tiefer in meiner Brust und weißt mehr von meinem See¬ lenschicksal als ich selber, denn ich brauch nur in Dei¬ nem Geist zu lesen so find ich mich selbst. Und wie glücklich hab ich mich doch hingehen lassen in Deinem Kreis? -- als schütze Dein Geist mich, so hab ich alles Un¬ mögliche gewagt zu denken und zu behaupten und nichts war mir zu tollkühn, überall fühlt ich den Faden in Deinem klugen Verstehen, der mich durchs Labyrinth führte. Ach ich möchte alles haben, Macht und Reich¬ thum an herrlichen Ideen, und Wissenschaft und Kunst, um alles Dir wiederzugeben; und meinem Stolz von Dir geliebt zu sein, meiner Liebe zu Dir genug zu thun. Denn diese Freundschaft, dies Sein mit Dir, konnte nur einmal gedeihen. Ich zum wenigsten fühle daß keiner mit mir wetteifern könnte in der Liebe, und darum siegt auch meine Großmuth, -- ich mag niemand eine Schuld aufbürden um die er ewig büßen müßte.
Mein Brief ist zerstreut geschrieben, das ist, weil ich Dich suche, -- sonst stehst Du vor mir wenn ich Dir schreibe, da spreche ich mit Dir, die Hälft sind da meine Gedanken, und die Hälft Deine Antwort, denn ich weiß allemal was Du antwortest wenn ich Dir was sage; so lerne ich immer das Tiefere, das Weise, das Bestäti¬ gende aus Dir. -- Die Post geht ab -- ich lasse den
tiefer in meiner Bruſt und weißt mehr von meinem See¬ lenſchickſal als ich ſelber, denn ich brauch nur in Dei¬ nem Geiſt zu leſen ſo find ich mich ſelbſt. Und wie glücklich hab ich mich doch hingehen laſſen in Deinem Kreis? — als ſchütze Dein Geiſt mich, ſo hab ich alles Un¬ mögliche gewagt zu denken und zu behaupten und nichts war mir zu tollkühn, überall fühlt ich den Faden in Deinem klugen Verſtehen, der mich durchs Labyrinth führte. Ach ich möchte alles haben, Macht und Reich¬ thum an herrlichen Ideen, und Wiſſenſchaft und Kunſt, um alles Dir wiederzugeben; und meinem Stolz von Dir geliebt zu ſein, meiner Liebe zu Dir genug zu thun. Denn dieſe Freundſchaft, dies Sein mit Dir, konnte nur einmal gedeihen. Ich zum wenigſten fühle daß keiner mit mir wetteifern könnte in der Liebe, und darum ſiegt auch meine Großmuth, — ich mag niemand eine Schuld aufbürden um die er ewig büßen müßte.
Mein Brief iſt zerſtreut geſchrieben, das iſt, weil ich Dich ſuche, — ſonſt ſtehſt Du vor mir wenn ich Dir ſchreibe, da ſpreche ich mit Dir, die Hälft ſind da meine Gedanken, und die Hälft Deine Antwort, denn ich weiß allemal was Du antworteſt wenn ich Dir was ſage; ſo lerne ich immer das Tiefere, das Weiſe, das Beſtäti¬ gende aus Dir. — Die Poſt geht ab — ich laſſe den
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tiefer in meiner Bruſt und weißt mehr von meinem See¬
lenſchickſal als ich ſelber, denn ich brauch nur in Dei¬
nem Geiſt zu leſen ſo find ich mich ſelbſt. Und wie
glücklich hab ich mich doch hingehen laſſen in Deinem
Kreis? — als ſchütze Dein Geiſt mich, ſo hab ich alles Un¬
mögliche gewagt zu denken und zu behaupten und nichts
war mir zu tollkühn, überall fühlt ich den Faden in
Deinem klugen Verſtehen, der mich durchs Labyrinth
führte. Ach ich möchte alles haben, Macht und Reich¬
thum an herrlichen Ideen, und Wiſſenſchaft und Kunſt,
um alles Dir wiederzugeben; und meinem Stolz von
Dir geliebt zu ſein, meiner Liebe zu Dir genug zu thun.
Denn dieſe Freundſchaft, dies Sein mit Dir, konnte nur
einmal gedeihen. Ich zum wenigſten fühle daß keiner
mit mir wetteifern könnte in der Liebe, und darum ſiegt
auch meine Großmuth, — ich mag niemand eine Schuld
aufbürden um die er ewig büßen müßte.
Mein Brief iſt zerſtreut geſchrieben, das iſt, weil
ich Dich ſuche, — ſonſt ſtehſt Du vor mir wenn ich Dir
ſchreibe, da ſpreche ich mit Dir, die Hälft ſind da meine
Gedanken, und die Hälft Deine Antwort, denn ich weiß
allemal was Du antworteſt wenn ich Dir was ſage; ſo
lerne ich immer das Tiefere, das Weiſe, das Beſtäti¬
gende aus Dir. — Die Poſt geht ab — ich laſſe den
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/259>, abgerufen am 23.11.2024.
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