Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.Th. IV. Sect. II. Num. I. Von händeln/ so in Sachsen der Religion halben [Spaltenumbruch]
Mansfeld gen Eisleben erfodert; denn sie ihndurch vielfältiges ersuchen und anhalten gebete/ daß er die langwierige irrungen und streits-sa- chen/ darinnen sie etliche jahr mit einander un- richtig/ für die hand nehmen und zu gütlicher ver- gleichung und einigkeit wolte richten helffen. Als er aber zur handlung recht greiffen wolle/ befand er alsbald die sachen durch die geld-gierigen Ju- risten auff beyden seiten in eine solche verworrene weitläufftigkeit und verbitterung verwickelt/ daß wo man hierinne durch Juristen der sache weiter solte helffen/ weder einige hülffe noch rath zu verhoffen wäre; derwegen er auch D. Melchior Klinge/ als Mansfeldischen Ju- risten und Procuratorn/ bey der handlung nicht wissen wolte/ und derowegen abschaffen ließ; und gabe diese verdrießliche händel oftgemeldtem D. Luthero so viel zu schaffen/ daß er sich vermercken ließ/ wo ihn unser Herr Gott wiederum zu hause würde helffen/ wolle er ein eigen buch wider die silberne und güldene Juristenschreiben/ daß sie die sachen offtmals zu ihrem vortheil und geitz wider alle billichkeit erweiterten und auffzögen. Nun hatte D. Luther hiebevor einen fluß an ei- nem schenckel/ welchen ihme D. Ratzenberger ob continuam Capitis vertiginem eröffnet/ wel- ches die Itali fontanellam nennen; so lange nun D. Luther denselbe fluß am schenckel offen behielt/ befand er linderung des schwindels und anderer leibes-schwachheit/ die ihm sonst in allem zu han- den kam; als er nun/ wie gemeldet/ zu Eißleben mit de beschwerliche Mansfeldische händeln viel mühe und arbeit vergeblich hatte gepfleget/ und alle handlungen umsonst| waren/ kränckete ihn diese weitläufftigkeit so hefftig/ daß er seiner ei- genen gesund heit nicht wahrnehmen/ und mit ermeldtem remedio per lapidem causticum sei- nen fluß offen konte halten; also ward er voller schwermuth in solchertäglicher mühe/ und heilete ihm der fluß am schenckel zu/ daß zu vermuthen/ daß die hefftige Commotiones animi & regurgi- tatio materiae peccantis ob consoliditatem von oben und unten/ samt heftiger grämnis/ ihm den tod sämtlich verursacht haben. Den abend zu- vor/ ehe er starb/ war er ziemlich frölich mit sei- nen haußgenossen/ und ehe er sich nach dem Nachtmal hatte wollen zu bette legen/ hat er fol- genden verß an die wand mit kreiden geschrie- ben: Pestis eram vivus, moriens ero mors tua, Papa. Philippus meinet die ursach seines todes sey Wie D. Luther solches hörete/ sprach er zu sei- Ob nun wol wegen solcher D. Luthers leich Denn als D. Luther im Februario starb/ klage
Th. IV. Sect. II. Num. I. Von haͤndeln/ ſo in Sachſen der Religion halben [Spaltenumbruch]
