schaften? reißt ein Gedicht nicht das andre mit Flam¬ mengluth an sich, sind Dichtungen nicht bloße Be¬ geistrung, heiße Leidenschaft für einander? -- Spricht ein Gedicht Liebe aus, dann muß es ja in sich liebend sein, -- es entzündet ja! -- Ich muß ja jeden Gefühls¬ schritt, jeden Athemzug mitleben, ich lieb ja so heiß wie die Gedichterzeugende Begeistrung der Liebe.
Es wär Frevel wollt ich dichten weil ich den Wein trinke und im Rausch den Gott empfinde. Weil der Vergötterungstrieb des Geistes mich durchschauert. Ich kanns nicht erzeugen, das Göttliche, so sag ich Dir, und doch -- es ist mir gewiß daß ich es inbrünstig liebe und es auch im einfachsten Keim erkenne, aber ich selbst werd nicht Lieb erzeugen so wenig als ein Ge¬ dicht, ich fühls, und es liegt auch ein geheimer Wi¬ derspruch in mir daß ich nicht gestört sein will in der inneren Werkstätte meines Geistes, durch Gegenliebe.
Es begegnet mir aber nichts oder wenig in der Menschenwelt was einfach genug ist, was ganz reiner Lebenstrieb ist, -- was mich rührt, wie der Grashalm, -- die frischen Spitzen der Saat, ein Vogelnest mit Treue gebaut, das Blau des Himmels! -- das alles ergreift mich als obs menschlich wär; und inniger wie das Menschliche, und die Entzückungen die es mir er¬
ſchaften? reißt ein Gedicht nicht das andre mit Flam¬ mengluth an ſich, ſind Dichtungen nicht bloße Be¬ geiſtrung, heiße Leidenſchaft für einander? — Spricht ein Gedicht Liebe aus, dann muß es ja in ſich liebend ſein, — es entzündet ja! — Ich muß ja jeden Gefühls¬ ſchritt, jeden Athemzug mitleben, ich lieb ja ſo heiß wie die Gedichterzeugende Begeiſtrung der Liebe.
Es wär Frevel wollt ich dichten weil ich den Wein trinke und im Rauſch den Gott empfinde. Weil der Vergötterungstrieb des Geiſtes mich durchſchauert. Ich kanns nicht erzeugen, das Göttliche, ſo ſag ich Dir, und doch — es iſt mir gewiß daß ich es inbrünſtig liebe und es auch im einfachſten Keim erkenne, aber ich ſelbſt werd nicht Lieb erzeugen ſo wenig als ein Ge¬ dicht, ich fühls, und es liegt auch ein geheimer Wi¬ derſpruch in mir daß ich nicht geſtört ſein will in der inneren Werkſtätte meines Geiſtes, durch Gegenliebe.
Es begegnet mir aber nichts oder wenig in der Menſchenwelt was einfach genug iſt, was ganz reiner Lebenstrieb iſt, — was mich rührt, wie der Grashalm, — die friſchen Spitzen der Saat, ein Vogelneſt mit Treue gebaut, das Blau des Himmels! — das alles ergreift mich als obs menſchlich wär; und inniger wie das Menſchliche, und die Entzückungen die es mir er¬
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ſchaften? reißt ein Gedicht nicht das andre mit Flam¬
mengluth an ſich, ſind Dichtungen nicht bloße Be¬
geiſtrung, heiße Leidenſchaft für einander? — Spricht
ein Gedicht Liebe aus, dann muß es ja in ſich liebend
ſein, — es entzündet ja! — Ich muß ja jeden Gefühls¬
ſchritt, jeden Athemzug mitleben, ich lieb ja ſo heiß wie
die Gedichterzeugende Begeiſtrung der Liebe.
Es wär Frevel wollt ich dichten weil ich den Wein
trinke und im Rauſch den Gott empfinde. Weil der
Vergötterungstrieb des Geiſtes mich durchſchauert. Ich
kanns nicht erzeugen, das Göttliche, ſo ſag ich Dir, und
doch — es iſt mir gewiß daß ich es inbrünſtig liebe
und es auch im einfachſten Keim erkenne, aber ich
ſelbſt werd nicht Lieb erzeugen ſo wenig als ein Ge¬
dicht, ich fühls, und es liegt auch ein geheimer Wi¬
derſpruch in mir daß ich nicht geſtört ſein will in der
inneren Werkſtätte meines Geiſtes, durch Gegenliebe.
Es begegnet mir aber nichts oder wenig in der
Menſchenwelt was einfach genug iſt, was ganz reiner
Lebenstrieb iſt, — was mich rührt, wie der Grashalm,
— die friſchen Spitzen der Saat, ein Vogelneſt mit
Treue gebaut, das Blau des Himmels! — das alles
ergreift mich als obs menſchlich wär; und inniger wie
das Menſchliche, und die Entzückungen die es mir er¬
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/190>, abgerufen am 21.11.2024.
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