mag sie uns schützen wie die Zwiebel den Keim des Narzissus schützt, bis sie im Spiegel ihr eignes Ideal erkennt.
Am Mittwoch! --
Ich war gestern lustig, aber ein Brief der Claudine über Dich, den ich fand als ich vom Thurm kam hat mich bewegt Dir so ernst zu schreiben: wenns dunkel ist kann man sich allerlei weismachen, eben weil Gelegen¬ heit ist, so mannigfaltig mit Schatten zu spielen; glaubt man auch nicht an den verzognen Schatten, so duldet man doch nicht gern das groteske und doch so ähnliche Bild, und man kann am wenigsten leiden was man doch nicht glaubt; so nimm meinen Brief; ich hab nie Deine Reden über Leben und Sterben leiden mögen, obschon ich weiß daß es nur Schatten waren die an der Wand Deines Geistes spielten, gleichsam als wär das Licht Deines Geistes schief gerückt, und sei mir gut und laß michs nicht entgelten, wenn ich nicht damit in Deine Träume eingreife die vielleicht golden sind im verjüngten Morgenglanz, während ich trübe Regenwol¬ ken wollte verscheuchen, mit denen weit in den Abend hinein mir Dein Himmel überzogen schien, als mir die Claudine von Deinem Trübsinn schrieb. Es ist ja natür¬ lich daß wer Dich von Außen nur sieht, über Dein In¬
neres
mag ſie uns ſchützen wie die Zwiebel den Keim des Narziſſus ſchützt, bis ſie im Spiegel ihr eignes Ideal erkennt.
Am Mittwoch! —
Ich war geſtern luſtig, aber ein Brief der Claudine über Dich, den ich fand als ich vom Thurm kam hat mich bewegt Dir ſo ernſt zu ſchreiben: wenns dunkel iſt kann man ſich allerlei weismachen, eben weil Gelegen¬ heit iſt, ſo mannigfaltig mit Schatten zu ſpielen; glaubt man auch nicht an den verzognen Schatten, ſo duldet man doch nicht gern das groteske und doch ſo ähnliche Bild, und man kann am wenigſten leiden was man doch nicht glaubt; ſo nimm meinen Brief; ich hab nie Deine Reden über Leben und Sterben leiden mögen, obſchon ich weiß daß es nur Schatten waren die an der Wand Deines Geiſtes ſpielten, gleichſam als wär das Licht Deines Geiſtes ſchief gerückt, und ſei mir gut und laß michs nicht entgelten, wenn ich nicht damit in Deine Träume eingreife die vielleicht golden ſind im verjüngten Morgenglanz, während ich trübe Regenwol¬ ken wollte verſcheuchen, mit denen weit in den Abend hinein mir Dein Himmel überzogen ſchien, als mir die Claudine von Deinem Trübſinn ſchrieb. Es iſt ja natür¬ lich daß wer Dich von Außen nur ſieht, über Dein In¬
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mag ſie uns ſchützen wie die Zwiebel den Keim des
Narziſſus ſchützt, bis ſie im Spiegel ihr eignes Ideal
erkennt.
Am Mittwoch! —
Ich war geſtern luſtig, aber ein Brief der Claudine
über Dich, den ich fand als ich vom Thurm kam hat
mich bewegt Dir ſo ernſt zu ſchreiben: wenns dunkel iſt
kann man ſich allerlei weismachen, eben weil Gelegen¬
heit iſt, ſo mannigfaltig mit Schatten zu ſpielen; glaubt
man auch nicht an den verzognen Schatten, ſo duldet
man doch nicht gern das groteske und doch ſo ähnliche
Bild, und man kann am wenigſten leiden was man
doch nicht glaubt; ſo nimm meinen Brief; ich hab nie
Deine Reden über Leben und Sterben leiden mögen,
obſchon ich weiß daß es nur Schatten waren die an
der Wand Deines Geiſtes ſpielten, gleichſam als wär
das Licht Deines Geiſtes ſchief gerückt, und ſei mir gut
und laß michs nicht entgelten, wenn ich nicht damit in
Deine Träume eingreife die vielleicht golden ſind im
verjüngten Morgenglanz, während ich trübe Regenwol¬
ken wollte verſcheuchen, mit denen weit in den Abend
hinein mir Dein Himmel überzogen ſchien, als mir die
Claudine von Deinem Trübſinn ſchrieb. Es iſt ja natür¬
lich daß wer Dich von Außen nur ſieht, über Dein In¬
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/158>, abgerufen am 24.11.2024.
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