Mansfeld gen Eisleben erfodert; denn ſie ihndurch vielfaͤltiges erſuchen und anhalten gebetē/ daß er die langwierige irrungen und ſtreits-ſa- chen/ darinnen ſie etliche jahr mit einander un- richtig/ fuͤꝛ die hand nehmen und zu guͤtlicheꝛ ver- gleichung uñ einigkeit wolte richten helffen. Als er aber zur handlung recht greiffen wollē/ befand er alsbald die ſachen durch die geld-gierigen Ju- riſten auff beyden ſeiten in eine ſolche verworrene weitlaͤufftigkeit und verbitterung verwickelt/ daß wo man hierinne durch Juriſten der ſache weiter ſolte helffen/ weder einige huͤlffe noch rath zu verhoffen waͤre; derwegen er auch D. Melchior Klinge/ als Mansfeldiſchen Ju- riſten und Procuratorn/ bey der handlung nicht wiſſen wolte/ und derowegen abſchaffen ließ; uñ gabē dieſe verdrießliche haͤndel oftgemeldtem D. Luthero ſo viel zu ſchaffen/ daß er ſich veꝛmercken ließ/ wo ihn unſer Herr Gott wiederum zu hauſe wuͤrde helffen/ wolle er ein eigen buch wider die ſilberne uñ guͤldene Juriſtenſchreiben/ daß ſie die ſachen offtmals zu ihrem vortheil und geitz wider alle billichkeit erweiterten und auffzoͤgen. Nun hatte D. Luther hiebevor einen fluß an ei- nem ſchenckel/ welchen ihme D. Ratzenberger ob continuam Capitis vertiginem eroͤffnet/ wel- ches die Itali fontanellam nennen; ſo lange nun D. Lutheꝛ denſelbē fluß am ſchenckel offen behielt/ befand er linderung des ſchwindels und anderer leibes-ſchwachheit/ die ihm ſonſt in allem zu han- den kam; als er nun/ wie gemeldet/ zu Eißleben mit dē beſchwerlichē Mansfeldiſchē haͤndeln viel muͤhe und arbeit vergeblich hatte gepfleget/ und alle handlungen umſonſt| waren/ kraͤnckete ihn dieſe weitlaͤufftigkeit ſo hefftig/ daß er ſeiner ei- genen geſund heit nicht wahrnehmen/ und mit ermeldtem remedio per lapidem cauſticum ſei- nen fluß offen konte halten; alſo ward er voller ſchwermuth in ſolcheꝛtaͤglicheꝛ muͤhe/ und heilete ihm der fluß am ſchenckel zu/ daß zu vermuthen/ daß die hefftige Commotiones animi & regurgi- tatio materiæ peccantis ob conſoliditatem von oben und unten/ ſamt heftigeꝛ gꝛaͤmnis/ ihm den tod ſaͤmtlich verurſacht haben. Den abend zu- vor/ ehe er ſtarb/ war er ziemlich froͤlich mit ſei- nen haußgenoſſen/ und ehe er ſich nach dem Nachtmal hatte wollen zu bette legen/ hat er fol- genden verß an die wand mit kreiden geſchrie- ben: Peſtis eram vivus, moriens ero mors tua, Papa. Philippus meinet die urſach ſeines todes ſey Wie D. Luther ſolches hoͤrete/ ſprach er zu ſei- Ob nun wol wegen ſolcher D. Luthers leich Denn als D. Luther im Februario ſtarb/ klage
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Th. IV. Sect. II. Num. I. Von haͤndeln/ ſo in Sachſen der Religion halben
Mansfeld gen Eisleben erfodert; denn ſie ihn
durch vielfaͤltiges erſuchen und anhalten gebetē/
daß er die langwierige irrungen und ſtreits-ſa-
chen/ darinnen ſie etliche jahr mit einander un-
richtig/ fuͤꝛ die hand nehmen und zu guͤtlicheꝛ ver-
gleichung uñ einigkeit wolte richten helffen. Als
er aber zur handlung recht greiffen wollē/ befand
er alsbald die ſachen durch die geld-gierigen Ju-
riſten auff beyden ſeiten in eine ſolche verworrene
weitlaͤufftigkeit und verbitterung verwickelt/
daß wo man hierinne durch Juriſten der
ſache weiter ſolte helffen/ weder einige huͤlffe
noch rath zu verhoffen waͤre; derwegen er auch
D. Melchior Klinge/ als Mansfeldiſchen Ju-
riſten und Procuratorn/ bey der handlung nicht
wiſſen wolte/ und derowegen abſchaffen ließ; uñ
gabē dieſe verdrießliche haͤndel oftgemeldtem D.
