doch noch nicht der Anfang ist vom Leben sondern nur der Grund, die Veranlassung dazu. --
Wenn der deutsche Kaiser gekrönt ist, vom Dom bis zum Römer über eine Bahn von Scharlachtuch geht, so fällt das Volk dicht hinter ihm über das Tuch her und schneidet es unter seinen Tritten ab, zerreißts in Fetzen und theilt es unter sich, so daß wenn er auf dem Römer ankommt so ist nichts mehr von der Scharlachbahn zu sehen. So scheint mir auch aller Lebenseingang, wie die rothe Kai¬ serbahn, gleich nach jedem Schritt aufgehoben und Nichts sein, bis das Leben Dich wie den Kaiser, in so große Verpflichtung nimmt daß kein Augenblick mehr Dein gehöre, sondern Du ganz im Leben aufgehest, da kannst Du erst Deines Lebens Anfang rechnen, dann aber hebt sich das Sterbenwollen von selbst auf. Alles Leben was sich mit Dir berührt hängt von Dir ab, aber Du bist kein abgesondertes Leben mehr, -- und wirkliches Leben ist ein Ausströmen in alles, das läßt sich nicht aufheben, -- wies mich verwundert hat, wie Du sagtest, viel lernen und dann sterben, jung ster¬ ben! -- es kam mir in den Sinn; als hätt ich wohl meine Zeit sehr vernachlässigt, daß ich nun schon so alt sei und noch gar nichts gelernt, so würd ich wohl das Jungsterben bleiben lassen müssen, oder lieber gar
doch noch nicht der Anfang iſt vom Leben ſondern nur der Grund, die Veranlaſſung dazu. —
Wenn der deutſche Kaiſer gekrönt iſt, vom Dom bis zum Römer über eine Bahn von Scharlachtuch geht, ſo fällt das Volk dicht hinter ihm über das Tuch her und ſchneidet es unter ſeinen Tritten ab, zerreißts in Fetzen und theilt es unter ſich, ſo daß wenn er auf dem Römer ankommt ſo iſt nichts mehr von der Scharlachbahn zu ſehen. So ſcheint mir auch aller Lebenseingang, wie die rothe Kai¬ ſerbahn, gleich nach jedem Schritt aufgehoben und Nichts ſein, bis das Leben Dich wie den Kaiſer, in ſo große Verpflichtung nimmt daß kein Augenblick mehr Dein gehöre, ſondern Du ganz im Leben aufgeheſt, da kannſt Du erſt Deines Lebens Anfang rechnen, dann aber hebt ſich das Sterbenwollen von ſelbſt auf. Alles Leben was ſich mit Dir berührt hängt von Dir ab, aber Du biſt kein abgeſondertes Leben mehr, — und wirkliches Leben iſt ein Ausſtrömen in alles, das läßt ſich nicht aufheben, — wies mich verwundert hat, wie Du ſagteſt, viel lernen und dann ſterben, jung ſter¬ ben! — es kam mir in den Sinn; als hätt ich wohl meine Zeit ſehr vernachläſſigt, daß ich nun ſchon ſo alt ſei und noch gar nichts gelernt, ſo würd ich wohl das Jungſterben bleiben laſſen müſſen, oder lieber gar
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doch noch nicht der Anfang iſt vom Leben ſondern nur
der Grund, die Veranlaſſung dazu. —
Wenn der deutſche Kaiſer gekrönt iſt, vom Dom bis zum
Römer über eine Bahn von Scharlachtuch geht, ſo fällt
das Volk dicht hinter ihm über das Tuch her und ſchneidet
es unter ſeinen Tritten ab, zerreißts in Fetzen und theilt
es unter ſich, ſo daß wenn er auf dem Römer ankommt
ſo iſt nichts mehr von der Scharlachbahn zu ſehen. So
ſcheint mir auch aller Lebenseingang, wie die rothe Kai¬
ſerbahn, gleich nach jedem Schritt aufgehoben und
Nichts ſein, bis das Leben Dich wie den Kaiſer, in ſo
große Verpflichtung nimmt daß kein Augenblick mehr
Dein gehöre, ſondern Du ganz im Leben aufgeheſt, da
kannſt Du erſt Deines Lebens Anfang rechnen, dann
aber hebt ſich das Sterbenwollen von ſelbſt auf.
Alles Leben was ſich mit Dir berührt hängt von
Dir ab, aber Du biſt kein abgeſondertes Leben mehr,
— und wirkliches Leben iſt ein Ausſtrömen in alles, das
läßt ſich nicht aufheben, — wies mich verwundert hat,
wie Du ſagteſt, viel lernen und dann ſterben, jung ſter¬
ben! — es kam mir in den Sinn; als hätt ich wohl
meine Zeit ſehr vernachläſſigt, daß ich nun ſchon ſo
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/242>, abgerufen am 21.11.2024.
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