Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.Th. IV. Sect. III. Num. XIV. Hamburgischer Streit mit dem Ministerio. [Spaltenumbruch]
vorgehalten/ dergestalt/ daß E. ehrw.Ministerium eine klag-schrifft wieder uns ein- gegeben/ darinn sie sich beschwexten/ daß wir gantz freventlich dasselbe so wohl pri- vatim im hause/ als auch hernach ungefor- dert im kirchen-saal M. Magdalenä angelauf- fen/ dieselbe wieder gebühr und beruff nicht anders/ als wenn wir ihre Inspectores wä- ren/ reformiren wollen/ daß sie ihrem ampte nach mehrern fleiß auff die seelen zu retten wenden/ und dem grossen übel und jammer steuren solten/ hätten uns beruf- sen auff unser geistliches Priesterthum. Nun solten wir wissen/ daß er auch wol wüste/ was Christen vor herrliche leute wären/ nehmlich geistliche Könige und Priester/ und das wäre krafft seiner tauffe er so wol wie wir/ so wir anders rechtgläubig wären/ darauff aber dürfften wir Phantasten uns nicht unternehmen sie zu reformiren, und wir solten das wis- sen/ daß wir damit nicht nur an das Mi- nisterium, sondern vornehmlich an E. hochw. Rath uns vergriffen/ als bey wel- chem das Jus Episcopale und folgends die macht allein wäre den Predigern einzu- reden/ wann sie es in allen dingen nicht recht in acht nähmen. Wir junge Phan- tasten aber dürfften uns unterstehen solche alte männer/ die unser alter wol zwey- mahl hätten/ zu informiren und reformiren, die wir nicht werth wären dahin etc. Hät- te demnach E. hochw. Rath. solch unser freventlich beginnen/ übel empfunden/ und solten bald darauff hören/ was sie über uns beschlossen/ wann wir erst hierauff würden geantwortet haben. M. Volsch beantwortete diese beschuldigungen mit höch- ster bescheidenheit/ gebührender demuth und ehrerbietung. Weil aber auß des Herrn Syndici reden schiene/ daß wir bey ihm in verdacht falscher lehre wären/ so bezeugete M. Volsch erstlich/ daß wir in allen stücken unsern reinen Lutherischen Libris Symbolicis im lautersten verstande von hertzen zugethan wären/ auch jeder- mann/ der es nur begehrte/ rechnung un- sers glaubens geben wolten: Wir wären auch nicht mit ungestümm hinein gelauffen/ sondern wir hätten sie vorher bescheident- lich gebeten/ und wären ehe nicht hinein gegangen/ ehe man uns geruffen/ wie aus den 5. 6. & 7. §. zu sehen. Wir hät- ten auch nicht informative, reformative o- der accusative, sondern nur bittlich mit ihnen gehandelt/ unser gewissen zu befrey- en. Als dieses der Herr Syndicus hörete/ schwieg er gantz still von dem punct/ fieng aber einen frembden Discurs an/ der nicht zur sachen gehörete/ und da der vollen- det/ wolte der Herr Syndicus ernstlich wissen/ was das für leute wären/ zu denen wir giengen. Da nenneten Mag. Volsch und Dohren auff feine gar genaue und umständlich-scharffe befragung etliche/ welches sie darum viel lieber thaten/ daß sie da- durch erweiseren/ wie sie nirgends hingeschli- chen/ sondern allenthalben gefordert/ frey und ohne scheu am hellen tage jederzeit gegangen; [Spaltenumbruch] Holtzhausen aber sagte/ er hätte keine. Dar- auf fragte der Herr Syndicus in specie gar ey- gentlich/ wie es mit Anna Schellhorns zugan- gangen? welches Stephanus damahls or dent- lich erzehlete/ so wohl die occasion, daß die frau einen Studiosum, der ihr