Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Brief nicht mit Vorurtheilen und denk daß es neckende
Stimmen sind in ihm von Kobolden, die ihm oft selber ei¬
nen Streich spielen, aber die Seele -- die Eine Gütige, die
sie umschwärmen, die ist doch nur ein Kind wie Du, und
was ein freier himmelanstrebender Geist nicht in noch
höherem Sinn nimmt als er selber ist, das ist für
ihn kleinlich, und was kleinlich ist das muß man
gar nicht annehmen, sonst lernt man die Wahrheit
nicht begreifen. -- Und ich denk: von allen Geschich¬
ten des Herzens und der Seele Berührungen, geben
wir den Leitfaden der Gottheit in die Hand, die leitet
immer zum richtigen unmittelbaren Verstehen. -- Und
wenn Du mißverstanden wirst, so sieh doch nur den
Gott selber an in der Liebe, gegen den kannst Du alles
wagen, denn der muß Dich verstehen. --

Ich geb Dir Lehren Günderode, die Dir nicht
fremd sind, besinn Dich, auf dem Rhein wie wir
unsren Briefwechsel besprachen, da sagtest Du es sei
eine Seele die uns mit Liebe an sich ziehe, in jedem
Verhältniß, es müsse eine Zeitigung erlangen in uns
sonst sei es Untreue, Mord, Ersticken eines göttlichen
Keims. -- Und wo eine Anziehungskraft sei, da sei
auch eine Strebekraft und wir sollten ihre Empfin¬
dung festhalten, dadurch allein könne die Seele wach¬

Brief nicht mit Vorurtheilen und denk daß es neckende
Stimmen ſind in ihm von Kobolden, die ihm oft ſelber ei¬
nen Streich ſpielen, aber die Seele — die Eine Gütige, die
ſie umſchwärmen, die iſt doch nur ein Kind wie Du, und
was ein freier himmelanſtrebender Geiſt nicht in noch
höherem Sinn nimmt als er ſelber iſt, das iſt für
ihn kleinlich, und was kleinlich iſt das muß man
gar nicht annehmen, ſonſt lernt man die Wahrheit
nicht begreifen. — Und ich denk: von allen Geſchich¬
ten des Herzens und der Seele Berührungen, geben
wir den Leitfaden der Gottheit in die Hand, die leitet
immer zum richtigen unmittelbaren Verſtehen. — Und
wenn Du mißverſtanden wirſt, ſo ſieh doch nur den
Gott ſelber an in der Liebe, gegen den kannſt Du alles
wagen, denn der muß Dich verſtehen. —

Ich geb Dir Lehren Günderode, die Dir nicht
fremd ſind, beſinn Dich, auf dem Rhein wie wir
unſren Briefwechſel beſprachen, da ſagteſt Du es ſei
eine Seele die uns mit Liebe an ſich ziehe, in jedem
Verhältniß, es müſſe eine Zeitigung erlangen in uns
ſonſt ſei es Untreue, Mord, Erſticken eines göttlichen
Keims. — Und wo eine Anziehungskraft ſei, da ſei
auch eine Strebekraft und wir ſollten ihre Empfin¬
dung feſthalten, dadurch allein könne die Seele wach¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0205" n="191"/>
Brief nicht mit Vorurtheilen und denk daß es neckende<lb/>
Stimmen &#x017F;ind in ihm von Kobolden, die ihm oft &#x017F;elber ei¬<lb/>
nen Streich &#x017F;pielen, aber die Seele &#x2014; die Eine Gütige, die<lb/>
&#x017F;ie um&#x017F;chwärmen, die i&#x017F;t doch nur ein Kind wie Du, und<lb/>
was ein freier himmelan&#x017F;trebender Gei&#x017F;t nicht in noch<lb/>
höherem Sinn nimmt als er &#x017F;elber i&#x017F;t, das i&#x017F;t für<lb/>
ihn kleinlich, und was kleinlich i&#x017F;t das muß man<lb/>
gar nicht annehmen, &#x017F;on&#x017F;t lernt man die Wahrheit<lb/>
nicht begreifen. &#x2014; Und ich denk: von allen Ge&#x017F;chich¬<lb/>
ten des Herzens und der Seele Berührungen, geben<lb/>
wir den Leitfaden der Gottheit in die Hand, die leitet<lb/>
immer zum richtigen unmittelbaren Ver&#x017F;tehen. &#x2014; Und<lb/>
wenn Du mißver&#x017F;tanden wir&#x017F;t, &#x017F;o &#x017F;ieh doch nur den<lb/>
Gott &#x017F;elber an in der Liebe, gegen den kann&#x017F;t Du alles<lb/>
wagen, denn der muß Dich ver&#x017F;tehen. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ich geb Dir Lehren Günderode, die Dir nicht<lb/>
fremd &#x017F;ind, be&#x017F;inn Dich, auf dem Rhein wie wir<lb/>
un&#x017F;ren Briefwech&#x017F;el be&#x017F;prachen, da &#x017F;agte&#x017F;t Du es &#x017F;ei<lb/>
eine Seele die uns mit Liebe an &#x017F;ich ziehe, in jedem<lb/>
Verhältniß, es mü&#x017F;&#x017F;e eine Zeitigung erlangen in uns<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ei es Untreue, Mord, Er&#x017F;ticken eines göttlichen<lb/>
Keims. &#x2014; Und wo eine Anziehungskraft &#x017F;ei, da &#x017F;ei<lb/>
auch eine Strebekraft und wir &#x017F;ollten ihre Empfin¬<lb/>
dung fe&#x017F;thalten, dadurch allein könne die Seele wach¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0205] Brief nicht mit Vorurtheilen und denk daß es neckende Stimmen ſind in ihm von Kobolden, die ihm oft ſelber ei¬ nen Streich ſpielen, aber die Seele — die Eine Gütige, die ſie umſchwärmen, die iſt doch nur ein Kind wie Du, und was ein freier himmelanſtrebender Geiſt nicht in noch höherem Sinn nimmt als er ſelber iſt, das iſt für ihn kleinlich, und was kleinlich iſt das muß man gar nicht annehmen, ſonſt lernt man die Wahrheit nicht begreifen. — Und ich denk: von allen Geſchich¬ ten des Herzens und der Seele Berührungen, geben wir den Leitfaden der Gottheit in die Hand, die leitet immer zum richtigen unmittelbaren Verſtehen. — Und wenn Du mißverſtanden wirſt, ſo ſieh doch nur den Gott ſelber an in der Liebe, gegen den kannſt Du alles wagen, denn der muß Dich verſtehen. — Ich geb Dir Lehren Günderode, die Dir nicht fremd ſind, beſinn Dich, auf dem Rhein wie wir unſren Briefwechſel beſprachen, da ſagteſt Du es ſei eine Seele die uns mit Liebe an ſich ziehe, in jedem Verhältniß, es müſſe eine Zeitigung erlangen in uns ſonſt ſei es Untreue, Mord, Erſticken eines göttlichen Keims. — Und wo eine Anziehungskraft ſei, da ſei auch eine Strebekraft und wir ſollten ihre Empfin¬ dung feſthalten, dadurch allein könne die Seele wach¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/205
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/205>, abgerufen am 21.11.2024.