Luthero ſo viel zu ſchaffen/ daß er ſich veꝛmercken
ließ/ wo ihn unſer Herr Gott wiederum zu hauſe
wuͤrde helffen/ wolle er ein eigen buch wider die
ſilberne uñ guͤldene Juriſtenſchreiben/ daß
ſie die ſachen offtmals zu ihrem vortheil und geitz
wider alle billichkeit erweiterten und auffzoͤgen.
Nun hatte D. Luther hiebevor einen fluß an ei-
nem ſchenckel/ welchen ihme D. Ratzenberger ob
continuam Capitis vertiginem eroͤffnet/ wel-
ches die Itali fontanellam nennen; ſo lange nun
D. Lutheꝛ denſelbē fluß am ſchenckel offen behielt/
befand er linderung des ſchwindels und anderer
leibes-ſchwachheit/ die ihm ſonſt in allem zu han-
den kam; als er nun/ wie gemeldet/ zu Eißleben
mit dē beſchwerlichē Mansfeldiſchē haͤndeln viel
muͤhe und arbeit vergeblich hatte gepfleget/ und
alle handlungen umſonſt| waren/ kraͤnckete ihn
dieſe weitlaͤufftigkeit ſo hefftig/ daß er ſeiner ei-
genen geſund heit nicht wahrnehmen/ und mit
ermeldtem remedio per lapidem cauſticum ſei-
nen fluß offen konte halten; alſo ward er voller
ſchwermuth in ſolcheꝛtaͤglicheꝛ muͤhe/ und heilete
ihm der fluß am ſchenckel zu/ daß zu vermuthen/
daß die hefftige Commotiones animi & regurgi-
tatio materiæ peccantis ob conſoliditatem von
oben und unten/ ſamt heftigeꝛ gꝛaͤmnis/ ihm den
tod ſaͤmtlich verurſacht haben. Den abend zu-
vor/ ehe er ſtarb/ war er ziemlich froͤlich mit ſei-
nen haußgenoſſen/ und ehe er ſich nach dem
Nachtmal hatte wollen zu bette legen/ hat er fol-
genden verß an die wand mit kreiden geſchrie-
ben:
Peſtis eram vivus, moriens ero mors tua, Papa.
Philippus meinet die urſach ſeines todes ſey
geweſen ein morbus, den die Medici cardiog-
mum, Græcè _ , i. e. dolorem ſtoma-
chi, nennen; aber andere meinen/ die erſt ange-
zeigte ungelegenheit ſey eine urſach ſeines todes
geweſen. Man diſputire nun die cauſam morbi,
wie man wolle/ und ſage gleich/ es ſey ſein annus
climactericus geweſen/ ſo iſt doch das zu bekla-
gen/ daß er noch die kurtze zeit/ die er auſſerhalb
der Eislebiſchen handlung haͤtte daheim zu
Wittenberg uͤbrig zu leben gehabt/ an ſtatt der
heilloſen nichtigen Mannsfeldiſchen ſachen viel
hoͤhere und wichtigere auch der kirchen nuͤtzli-
chere ſachen daheim zu Wittenberg mit beſſerer
ruhe haͤtte verrichten koͤnnen/ denn daß ihm ſei-
ne Erbherren den von GOtt angeſetzten tod noch
voller angſt und unruhe muͤſſen ſauer gnug ge-
macht haben. Als nun die leiche des D. Lutheri in
einem zinnernen ſarg auff des Churfuͤrſten befehl
gen Wittenberg gebracht ward/ wurde dieſelbe
ehrlich in der ſchloß-kirchen daſelbſt nebſt dem
predigtſtuhl beſtattet/ und hielten ihm D. Po-
meranus eine leichpredigt/ und Philippus eine
orationem funebrem. Kuͤꝛtzlich vor ſeinem D. Lu-
thers nach Eisleben abreiſen/ hatten ſeine hauß-
und tiſchgenoſſen eine ſchlagende uhr auff dem
ſchlaffhauſe verneuren und anrichten laſſen/ da
begab ſichs einmal in der mitternacht/ daß bey
derſelben ſchlagenden uhr ein groſſer fall gehoͤret
ward/ als fiel das ſteinerne gewicht vom ſtrick
herab/ aber morgens waren noch alle ſachen
gantz und unverſehret ꝛc.