in ihrer sehr schweren Anfechtung rechtschaffenen trost und unter- richt ertheilete/ suchend/ und daher in Herrn Reiniers Haus kommen/ ihme mit weinen und flehen ihre grosse noth geklaget/ wie er sie nebst der andern Frau Anna Dahmens/ welche gleicher gestalt in grosser anfechtung des glaubens gestecket/ nach verliehener gna- den-krafft Gottes getröstet/ wie er sie auf ihre sehnliche bitte und begehren offtmahls besu- chet/ wie da etliche ihrer bekandten solcher be- suchung beygewohnet/ wie die angesochtene erlöset worden/ wie sie ihn gebeten/ alle wo- che einmahl sie zubesuchen/ wie darauf sie nebst etlichen andern von ihm begehret aus dem Ca- techismo Lutheri unterrichtet zu seyn/ wie er ferner Lutheri Catechismum mit der Franck- furter Lutherischen Theologen schönen erklä- rung discursweise ihnen vorgetragen/ und wie er auch sonst zu den andern kommen. Hierbey fragte der Herr Syndicus, ob ihre der Schell- horns und Anna Dahmens Beichtvater sie nicht getröstet? da sprach Stephenus ja/ das hätten sie zwar gethan/ aber wie Anna S[ch]ell- horns sagte/ hätte sie vom Herrn Sauerland nicht so viel trostes als sie wohl bedürfftig jewesen/ können erlangen/ alldieweil er offt durch viele geschäffte wäre verhindert worden. Wie aber Anna Dahmen sagte/ sey sie von Hn. Edzardi ungetröstet in ihrer grossen traurig- keit gelassen worden. F[e]rner begehrte der Herr Syndicus zu wissen/ womit Stephanus die angefochtene getröstet/ seinen grund des glaubens zuerforschen/ darauf er ihm so ge- antwortet/ daß er zu frieden gewesen. Da nun der Herr Syndicus sahe/ das wir in der lehre richtig und nicht zu tadeln; NB. wiewohl wir gar wenig raum hatten uns zuverantwor- ten/ angesehen der Herr Syndicus die zeit mit vielen discursen binbrachte/ auch wohl darü- ber dann und wann unser judicium begehrte/ welches wann wir in einfältiger furcht Gottes gaben/ er uns nur dabey verlachte und aushöne- te/ uns nur für phantasten und narren aus- rief/ welches daß es eines hochw. Raths befehl nicht gewesen/ wir gar leicht verspüren kön- nen an den geberden und worten der andern Hn. Deputirten/ sonderlich des Hn. von Holten/ der unterschiedliche mahl den kopff schüttelte/ und sagte: Ey last sie seyn wer sie sind/ warum wollen wir sie aushönen/ vielmehr last uns ihnen andeuten/ was eines hochw. Raths be- gehren. Darauf sprach endlich Herr Broderus Pauli: Dem allen sey demnach wie ihm wolle/ so solt ihr dennoch wissen/ daß solche weise und manier/ die ihr allhier vornehmet euch ein hochw. Rath nicht gestatten wil: thut euch deswegen durch uns ernstlich gebieten/ daß ihr euch hinführo alles unterrichtens/ vermah- nens/ tröstens und besuchens so wohl der ge- sunden als krancken enthalten sollet/ oder sie wollen euch raum machen/ da ihr lehren kön- net/ und das| thor weisen. Wann aber leute von euch wollen unterrichtet/ getröstet und ge- holffen seyn/ sollet ihr dieselbe zu ihrem beicht- vater
Th. IV. Sect. III. Num. XIV. Hamburgiſcher Streit mit dem Miniſterio. [Spaltenumbruch]
