Treppe über den breiten Vorplatz bis zu meiner Thür, diese grünen Tannen so dicht an meiner Thür, beglücken mich -- und die Welt ist noch so groß! ach es steigt mir die Lust im Herzen auf daß ich reisen möcht -- mit Dir -- wär das denn nicht möglich? -- bin ich denn so ganz gefangen, kann ich mir hierin nicht willfah¬ ren? -- Und willst Du auch nicht das Unglück meiden, jener die sterben ohne den Jupiter Olymp gesehen zu haben? -- ich fühl daß mir alle Sehnsucht gestillt könnte werden, hoch auf dem höchsten Berg die Lande, die Weite zu überschauen, ich würde mich wahrlich er¬ haben und mächtig fühlen, denn wessen das Aug sich bemeistert, dessen fühlt der Großherzige sich Herr. Ach Günderode, ich weiß nicht ob Du's auch schon gefühlt hast, aber mir ist jetzt vor allem der Sinn des Augs gereizt, sehen möcht ich, nur sehen. -- Wie groß und herr¬ lich die Kraft mit dem Aug alles zu beherrschen, alles in sich zu haben, zu erzeugen was herrlich ist, -- wie würden da die Geister uns umflügeln aus einsamer Stelle? -- und dann kennen wir uns, wir würden in einander so einheimisch sein, es bedürfte keiner Mitthei¬ lung, die Gedanken flögen aus und ein, in' einen wie in' andern, was Du siehst das ist in Dir, denn ich auch, ich hab mich nicht vor Dir verschlossen; -- ja Du bist
Treppe über den breiten Vorplatz bis zu meiner Thür, dieſe grünen Tannen ſo dicht an meiner Thür, beglücken mich — und die Welt iſt noch ſo groß! ach es ſteigt mir die Luſt im Herzen auf daß ich reiſen möcht — mit Dir — wär das denn nicht möglich? — bin ich denn ſo ganz gefangen, kann ich mir hierin nicht willfah¬ ren? — Und willſt Du auch nicht das Unglück meiden, jener die ſterben ohne den Jupiter Olymp geſehen zu haben? — ich fühl daß mir alle Sehnſucht geſtillt könnte werden, hoch auf dem höchſten Berg die Lande, die Weite zu überſchauen, ich würde mich wahrlich er¬ haben und mächtig fühlen, denn weſſen das Aug ſich bemeiſtert, deſſen fühlt der Großherzige ſich Herr. Ach Günderode, ich weiß nicht ob Du's auch ſchon gefühlt haſt, aber mir iſt jetzt vor allem der Sinn des Augs gereizt, ſehen möcht ich, nur ſehen. — Wie groß und herr¬ lich die Kraft mit dem Aug alles zu beherrſchen, alles in ſich zu haben, zu erzeugen was herrlich iſt, — wie würden da die Geiſter uns umflügeln aus einſamer Stelle? — und dann kennen wir uns, wir würden in einander ſo einheimiſch ſein, es bedürfte keiner Mitthei¬ lung, die Gedanken flögen aus und ein, in' einen wie in' andern, was Du ſiehſt das iſt in Dir, denn ich auch, ich hab mich nicht vor Dir verſchloſſen; — ja Du biſt
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Treppe über den breiten Vorplatz bis zu meiner Thür,
dieſe grünen Tannen ſo dicht an meiner Thür, beglücken
mich — und die Welt iſt noch ſo groß! ach es ſteigt
mir die Luſt im Herzen auf daß ich reiſen möcht — mit
Dir — wär das denn nicht möglich? — bin ich denn
ſo ganz gefangen, kann ich mir hierin nicht willfah¬
ren? — Und willſt Du auch nicht das Unglück meiden,
jener die ſterben ohne den Jupiter Olymp geſehen zu
haben? — ich fühl daß mir alle Sehnſucht geſtillt
könnte werden, hoch auf dem höchſten Berg die Lande,
die Weite zu überſchauen, ich würde mich wahrlich er¬
haben und mächtig fühlen, denn weſſen das Aug ſich
bemeiſtert, deſſen fühlt der Großherzige ſich Herr. Ach
Günderode, ich weiß nicht ob Du's auch ſchon gefühlt
haſt, aber mir iſt jetzt vor allem der Sinn des Augs
gereizt, ſehen möcht ich, nur ſehen. — Wie groß und herr¬
lich die Kraft mit dem Aug alles zu beherrſchen, alles
in ſich zu haben, zu erzeugen was herrlich iſt, — wie
würden da die Geiſter uns umflügeln aus einſamer
Stelle? — und dann kennen wir uns, wir würden in
einander ſo einheimiſch ſein, es bedürfte keiner Mitthei¬
lung, die Gedanken flögen aus und ein, in' einen wie
in' andern, was Du ſiehſt das iſt in Dir, denn ich auch,
ich hab mich nicht vor Dir verſchloſſen; — ja Du biſt
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/258>, abgerufen am 23.11.2024.
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