belebenden Liebe vollschwellende Thränen. -- Dies Gedicht, ist mirs doch als sei ich es! so reifend un¬ ter den Berührungen der Natur, und unter den Thrä¬ nen des Dichters. Und wie oft hab ich in der Singe¬ zeit dies Lied gesungen und mich ganz drinn gefühlt, die wachsende Beere die der Thau dir Liebesthräne nährt, der nicht ihr geflossen ist.
Montag.
Gestern waren wir in der Elisabetherkirch, der Reif um dem Thurmknopf war von der Sonn zum Dia¬ mant umgeschmolzen, in allen kleinen Rosetten hingen Diamanttropfen; und der Kreis von Rosen, der um die Pforten in Stein sehr fein gemeiselt ist, war ein Dia¬ mantkranz! Die Kirch sah aus wie im Brautschmuck. Auf dem Kirchhof spielten die Wipfel im spiegelnden Geschmeide. Die Kirch, von der Wintersonne außen so herrlich geschmückt, war so still innen, so einsam hell¬ dunkel, und der Teppig von den heiligen Händen der Elisabeth gewebt lag vor dem Altar, erblaßt von Far¬ ben ohne Prunk, nicht dem Aug erfreulich, nur der Seele rührend; und da sah ich mich um daß nur ein blinder Mann an der Thür saß, sonst war die Kirch
belebenden Liebe vollſchwellende Thränen. — Dies Gedicht, iſt mirs doch als ſei ich es! ſo reifend un¬ ter den Berührungen der Natur, und unter den Thrä¬ nen des Dichters. Und wie oft hab ich in der Singe¬ zeit dies Lied geſungen und mich ganz drinn gefühlt, die wachſende Beere die der Thau dir Liebesthräne nährt, der nicht ihr gefloſſen iſt.
Montag.
Geſtern waren wir in der Eliſabetherkirch, der Reif um dem Thurmknopf war von der Sonn zum Dia¬ mant umgeſchmolzen, in allen kleinen Roſetten hingen Diamanttropfen; und der Kreis von Roſen, der um die Pforten in Stein ſehr fein gemeiſelt iſt, war ein Dia¬ mantkranz! Die Kirch ſah aus wie im Brautſchmuck. Auf dem Kirchhof ſpielten die Wipfel im ſpiegelnden Geſchmeide. Die Kirch, von der Winterſonne außen ſo herrlich geſchmückt, war ſo ſtill innen, ſo einſam hell¬ dunkel, und der Teppig von den heiligen Händen der Eliſabeth gewebt lag vor dem Altar, erblaßt von Far¬ ben ohne Prunk, nicht dem Aug erfreulich, nur der Seele rührend; und da ſah ich mich um daß nur ein blinder Mann an der Thür ſaß, ſonſt war die Kirch
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belebenden Liebe vollſchwellende Thränen. —
Dies Gedicht, iſt mirs doch als ſei ich es! ſo reifend un¬
ter den Berührungen der Natur, und unter den Thrä¬
nen des Dichters. Und wie oft hab ich in der Singe¬
zeit dies Lied geſungen und mich ganz drinn gefühlt,
die wachſende Beere die der Thau dir Liebesthräne
nährt, der nicht ihr gefloſſen iſt.
Montag.
Geſtern waren wir in der Eliſabetherkirch, der
Reif um dem Thurmknopf war von der Sonn zum Dia¬
mant umgeſchmolzen, in allen kleinen Roſetten hingen
Diamanttropfen; und der Kreis von Roſen, der um die
Pforten in Stein ſehr fein gemeiſelt iſt, war ein Dia¬
mantkranz! Die Kirch ſah aus wie im Brautſchmuck.
Auf dem Kirchhof ſpielten die Wipfel im ſpiegelnden
Geſchmeide. Die Kirch, von der Winterſonne außen
ſo herrlich geſchmückt, war ſo ſtill innen, ſo einſam hell¬
dunkel, und der Teppig von den heiligen Händen der
Eliſabeth gewebt lag vor dem Altar, erblaßt von Far¬
ben ohne Prunk, nicht dem Aug erfreulich, nur der
Seele rührend; und da ſah ich mich um daß nur ein
blinder Mann an der Thür ſaß, ſonſt war die Kirch
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/192>, abgerufen am 21.11.2024.
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