in großen Gestalten heilig kühner Gedanken. Und so sind viele Bewegungen im Geist gar verschieden, als könne die Poesie die Seelen rühren wie Saiten die er¬ brausen im Feuer, -- und wieder still und schüchtern aufblühen, wie Keime die sich umsehen im Lebenslicht, neu geboren, nicht begreifend dies Leben aber zum Leben vereint. Wenn ich Dir dies sagen könnt was mich ohnmächtig macht, daß ich schüchtern werd und mich wehre gegen den Eindruck, als müsse ich ihm mein Ohr versagen, und ihm doch heimlich lausche weils mich hin¬ reißt, und weiß nicht obs der Klang ist, oder der Inhalt, und wie beide wechselnd mich bewältigen und wie ich -- ja ich will dirs sagen: -- Ein göttlich persönlicher Geist dringt auf mich ein den ich lieben will, lieben muß im Gedicht daß ich herzzerrissen bin von großer Wehmuth. -- Nein mehr! -- Tiefer gehts: -- daß ich ausbrechen muß in ein schmerzlich Ach. -- Und wenn ichs nicht fühlte, dies Geistige, Persönliche in der Dichtung -- über mir schwebend, wie beglückt über seinen Triumph, ich glaub ich müßte wie wahnsinnig ihm nachirren -- auf¬ suchen und nicht finden -- und wiederkommen und mich besinnen und vergehen dran; und das ist der Goethe, der so wie Blitze in mich schleudert und wieder heilend mich anblickt als thuen ihm meine Schmerzen leid, und
in großen Geſtalten heilig kühner Gedanken. Und ſo ſind viele Bewegungen im Geiſt gar verſchieden, als könne die Poeſie die Seelen rühren wie Saiten die er¬ brauſen im Feuer, — und wieder ſtill und ſchüchtern aufblühen, wie Keime die ſich umſehen im Lebenslicht, neu geboren, nicht begreifend dies Leben aber zum Leben vereint. Wenn ich Dir dies ſagen könnt was mich ohnmächtig macht, daß ich ſchüchtern werd und mich wehre gegen den Eindruck, als müſſe ich ihm mein Ohr verſagen, und ihm doch heimlich lauſche weils mich hin¬ reißt, und weiß nicht obs der Klang iſt, oder der Inhalt, und wie beide wechſelnd mich bewältigen und wie ich — ja ich will dirs ſagen: — Ein göttlich perſönlicher Geiſt dringt auf mich ein den ich lieben will, lieben muß im Gedicht daß ich herzzerriſſen bin von großer Wehmuth. — Nein mehr! — Tiefer gehts: — daß ich ausbrechen muß in ein ſchmerzlich Ach. — Und wenn ichs nicht fühlte, dies Geiſtige, Perſönliche in der Dichtung — über mir ſchwebend, wie beglückt über ſeinen Triumph, ich glaub ich müßte wie wahnſinnig ihm nachirren — auf¬ ſuchen und nicht finden — und wiederkommen und mich beſinnen und vergehen dran; und das iſt der Goethe, der ſo wie Blitze in mich ſchleudert und wieder heilend mich anblickt als thuen ihm meine Schmerzen leid, und
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ſind viele Bewegungen im Geiſt gar verſchieden, als
könne die Poeſie die Seelen rühren wie Saiten die er¬
brauſen im Feuer, — und wieder ſtill und ſchüchtern
aufblühen, wie Keime die ſich umſehen im Lebenslicht,
neu geboren, nicht begreifend dies Leben aber zum Leben
vereint. Wenn ich Dir dies ſagen könnt was mich
ohnmächtig macht, daß ich ſchüchtern werd und mich
wehre gegen den Eindruck, als müſſe ich ihm mein Ohr
verſagen, und ihm doch heimlich lauſche weils mich hin¬
reißt, und weiß nicht obs der Klang iſt, oder der Inhalt,
und wie beide wechſelnd mich bewältigen und wie ich —
ja ich will dirs ſagen: — Ein göttlich perſönlicher Geiſt
dringt auf mich ein den ich lieben will, lieben muß im
Gedicht daß ich herzzerriſſen bin von großer Wehmuth.
— Nein mehr! — Tiefer gehts: — daß ich ausbrechen
muß in ein ſchmerzlich Ach. — Und wenn ichs nicht
fühlte, dies Geiſtige, Perſönliche in der Dichtung — über
mir ſchwebend, wie beglückt über ſeinen Triumph, ich
glaub ich müßte wie wahnſinnig ihm nachirren — auf¬
ſuchen und nicht finden — und wiederkommen und mich
beſinnen und vergehen dran; und das iſt der Goethe,
der ſo wie Blitze in mich ſchleudert und wieder heilend
mich anblickt als thuen ihm meine Schmerzen leid, und
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/194>, abgerufen am 21.11.2024.
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