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Arnold, Gottfried: Erklärung/ Vom gemeinen Secten-wesen/ Kirchen- und Abendmahl-gehen. Leipzig, 1700.

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Wer solte sich wol alsdenn an solcher entziehung ärgern? Würde nicht
mancher böser dadurch beschämet werden? Und haben also öffentliche leh-
rer und prediger wol zu zusehen/ daß sie nicht selbst durch ungleiches untheil
und vorstellung dasjenige den leuten zum ärgerniß machen/ was sonst zur
besserung gereichen könte/ in welchen fall sie auch hernach vor GOtt die
schuld des ärgernisses tragen müssen.

Die einwürffe/ welche sonst weiter wieder solche entziehung möchten
gemacht werden/ sind nicht zulänglich das recht der sache an sich selbst um-
zustossen. Wolte man sprechen: Es wäre dieses ein eingriff in das straff-
amt ordentlicher Prediger/ so frage ich/ wer suchet durch solche entziehung
ihr straf-ammt auffzuheben? wird es nicht vielmehr dadurch bestätiget?
Solte sich nicht ein rechtschaffener Prediger sich darüber hocherfreuen/
wenn er noch in seiner gemeinde solche ernstliche Christen findet/ die seine
predigt und zeugniß wieder das unheilige volck auff solche weise lecundiren/
absonderlich da viel zuhörer dencken/ als müsten ihre Lehrer nur so von
ammts wegen nicht aber aus nothdurfft straffen/ so daß die gemeinde sich
wircklich darnach bessern müste; weßhalben die löblichen exempel aus
dem mittel der zuhörer zur bestrafung ein grosses vermögen. Und wo ist es ge-
gründet/ daß das straff-ammt den öffentlichen Lehrern so gar alleine zukomme/
daß nicht die andern glaubigen in gebührender masse und ordnung auch
recht und fug darzu haben solten? Hat nicht Paulus nach obangeführten
worten in dem namen CHristi allen glaubigen befohlen/ an dem unordent-
lich - wandelnden die brüderliche bestraffung auszuüben? Wünschet er
nicht I. Cor. XIV. 24. Daß/ so welche von denen die gar ausser der gemein-
schafft der kirchen sind/ in die gemeinde der Christen kämen/ sie zu ihrer be-
kehrung durch das weissagen aller glied massen in der gemeinde möchtet über
zeuget/ gestraffet und gerichtet werden? Wie vielmehr haben glaubige
Christen nebst denen ordentlichen Lehrern recht und macht/ diejenigen zu
richten und zu straffen/ die in der gemeinde als todte oder ungesunde glied-
massen sich befinden? Und solten ja demnach rechtschaffene Lehrer die from-
men Christen in der gemeinde vielmehr selbst darzu auffmuntern/ damit sie
an denselben viele mitgehülffen und förderer in dem wercke des Herrn ha-
ben möchten. So saget auch Paulus I. Cor. XII. 7. daß in einem jeg-
lichem wahren Christen die gaben des geistes sich zum allgemeinen nutz er-
zeigen. Warum solte nun auch nicht die gabe des geistes in einem jegli-
chem glaubigen Christen durch brüderliche bestraffung zum allgemeinen be-
sten ihre mit - wirckung beytragen? Wolte man sprechen: Es müste zwar
freylich ein jegliches glied CHristi an dem corpore Ecclesiastico seine wir-

ckung
J 2

Wer ſolte ſich wol alsdenn an ſolcher entziehung aͤrgern? Wuͤrde nicht
mancher boͤſer dadurch beſchaͤmet werden? Und haben alſo oͤffentliche leh-
rer und prediger wol zu zuſehen/ daß ſie nicht ſelbſt durch ungleiches untheil
und vorſtellung dasjenige den leuten zum aͤrgerniß machen/ was ſonſt zur
beſſerung gereichen koͤnte/ in welchen fall ſie auch hernach vor GOtt die
ſchuld des aͤrgerniſſes tragen muͤſſen.

Die einwuͤrffe/ welche ſonſt weiter wieder ſolche entziehung moͤchten
gemacht werden/ ſind nicht zulaͤnglich das recht der ſache an ſich ſelbſt um-
zuſtoſſen. Wolte man ſprechen: Es waͤre dieſes ein eingriff in das ſtraff-
amt ordentlicher Prediger/ ſo frage ich/ wer ſuchet durch ſolche entziehung
ihr ſtraf-ammt auffzuheben? wird es nicht vielmehr dadurch beſtaͤtiget?
Solte ſich nicht ein rechtſchaffener Prediger ſich daruͤber hocherfreuen/
wenn er noch in ſeiner gemeinde ſolche ernſtliche Chriſten findet/ die ſeine
predigt und zeugniß wieder das unheilige volck auff ſolche weiſe lecundiren/
abſonderlich da viel zuhoͤrer dencken/ als muͤſten ihre Lehrer nur ſo von
ammts wegen nicht aber aus nothdurfft ſtraffen/ ſo daß die gemeinde ſich
wircklich darnach beſſern muͤſte; weßhalben die loͤblichen exempel aus
dem mittel der zuhoͤrer zur beſtrafung ein groſſes vermoͤgen. Und wo iſt es ge-
gruͤndet/ daß das ſtraff-am̃t den oͤffentlichen Lehrern ſo gar alleine zukom̃e/
daß nicht die andern glaubigen in gebuͤhrender maſſe und ordnung auch
recht und fug darzu haben ſolten? Hat nicht Paulus nach obangefuͤhrten
worten in dem namen CHriſti allen glaubigen befohlen/ an dem unordent-
lich - wandelnden die bruͤderliche beſtraffung auszuuͤben? Wuͤnſchet er
nicht I. Cor. XIV. 24. Daß/ ſo welche von denen die gar auſſer der gemein-
ſchafft der kirchen ſind/ in die gemeinde der Chriſten kaͤmen/ ſie zu ihrer be-
kehrung durch das weiſſagen alleꝛ glied maſſen in deꝛ gemeinde moͤchtet uͤbeꝛ
zeuget/ geſtraffet und gerichtet werden? Wie vielmehr haben glaubige
Chriſten nebſt denen ordentlichen Lehrern recht und macht/ diejenigen zu
richten und zu ſtraffen/ die in der gemeinde als todte oder ungeſunde glied-
maſſen ſich befinden? Und ſolten ja demnach rechtſchaffene Lehrer die from-
men Chriſten in der gemeinde vielmehr ſelbſt darzu auffmuntern/ damit ſie
an denſelben viele mitgehuͤlffen und foͤrderer in dem wercke des Herꝛn ha-
ben moͤchten. So ſaget auch Paulus I. Cor. XII. 7. daß in einem jeg-
lichem wahren Chriſten die gaben des geiſtes ſich zum allgemeinen nutz er-
zeigen. Warum ſolte nun auch nicht die gabe des geiſtes in einem jegli-
chem glaubigen Chriſten durch bruͤderliche beſtraffung zum allgemeinen be-
ſten ihre mit - wirckung beytragen? Wolte man ſprechen: Es muͤſte zwar
freylich ein jegliches glied CHriſti an dem corpore Eccleſiaſtico ſeine wir-

