und daß es ſich ohne Störung entwickle.
Dein klein Gedicht was Du bei Gelegenheit der Langenweile gemacht, beweiſt mir daß wir beide Recht haben, für jeden Andern wollt ich es als Gedicht rech¬ nen, aber für Dich nicht, denn Du ſprichſt darin eine äußere Situation aus, nicht die innere, und ein Gedicht iſt doch wohl nur dann lebendig wirkend wenn es das Innerſte in lebendiger Geſtalt hervortreten macht, je rei¬ ner je entſchiedner dies innere Leben ſich ausſpricht je tiefer iſt der Eindruck, die Gewalt des Gedichts. Auf
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0147"n="133"/>
teſt die äußerlich ſo feſt war, daß nichts Fremdes ſie<lb/>
verletzen konnte, und beim geringſten Berühren des<lb/>
Schmetterlings ſich aufthat ihn zu entlaſſen, und dann<lb/>ſich wieder ſchloß. Wenn die Natur ſich ſo eigen<lb/>
dazu verwendet jede Störung ihrer Bildungen zu ver¬<lb/>
hüten, ſogar die leere Kammer, woraus ſie ihr geflügel¬<lb/>
tes Geſchöpf entläßt, ſorgſam wieder ſchließt, wie ſehr<lb/>
muß da der Inſtinkt in dies lebende Weſen eingeprägt<lb/>ſein daß es ſich keiner fremden Gewalt hingebe. — Du<lb/>
verſtehſt die Natur ja mannigfach, ſo wirſt Du mich<lb/>
auch hier begreifen, nicht <hirendition="#g">beſſer</hi>, nicht <hirendition="#g">mehr</hi> kommſt<lb/>
Du mir vor als alles was in der Natur lebt, denn<lb/>
alles Leben hat gleiche Anſprüche ans Göttliche; aber<lb/>ſorge nur daß Du Dein eignes Naturleben nicht ver¬<lb/>
letzeſt, und daß es ſich ohne Störung entwickle.</p><lb/><p>Dein klein Gedicht was Du bei Gelegenheit der<lb/>
Langenweile gemacht, beweiſt mir daß wir beide Recht<lb/>
haben, für jeden Andern wollt ich es als Gedicht rech¬<lb/>
nen, aber für Dich nicht, denn Du ſprichſt darin eine<lb/>
äußere Situation aus, nicht die innere, und ein Gedicht<lb/>
iſt doch wohl nur dann lebendig wirkend wenn es das<lb/>
Innerſte in lebendiger Geſtalt hervortreten macht, je rei¬<lb/>
ner je entſchiedner dies innere Leben ſich ausſpricht je<lb/>
tiefer iſt der Eindruck, die Gewalt des Gedichts. Auf<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[133/0147]
teſt die äußerlich ſo feſt war, daß nichts Fremdes ſie
verletzen konnte, und beim geringſten Berühren des
Schmetterlings ſich aufthat ihn zu entlaſſen, und dann
ſich wieder ſchloß. Wenn die Natur ſich ſo eigen
dazu verwendet jede Störung ihrer Bildungen zu ver¬
hüten, ſogar die leere Kammer, woraus ſie ihr geflügel¬
tes Geſchöpf entläßt, ſorgſam wieder ſchließt, wie ſehr
muß da der Inſtinkt in dies lebende Weſen eingeprägt
ſein daß es ſich keiner fremden Gewalt hingebe. — Du
verſtehſt die Natur ja mannigfach, ſo wirſt Du mich
auch hier begreifen, nicht beſſer, nicht mehr kommſt
Du mir vor als alles was in der Natur lebt, denn
alles Leben hat gleiche Anſprüche ans Göttliche; aber
ſorge nur daß Du Dein eignes Naturleben nicht ver¬
letzeſt, und daß es ſich ohne Störung entwickle.
Dein klein Gedicht was Du bei Gelegenheit der
Langenweile gemacht, beweiſt mir daß wir beide Recht
haben, für jeden Andern wollt ich es als Gedicht rech¬
nen, aber für Dich nicht, denn Du ſprichſt darin eine
äußere Situation aus, nicht die innere, und ein Gedicht
iſt doch wohl nur dann lebendig wirkend wenn es das
Innerſte in lebendiger Geſtalt hervortreten macht, je rei¬
ner je entſchiedner dies innere Leben ſich ausſpricht je
tiefer iſt der Eindruck, die Gewalt des Gedichts. Auf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/147>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.