traut Ihr mir das zu, daß ich die Natur mit hellem Blick anschau und ohne Vorurtheil? "Ja!" sagt er, "und ich weiß daß ich nicht irre -- und daß Sie scharfsichtig sind." -- So hab ich also recht wenn ich in Euch einen begeisterten Mann erkenne? -- "Zum wenig¬ sten sind Sie dem Wahren näher, als andre die den Juden für einen gedrückten Mann halten, innerlich quillt die Freiheit, und ein Tropfen ist genug über alle Ver¬ achtung uns zu heben." -- Ich hörte Leute den einsamen Weg heraufkommen und brach ab weil mir das Ge¬ heimniß schon zu lieb war mit ihm. Ich sagte, leb wohl Jude, denk an unser Gespräch und wenn Du von Deiner Reise heimkehrst komm zu mir.
Wer mag nun schärfer sehen der Savigny meinen Hochmuth oder der Jud meinen vorurtheilsfreien zutrau¬ lichen Blick? -- Ich geb aber dem Savigny nicht un¬ recht, denn was ist doch die überglückliche übermüthige Lust daß ich ihn mit dem Jud anführ als nur Hoch¬ muth? -- es haben mirs auch schon mehr Leut gesagt, noch wie ich Abschied nahm sagte der Moritz ich sei hochmü¬ thig, weil ich behauptete ich gehe von Frankfurt daß er seine fünf Bändelange Delphine Abends vorlesen könne, wenn er damit fertig sei wolle ich wiederkommen.
traut Ihr mir das zu, daß ich die Natur mit hellem Blick anſchau und ohne Vorurtheil? „Ja!“ ſagt er, „und ich weiß daß ich nicht irre — und daß Sie ſcharfſichtig ſind.“ — So hab ich alſo recht wenn ich in Euch einen begeiſterten Mann erkenne? — „Zum wenig¬ ſten ſind Sie dem Wahren näher, als andre die den Juden für einen gedrückten Mann halten, innerlich quillt die Freiheit, und ein Tropfen iſt genug über alle Ver¬ achtung uns zu heben.“ — Ich hörte Leute den einſamen Weg heraufkommen und brach ab weil mir das Ge¬ heimniß ſchon zu lieb war mit ihm. Ich ſagte, leb wohl Jude, denk an unſer Geſpräch und wenn Du von Deiner Reiſe heimkehrſt komm zu mir.
Wer mag nun ſchärfer ſehen der Savigny meinen Hochmuth oder der Jud meinen vorurtheilsfreien zutrau¬ lichen Blick? — Ich geb aber dem Savigny nicht un¬ recht, denn was iſt doch die überglückliche übermüthige Luſt daß ich ihn mit dem Jud anführ als nur Hoch¬ muth? — es haben mirs auch ſchon mehr Leut geſagt, noch wie ich Abſchied nahm ſagte der Moritz ich ſei hochmü¬ thig, weil ich behauptete ich gehe von Frankfurt daß er ſeine fünf Bändelange Delphine Abends vorleſen könne, wenn er damit fertig ſei wolle ich wiederkommen.
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traut Ihr mir das zu, daß ich die Natur mit hellem
Blick anſchau und ohne Vorurtheil? „Ja!“ ſagt er,
„und ich weiß daß ich nicht irre — und daß Sie
ſcharfſichtig ſind.“ — So hab ich alſo recht wenn ich
in Euch einen begeiſterten Mann erkenne? — „Zum wenig¬
ſten ſind Sie dem Wahren näher, als andre die den
Juden für einen gedrückten Mann halten, innerlich quillt
die Freiheit, und ein Tropfen iſt genug über alle Ver¬
achtung uns zu heben.“ — Ich hörte Leute den einſamen
Weg heraufkommen und brach ab weil mir das Ge¬
heimniß ſchon zu lieb war mit ihm. Ich ſagte, leb
wohl Jude, denk an unſer Geſpräch und wenn Du von
Deiner Reiſe heimkehrſt komm zu mir.
Wer mag nun ſchärfer ſehen der Savigny meinen
Hochmuth oder der Jud meinen vorurtheilsfreien zutrau¬
lichen Blick? — Ich geb aber dem Savigny nicht un¬
recht, denn was iſt doch die überglückliche übermüthige
Luſt daß ich ihn mit dem Jud anführ als nur Hoch¬
muth? — es haben mirs auch ſchon mehr Leut geſagt, noch
wie ich Abſchied nahm ſagte der Moritz ich ſei hochmü¬
thig, weil ich behauptete ich gehe von Frankfurt daß
er ſeine fünf Bändelange Delphine Abends vorleſen
könne, wenn er damit fertig ſei wolle ich wiederkommen.
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/88>, abgerufen am 25.11.2024.
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