vorgehalten/ dergeſtalt/ daß E. ehrw.Miniſterium eine klag-ſchrifft wieder uns ein- gegeben/ darinn ſie ſich beſchwexten/ daß wir gantz freventlich daſſelbe ſo wohl pri- vatim im hauſe/ als auch hernach ungefor- dert im kirchen-ſaal M. Magdalenaͤ angelauf- fen/ dieſelbe wieder gebuͤhr und beruff nicht anders/ als wenn wir ihre Inſpectores waͤ- ren/ reformiren wollen/ daß ſie ihrem ampte nach mehrern fleiß auff die ſeelen zu retten wenden/ und dem groſſen uͤbel und jammer ſteuren ſolten/ haͤtten uns beruf- ſen auff unſer geiſtliches Prieſterthum. Nun ſolten wir wiſſen/ daß er auch wol wuͤſte/ was Chriſten vor herꝛliche leute waͤren/ nehmlich geiſtliche Koͤnige und Prieſter/ und das waͤre krafft ſeiner tauffe er ſo wol wie wir/ ſo wir anders rechtglaͤubig waͤren/ darauff aber duͤrfften wir Phantaſten uns nicht unternehmen ſie zu reformiren, und wir ſolten das wiſ- ſen/ daß wir damit nicht nur an das Mi- niſterium, ſondern vornehmlich an E. hochw. Rath uns vergriffen/ als bey wel- chem das Jus Epiſcopale und folgends die macht allein waͤre den Predigern einzu- reden/ wann ſie es in allen dingen nicht recht in acht naͤhmen. Wir junge Phan- taſten aber duͤrfften uns unterſtehen ſolche alte maͤnner/ die unſer alter wol zwey- mahl haͤtten/ zu informiren und reformiren, die wir nicht werth waͤren dahin ꝛc. Haͤt- te demnach E. hochw. Rath. ſolch unſer freventlich beginnen/ uͤbel empfunden/ und ſolten bald darauff hoͤren/ was ſie uͤber uns beſchloſſen/ wann wir erſt hierauff wuͤrden geantwortet haben. M. Volſch beantwortete dieſe beſchuldigungen mit hoͤch- ſter beſcheidenheit/ gebuͤhrender demuth und ehrerbietung. Weil aber auß des Herrn Syndici reden ſchiene/ daß wir bey ihm in verdacht falſcher lehre waͤren/ ſo bezeugete M. Volſch erſtlich/ daß wir in allen ſtuͤcken unſern reinen Lutheriſchen Libris Symbolicis im lauterſten verſtande von hertzen zugethan waͤren/ auch jeder- mann/ der es nur begehrte/ rechnung un- ſers glaubens geben wolten: Wir waͤren auch nicht mit ungeſtuͤmm hinein gelauffen/ ſondern wir haͤtten ſie vorher beſcheident- lich gebeten/ und waͤren ehe nicht hinein gegangen/ ehe man uns geruffen/ wie aus den 5. 6. & 7. §. zu ſehen. Wir haͤt- ten auch nicht informativè, reformativè o- der accuſativè, ſondern nur bittlich mit ihnen gehandelt/ unſer gewiſſen zu befrey- en. Als dieſes der Herꝛ Syndicus hoͤrete/ ſchwieg er gantz ſtill von dem punct/ fieng aber einen frembden Diſcurs an/ der nicht zur ſachen gehoͤrete/ und da der vollen- det/ wolte der Herꝛ Syndicus ernſtlich wiſſen/ was das fuͤr leute waͤren/ zu denen wir giengen. Da nenneten Mag. Volſch und Dohren auff feine gar genaue und umſtaͤndlich-ſcharffe befragung etliche/ welches ſie darum viel lieber thaten/ daß ſie da- durch erweiſeren/ wie ſie nirgends hingeſchli- chen/ ſondern allenthalben gefordert/ frey und ohne ſcheu am hellen tage jederzeit gegangen; [Spaltenumbruch] Holtzhauſen aber ſagte/ er haͤtte keine. Dar- auf fragte der Herr Syndicus in ſpecie gar ey- gentlich/ wie es mit Anna Schellhorns zugan- gangen? welches Stephanus damahls or dent- lich erzehlete/ ſo wohl die occaſion, daß die frau einen Studioſum, der ihr in ihrer ſehr ſchweren Anfechtung rechtſchaffenen troſt und unter- richt ertheilete/ ſuchend/ und daher in Herrn Reiniers Haus kommen/ ihme mit weinen und flehen ihre groſſe noth geklaget/ wie er ſie nebſt der andern Frau Anna Dahmens/ welche gleicher geſtalt in groſſer anfechtung des glaubens geſtecket/ nach verliehener gna- den-krafft Gottes getroͤſtet/ wie er ſie auf ihre ſehnliche bitte und begehren offtmahls beſu- chet/ wie da etliche ihrer bekandten ſolcher be- ſuchung beygewohnet/ wie die angeſochtene erloͤſet worden/ wie ſie ihn gebeten/ alle wo- che einmahl ſie zubeſuchen/ wie darauf ſie nebſt etlichen andern von ihm begehret aus dem Ca- techiſmo Lutheri unterrichtet zu ſeyn/ wie er ferner Lutheri Catechiſmum mit der Franck- furter Lutheriſchen Theologen ſchoͤnen erklaͤ- rung diſcuꝛsweiſe ihnen vorgetragen/ und wie er auch ſonſt zu den andern kommen. Hierbey fragte der Herr Syndicus, ob ihre der Schell- horns und Anna Dahmens Beichtvater ſie nicht getroͤſtet? da ſprach Stephenus ja/ das haͤtten ſie zwar gethan/ aber wie Anna S[ch]ell- horns ſagte/ haͤtte ſie vom Herrn Sauerland nicht ſo viel troſtes als ſie wohl beduͤrfftig jeweſen/ koͤnnen erlangen/ alldieweil er offt durch viele geſchaͤffte waͤre verhindert worden. Wie aber Anna Dahmen ſagte/ ſey ſie von Hn. Edzardi ungetroͤſtet in ihrer groſſen traurig- keit gelaſſen worden. F[e]rner begehrte der Herr Syndicus zu wiſſen/ womit Stephanus die angefochtene getroͤſtet/ ſeinen grund des glaubens zuerforſchen/ darauf er ihm ſo ge- antwortet/ daß er zu frieden geweſen. Da nun der Herr Syndicus ſahe/ das wir in der lehre richtig und nicht zu tadeln; NB. wiewohl wir gar wenig raum hatten uns zuverantwor- ten/ angeſehen der Herr Syndicus die zeit mit vielen diſcurſen binbrachte/ auch wohl daruͤ- ber dann und wann unſer judicium begehrte/ welches wann wir in einfaͤltiger furcht Gottes gaben/ er uns nur dabey verlachte uñ aushoͤne- te/ uns nur fuͤr phantaſten und narren aus- rief/ welches daß es eines hochw. Raths befehl nicht geweſen/ wir gar leicht verſpuͤren koͤn- nen an den geberden und worten der andern Hn. Deputirtẽ/ ſonderlich des Hn. von Holtẽ/ der unterſchiedliche mahl den kopff ſchuͤttelte/ und ſagte: Ey laſt ſie ſeyn wer ſie ſind/ warum wollen wir ſie aushoͤnen/ vielmehr laſt uns ihnen andeuten/ was eines hochw. Raths be- gehren. Darauf ſprach endlich Herr Broderus Pauli: Dem allen ſey demnach wie ihm wolle/ ſo ſolt ihr dennoch wiſſen/ daß ſolche weiſe und manier/ die ihr allhier vornehmet euch ein hochw. Rath nicht geſtatten wil: thut euch deswegen durch uns ernſtlich gebieten/ daß ihr euch hinfuͤhro alles unterrichtens/ vermah- nens/ troͤſtens und beſuchens ſo wohl der ge- ſunden als krancken enthalten ſollet/ oder ſie wollen euch raum machen/ da ihr lehren koͤn- net/ und das| thor weiſen. Wann aber leute von euch wollen unterrichtet/ getroͤſtet und ge- holffen ſeyn/ ſollet ihr dieſelbe zu ihrem beicht- vater
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Th. IV. Sect. III. Num. XIV. Hamburgiſcher Streit mit dem Miniſterio.
vorgehalten/ dergeſtalt/ daß E. ehrw.
Miniſterium eine klag-ſchrifft wieder uns ein-
gegeben/ darinn ſie ſich beſchwexten/ daß
wir gantz freventlich daſſelbe ſo wohl pri-
vatim im hauſe/ als auch hernach ungefor-
dert im kirchen-ſaal M. Magdalenaͤ angelauf-
fen/ dieſelbe wieder gebuͤhr und beruff nicht
anders/ als wenn wir ihre Inſpectores waͤ-
ren/ reformiren wollen/ daß ſie ihrem
ampte nach mehrern fleiß auff die ſeelen zu
retten wenden/ und dem groſſen uͤbel und
jammer ſteuren ſolten/ haͤtten uns beruf-
ſen auff unſer geiſtliches Prieſterthum.
