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Arrhenius, Svante: Das Schicksal der Planeten. Leipzig, 1911.

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Eigentliche Meere und Flüsse gibt es deshalb nicht auf dem Mars. Die Herausmodellierung seines "Antlitzes" geschieht deshalb so gut wie ausschließlich durch den mit den Winden verschleppten Wüstensand. Dieser ist wohl wegen des niedrigen Luftdruckes, der nach Lowells Schätzung (die geringe Schwerkraft wird dabei berücksichtigt) etwa 60 mm beträgt und wahrscheinlich noch niedriger ist, viel feiner als der Wüstensand auf der Erde, er wirkt trotzdem wie eine scharfe Feile. Solche Sandstürme von rotgelbem bis hellgelbem Wüstenstaub sind häufig über große Ausdehnungen der Marsoberfläche beobachtet worden, zum letzten Mal bei der günstigen Stellung des Mars im Herbst 1909 von Antoniadi. Der Staub verschleiert dabei alles, was man sonst auf der Marsoberfläche wahrnimmt.

Die Marsoberfläche wäre schon längst eingeebnet und von einem gleichförmigen Wüstenmeer mit Wanderdünen bedeckt, wenn nicht eine Schrumpfung des glühenden Marsinneren in ähnlicher Weise wie derjenigen des Erdinneren stattfände, wodurch ein ungleichmäßiges Nachsinken der Schollen der festen Kruste erfolgt. Da der Mars ohne Zweifel viel weiter in seiner Abkühlung als die Erde fortgeschritten ist - sein Halbmesser ist nur etwas mehr als halb so groß wie derjenige unseres Planeten, wozu eine niedrigere Oberflächentemperatur auf dem Mars kommt - so sind diese bergbildenden (orogenetischen) Kräfte dort ohne Zweifel viel weniger wirksam als hier. Sie beschränken wahrscheinlich ihre Wirksamkeit auf ein langsames aber ruckweise erfolgendes Nachrutschen in der Nähe der Krustenspalten, längs welchen die aus dem Inneren freiwerdenden Gase, vornehmlich Wasser-

Eigentliche Meere und Flüsse gibt es deshalb nicht auf dem Mars. Die Herausmodellierung seines „Antlitzes“ geschieht deshalb so gut wie ausschließlich durch den mit den Winden verschleppten Wüstensand. Dieser ist wohl wegen des niedrigen Luftdruckes, der nach Lowells Schätzung (die geringe Schwerkraft wird dabei berücksichtigt) etwa 60 mm beträgt und wahrscheinlich noch niedriger ist, viel feiner als der Wüstensand auf der Erde, er wirkt trotzdem wie eine scharfe Feile. Solche Sandstürme von rotgelbem bis hellgelbem Wüstenstaub sind häufig über große Ausdehnungen der Marsoberfläche beobachtet worden, zum letzten Mal bei der günstigen Stellung des Mars im Herbst 1909 von Antoniadi. Der Staub verschleiert dabei alles, was man sonst auf der Marsoberfläche wahrnimmt.

Die Marsoberfläche wäre schon längst eingeebnet und von einem gleichförmigen Wüstenmeer mit Wanderdünen bedeckt, wenn nicht eine Schrumpfung des glühenden Marsinneren in ähnlicher Weise wie derjenigen des Erdinneren stattfände, wodurch ein ungleichmäßiges Nachsinken der Schollen der festen Kruste erfolgt. Da der Mars ohne Zweifel viel weiter in seiner Abkühlung als die Erde fortgeschritten ist – sein Halbmesser ist nur etwas mehr als halb so groß wie derjenige unseres Planeten, wozu eine niedrigere Oberflächentemperatur auf dem Mars kommt – so sind diese bergbildenden (orogenetischen) Kräfte dort ohne Zweifel viel weniger wirksam als hier. Sie beschränken wahrscheinlich ihre Wirksamkeit auf ein langsames aber ruckweise erfolgendes Nachrutschen in der Nähe der Krustenspalten, längs welchen die aus dem Inneren freiwerdenden Gase, vornehmlich Wasser-

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[0040] Eigentliche Meere und Flüsse gibt es deshalb nicht auf dem Mars. Die Herausmodellierung seines „Antlitzes“ geschieht deshalb so gut wie ausschließlich durch den mit den Winden verschleppten Wüstensand. Dieser ist wohl wegen des niedrigen Luftdruckes, der nach Lowells Schätzung (die geringe Schwerkraft wird dabei berücksichtigt) etwa 60 mm beträgt und wahrscheinlich noch niedriger ist, viel feiner als der Wüstensand auf der Erde, er wirkt trotzdem wie eine scharfe Feile. Solche Sandstürme von rotgelbem bis hellgelbem Wüstenstaub sind häufig über große Ausdehnungen der Marsoberfläche beobachtet worden, zum letzten Mal bei der günstigen Stellung des Mars im Herbst 1909 von Antoniadi. Der Staub verschleiert dabei alles, was man sonst auf der Marsoberfläche wahrnimmt. Die Marsoberfläche wäre schon längst eingeebnet und von einem gleichförmigen Wüstenmeer mit Wanderdünen bedeckt, wenn nicht eine Schrumpfung des glühenden Marsinneren in ähnlicher Weise wie derjenigen des Erdinneren stattfände, wodurch ein ungleichmäßiges Nachsinken der Schollen der festen Kruste erfolgt. Da der Mars ohne Zweifel viel weiter in seiner Abkühlung als die Erde fortgeschritten ist – sein Halbmesser ist nur etwas mehr als halb so groß wie derjenige unseres Planeten, wozu eine niedrigere Oberflächentemperatur auf dem Mars kommt – so sind diese bergbildenden (orogenetischen) Kräfte dort ohne Zweifel viel weniger wirksam als hier. Sie beschränken wahrscheinlich ihre Wirksamkeit auf ein langsames aber ruckweise erfolgendes Nachrutschen in der Nähe der Krustenspalten, längs welchen die aus dem Inneren freiwerdenden Gase, vornehmlich Wasser-

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Zitationshilfe: Arrhenius, Svante: Das Schicksal der Planeten. Leipzig, 1911, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arrhenius_planeten_1911/40>, abgerufen am 29.03.2024.