Wie D. Luther ſolches hoͤrete/ ſprach er zu ſei-
nen tiſchgeſellen/ ſie ſolten ſich nicht dafuͤr ent-
ſetzen/ denn dieſer fall bedeutete ſeine perſon/ daß
er bald ſterben wuͤrde; ſo begehrte er zwar auff
dieſer unartigen welt nicht laͤnger zu leben/ man
ſolte nur bitten/ daß ihm unſer GOtt ein gnaͤ-
diges ſtuͤndlein verleihen wolte/ ſo wolte eꝛ ſich in
einen ſarg legen und den wuͤrmern einen fri-
ſchen coͤrper zu verzehren geben; die welt waͤre
ihm feind/ ſo waͤre er hingegen der welt uͤber-
druͤßig und muͤde.
Ob nun wol wegen ſolcher D. Luthers leich
faſt jedermann bekuͤmmert und traurig war/ je-
doch ſo offt Philippus alleine bey ſeinen gehei-
men freunden war/ und man de reſtauratione
ſtudiorum Theologicorum und veraͤnderung
des zuſtandes in Academia wegen dieſes ploͤtzli-
chen des Lutheri abgang ſorgfaͤltig war/ kun-
te man fein mercken und ſpuͤren/ wiees dem Phi-
lippo heimlich wol thate/ daß man ſich hin-
fuͤrter nach ihme/ als|dem obriſten/ richten muͤ-
ſte; denn er allewege/ wie gemeldt/ vivo Lu-
thero ihm ſelbſt den wahn hatte eingebildet/
Lutherus haͤtte nur ſeine eigene auctoritaͤt be-
foͤrdert/ und darneben niemand es goͤnnen wol-
len/ daß er auch moͤchte in ein anſehen kommen;
derwegē gefiel Philippo heimlich wol/ daß nun-
mehr die fuͤrnehmſten Theologi zu Wittenberg/
als Pomeranus, Creutziger/ Major und alle
andere Profeſſores, ſich alleine raths bey ihm
erholen muͤſten; wie denn er alleine in diſpu-
tationibus Theologicis an D. Lutheri ſtatt
præſidirete/ und was ein jeder Theologus ent-
weder in der kirchen predigen oder in der ſchulen
profitiren ſollen/ ward einem jeglichen von Phi-
lippo vorgeſchrieben/ darinnē er ſich keine muͤhe
und arbeit verdrieſſen ließ; denn er ein ſonder-
lich frolocken hatte/ wo er jedermann/ der nur ſei-
nes raths und huͤlffe begehꝛte/ mit rath und that
konte mit huͤlffe erſcheinen und gutes beweiſen.
Allhier kan man nicht eigentlich wiſſen/ was
Hertzog Johann Friederich fuͤr gedancken hat
gehabt/ daß er bald nach D. Luthers tode dahin
getrachtet/ wie er dem Philippo in Theologia
noch einen gehuͤlffen/ nemlich den Herrn Bren-
tium, zuwege bringen und zuordnen moͤchte/ es
fielen aber nach des Luthers tode bald andere
haͤndel fuͤr/ daß ſolches des Churfuͤrſtens vor-
nehmen verbliebe/ und er ſich in krieg reitzen ließ.
Denn als D. Luther im Februario ſtarb/
ſchickte bald der Kaͤyſer Carl um die Oſtern
Niclaſen von Koͤnneritz in einer Legation zu
dem Meißniſchen und Saͤchſiſchen Adel/ und
ließ vermelden: Nach dem ſeine Majeſtaͤt in
argwohn/ als wolte Er ſich gegen oder wider
das Evangelium ruͤſten/ das waͤre ſeine mei-
nung keines weges; nach dem aber ſonſt viel
klage
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