Nun ſolten wir wiſſen/ daß er auch
wol wuͤſte/ was Chriſten vor herꝛliche
leute waͤren/ nehmlich geiſtliche Koͤnige
und Prieſter/ und das waͤre krafft ſeiner
tauffe er ſo wol wie wir/ ſo wir anders
rechtglaͤubig waͤren/ darauff aber duͤrfften
wir Phantaſten uns nicht unternehmen ſie
zu reformiren, und wir ſolten das wiſ-
ſen/ daß wir damit nicht nur an das Mi-
niſterium, ſondern vornehmlich an E.
hochw. Rath uns vergriffen/ als bey wel-
chem das Jus Epiſcopale und folgends die
macht allein waͤre den Predigern einzu-
reden/ wann ſie es in allen dingen nicht
recht in acht naͤhmen. Wir junge Phan-
taſten aber duͤrfften uns unterſtehen ſolche
alte maͤnner/ die unſer alter wol zwey-
mahl haͤtten/ zu informiren und reformiren,
die wir nicht werth waͤren dahin ꝛc. Haͤt-
te demnach E. hochw. Rath. ſolch unſer
freventlich beginnen/ uͤbel empfunden/ und
ſolten bald darauff hoͤren/ was ſie uͤber
uns beſchloſſen/ wann wir erſt hierauff
wuͤrden geantwortet haben. M. Volſch
beantwortete dieſe beſchuldigungen mit hoͤch-
ſter beſcheidenheit/ gebuͤhrender demuth
und ehrerbietung. Weil aber auß des
Herrn Syndici reden ſchiene/ daß wir
bey ihm in verdacht falſcher lehre waͤren/
ſo bezeugete M. Volſch erſtlich/ daß wir
in allen ſtuͤcken unſern reinen Lutheriſchen
Libris Symbolicis im lauterſten verſtande
von hertzen zugethan waͤren/ auch jeder-
mann/ der es nur begehrte/ rechnung un-
ſers glaubens geben wolten: Wir waͤren
auch nicht mit ungeſtuͤmm hinein gelauffen/
ſondern wir haͤtten ſie vorher beſcheident-
lich gebeten/ und waͤren ehe nicht hinein
gegangen/ ehe man uns geruffen/ wie
aus den 5. 6. & 7. §. zu ſehen. Wir haͤt-
ten auch nicht informativè, reformativè o-
der accuſativè, ſondern nur bittlich mit
ihnen gehandelt/ unſer gewiſſen zu befrey-
en. Als dieſes der Herꝛ Syndicus hoͤrete/
ſchwieg er gantz ſtill von dem punct/ fieng
aber einen frembden Diſcurs an/ der nicht
zur ſachen gehoͤrete/ und da der vollen-
det/ wolte der Herꝛ Syndicus ernſtlich
wiſſen/ was das fuͤr leute waͤren/ zu
denen wir giengen. Da nenneten Mag.