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J 2
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[67/0068] Wer ſolte ſich wol alsdenn an ſolcher entziehung aͤrgern? Wuͤrde nicht mancher boͤſer dadurch beſchaͤmet werden? Und haben alſo oͤffentliche leh- rer und prediger wol zu zuſehen/ daß ſie nicht ſelbſt durch ungleiches untheil und vorſtellung dasjenige den leuten zum aͤrgerniß machen/ was ſonſt zur beſſerung gereichen koͤnte/ in welchen fall ſie auch hernach vor GOtt die ſchuld des aͤrgerniſſes tragen muͤſſen. Die einwuͤrffe/ welche ſonſt weiter wieder ſolche entziehung moͤchten gemacht werden/ ſind nicht zulaͤnglich das recht der ſache an ſich ſelbſt um- zuſtoſſen. Wolte man ſprechen: Es waͤre dieſes ein eingriff in das ſtraff- amt ordentlicher Prediger/ ſo frage ich/ wer ſuchet durch ſolche entziehung ihr ſtraf-ammt auffzuheben? wird es nicht vielmehr dadurch beſtaͤtiget? Solte ſich nicht ein rechtſchaffener Prediger ſich daruͤber hocherfreuen/ wenn er noch in ſeiner gemeinde ſolche ernſtliche Chriſten findet/ die ſeine predigt und zeugniß wieder das unheilige volck auff ſolche weiſe lecundiren/ abſonderlich da viel zuhoͤrer dencken/ als muͤſten ihre Lehrer nur ſo von ammts wegen nicht aber aus nothdurfft ſtraffen/ ſo daß die gemeinde ſich wircklich darnach beſſern muͤſte; weßhalben die loͤblichen exempel aus dem mittel der zuhoͤrer zur beſtrafung ein groſſes vermoͤgen. Und wo iſt es ge- gruͤndet/ daß das ſtraff-am̃t den oͤffentlichen Lehrern ſo gar alleine zukom̃e/ daß nicht die andern glaubigen in gebuͤhrender maſſe und ordnung auch recht und fug darzu haben ſolten? Hat nicht Paulus nach obangefuͤhrten worten in dem namen CHriſti allen glaubigen befohlen/ an dem unordent- lich - wandelnden die bruͤderliche beſtraffung auszuuͤben? Wuͤnſchet er nicht I. Cor. XIV. 24. Daß/ ſo welche von denen die gar auſſer der gemein- ſchafft der kirchen ſind/ in die gemeinde der Chriſten kaͤmen/ ſie zu ihrer be- kehrung durch das weiſſagen alleꝛ glied maſſen in deꝛ gemeinde moͤchtet uͤbeꝛ zeuget/ geſtraffet und gerichtet werden? Wie vielmehr haben glaubige Chriſten nebſt denen ordentlichen Lehrern recht und macht/ diejenigen zu richten und zu ſtraffen/ die in der gemeinde als todte oder ungeſunde glied- maſſen ſich befinden? Und ſolten ja demnach rechtſchaffene Lehrer die from- men Chriſten in der gemeinde vielmehr ſelbſt darzu auffmuntern/ damit ſie an denſelben viele mitgehuͤlffen und foͤrderer in dem wercke des Herꝛn ha- ben moͤchten. So ſaget auch Paulus I. Cor. XII. 7. daß in einem jeg- lichem wahren Chriſten die gaben des geiſtes ſich zum allgemeinen nutz er- zeigen. Warum ſolte nun auch nicht die gabe des geiſtes in einem jegli- chem glaubigen Chriſten durch bruͤderliche beſtraffung zum allgemeinen be- ſten ihre mit - wirckung beytragen? Wolte man ſprechen: Es muͤſte zwar freylich ein jegliches glied CHriſti an dem corpore Eccleſiaſtico ſeine wir- ckung J 2

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Erklärung/ Vom gemeinen Secten-wesen/ Kirchen- und Abendmahl-gehen. Leipzig, 1700, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_cyprian_1700/68>, abgerufen am 21.11.2024.