Volſch und Dohren auff feine gar genaue
und umſtaͤndlich-ſcharffe befragung etliche/
welches ſie darum viel lieber thaten/ daß ſie da-
durch erweiſeren/ wie ſie nirgends hingeſchli-
chen/ ſondern allenthalben gefordert/ frey und
ohne ſcheu am hellen tage jederzeit gegangen;
Holtzhauſen aber ſagte/ er haͤtte keine. Dar-
auf fragte der Herr Syndicus in ſpecie gar ey-
gentlich/ wie es mit Anna Schellhorns zugan-
gangen? welches Stephanus damahls or dent-
lich erzehlete/ ſo wohl die occaſion, daß die frau
einen Studioſum, der ihr in ihrer ſehr ſchweren
Anfechtung rechtſchaffenen troſt und unter-
richt ertheilete/ ſuchend/ und daher in Herrn
Reiniers Haus kommen/ ihme mit weinen
und flehen ihre groſſe noth geklaget/ wie er
ſie nebſt der andern Frau Anna Dahmens/
welche gleicher geſtalt in groſſer anfechtung
des glaubens geſtecket/ nach verliehener gna-
den-krafft Gottes getroͤſtet/ wie er ſie auf ihre
ſehnliche bitte und begehren offtmahls beſu-
chet/ wie da etliche ihrer bekandten ſolcher be-
ſuchung beygewohnet/ wie die angeſochtene
erloͤſet worden/ wie ſie ihn gebeten/ alle wo-
che einmahl ſie zubeſuchen/ wie darauf ſie nebſt
etlichen andern von ihm begehret aus dem Ca-
techiſmo Lutheri unterrichtet zu ſeyn/ wie er
ferner Lutheri Catechiſmum mit der Franck-
furter Lutheriſchen Theologen ſchoͤnen erklaͤ-
rung diſcuꝛsweiſe ihnen vorgetragen/ und wie
er auch ſonſt zu den andern kommen. Hierbey
fragte der Herr Syndicus, ob ihre der Schell-
horns und Anna Dahmens Beichtvater ſie
nicht getroͤſtet? da ſprach Stephenus ja/ das
haͤtten ſie zwar gethan/ aber wie Anna Schell-
horns ſagte/ haͤtte ſie vom Herrn Sauerland
nicht ſo viel troſtes als ſie wohl beduͤrfftig
jeweſen/ koͤnnen erlangen/ alldieweil er offt
durch viele geſchaͤffte waͤre verhindert worden.
Wie aber Anna Dahmen ſagte/ ſey ſie von Hn.
Edzardi ungetroͤſtet in ihrer groſſen traurig-
keit gelaſſen worden. Ferner begehrte der
Herr Syndicus zu wiſſen/ womit Stephanus
die angefochtene getroͤſtet/ ſeinen grund des
glaubens zuerforſchen/ darauf er ihm ſo ge-
antwortet/ daß er zu frieden geweſen. Da nun
der Herr Syndicus ſahe/ das wir in der lehre
richtig und nicht zu tadeln; NB. wiewohl
wir gar wenig raum hatten uns zuverantwor-
ten/ angeſehen der Herr Syndicus die zeit mit
vielen diſcurſen binbrachte/ auch wohl daruͤ-
ber dann und wann unſer judicium begehrte/
welches wann wir in einfaͤltiger furcht Gottes
gaben/ er uns nur dabey verlachte uñ aushoͤne-
te/ uns nur fuͤr phantaſten und narren aus-
rief/ welches daß es eines hochw. Raths befehl
nicht geweſen/ wir gar leicht verſpuͤren koͤn-
nen an den geberden und worten der andern
Hn. Deputirtẽ/ ſonderlich des Hn. von Holtẽ/
der unterſchiedliche mahl den kopff ſchuͤttelte/
und ſagte: Ey laſt ſie ſeyn wer ſie ſind/ warum
wollen wir ſie aushoͤnen/ vielmehr laſt uns
ihnen andeuten/ was eines hochw. Raths be-
gehren. Darauf ſprach endlich Herr Broderus
Pauli: Dem allen ſey demnach wie ihm wolle/
ſo ſolt ihr dennoch wiſſen/ daß ſolche weiſe
und manier/ die ihr allhier vornehmet euch
ein hochw. Rath nicht geſtatten wil: thut euch
deswegen durch uns ernſtlich gebieten/ daß
ihr euch hinfuͤhro alles unterrichtens/ vermah-
nens/ troͤſtens und beſuchens ſo wohl der ge-
ſunden als krancken enthalten ſollet/ oder ſie
wollen euch raum machen/ da ihr lehren koͤn-
net/ und das| thor weiſen. Wann aber leute
von euch wollen unterrichtet/ getroͤſtet und ge-
holffen ſeyn/ ſollet ihr dieſelbe zu ihrem beicht-
vater
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URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/979 |
Zitationshilfe: | Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 671. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/979>, abgerufen am 16.07.2024. |