Aston, Louise: Meine Emancipation, Verweisung und Rechtfertigung. Brüssel, 1846.Da der kurze Geschäftsstyl eine Auseinandersetzung der Gründe nicht zu erlauben schien; und doch grade in solcher Auseinandersetzung für zweifelhafte Fälle der einzige Trost und die einzige Beruhigung liegt, so beschloß ich an demselben Tage den Minister um eine Audienz zu ersuchen, in der Hoffnung, wenigstens gesprächsweise die Gründe zu erfahren, welche meine Verweisung nothwendig machten, um mich dann ruhiger in das Unvermeidliche zu finden. Auch täuschte mich meine Hoffnung nicht. Nur waren die Motive anderer Art, als ich erwartete. Während die Polizei als Motiv meine Ideen anführte, die der bürgerlichen Ordnung gefährlich seien; und mich verwies, damit ich nicht Andere verführe, und in Berlin Proselyten für meine Unsittlichkeit mache; schien der Minister aus einem ganz entgegengesetzten Beweggrunde zu handeln: aus unbedingtem Wohlwollen gegen mich, aus Fürsorge für mein persönliches Wohl, für das Heil meiner Seele; kurz, aus jener väterlichen Gesinnung, durch welche die preußische Regierung ihre echte Christlichkeit bezeugt, und sich die kindliche Liebe und Ergebung ihrer Unterthanen zu erwerben weiß. So sehr mich diese Da der kurze Geschäftsstyl eine Auseinandersetzung der Gründe nicht zu erlauben schien; und doch grade in solcher Auseinandersetzung für zweifelhafte Fälle der einzige Trost und die einzige Beruhigung liegt, so beschloß ich an demselben Tage den Minister um eine Audienz zu ersuchen, in der Hoffnung, wenigstens gesprächsweise die Gründe zu erfahren, welche meine Verweisung nothwendig machten, um mich dann ruhiger in das Unvermeidliche zu finden. Auch täuschte mich meine Hoffnung nicht. Nur waren die Motive anderer Art, als ich erwartete. Während die Polizei als Motiv meine Ideen anführte, die der bürgerlichen Ordnung gefährlich seien; und mich verwies, damit ich nicht Andere verführe, und in Berlin Proselyten für meine Unsittlichkeit mache; schien der Minister aus einem ganz entgegengesetzten Beweggrunde zu handeln: aus unbedingtem Wohlwollen gegen mich, aus Fürsorge für mein persönliches Wohl, für das Heil meiner Seele; kurz, aus jener väterlichen Gesinnung, durch welche die preußische Regierung ihre echte Christlichkeit bezeugt, und sich die kindliche Liebe und Ergebung ihrer Unterthanen zu erwerben weiß. So sehr mich diese <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0024" n="24"/> <p> Da der kurze Geschäftsstyl eine Auseinandersetzung der Gründe nicht zu erlauben schien; und doch grade in solcher Auseinandersetzung für zweifelhafte Fälle der einzige Trost und die einzige Beruhigung liegt, so beschloß ich an demselben Tage den Minister um eine Audienz zu ersuchen, in der Hoffnung, wenigstens gesprächsweise die Gründe zu erfahren, welche meine Verweisung nothwendig machten, um mich dann ruhiger in das Unvermeidliche zu finden. Auch täuschte mich meine Hoffnung nicht. Nur waren die Motive anderer Art, als ich erwartete. Während die Polizei als Motiv meine <hi rendition="#g">Ideen</hi> anführte, <hi rendition="#g">die der bürgerlichen Ordnung gefährlich seien</hi>; und mich verwies, damit ich nicht <hi rendition="#g">Andere verführe, und in Berlin Proselyten für meine Unsittlichkeit mache</hi>; schien der Minister aus einem ganz entgegengesetzten Beweggrunde zu handeln: aus unbedingtem Wohlwollen gegen mich, aus Fürsorge für mein persönliches Wohl, für das Heil meiner Seele; kurz, aus jener väterlichen Gesinnung, durch welche die preußische Regierung ihre echte Christlichkeit bezeugt, und sich die kindliche Liebe und Ergebung ihrer Unterthanen zu erwerben weiß. So sehr mich diese </p> </div> </body> </text> </TEI> [24/0024]
Da der kurze Geschäftsstyl eine Auseinandersetzung der Gründe nicht zu erlauben schien; und doch grade in solcher Auseinandersetzung für zweifelhafte Fälle der einzige Trost und die einzige Beruhigung liegt, so beschloß ich an demselben Tage den Minister um eine Audienz zu ersuchen, in der Hoffnung, wenigstens gesprächsweise die Gründe zu erfahren, welche meine Verweisung nothwendig machten, um mich dann ruhiger in das Unvermeidliche zu finden. Auch täuschte mich meine Hoffnung nicht. Nur waren die Motive anderer Art, als ich erwartete. Während die Polizei als Motiv meine Ideen anführte, die der bürgerlichen Ordnung gefährlich seien; und mich verwies, damit ich nicht Andere verführe, und in Berlin Proselyten für meine Unsittlichkeit mache; schien der Minister aus einem ganz entgegengesetzten Beweggrunde zu handeln: aus unbedingtem Wohlwollen gegen mich, aus Fürsorge für mein persönliches Wohl, für das Heil meiner Seele; kurz, aus jener väterlichen Gesinnung, durch welche die preußische Regierung ihre echte Christlichkeit bezeugt, und sich die kindliche Liebe und Ergebung ihrer Unterthanen zu erwerben weiß. So sehr mich diese
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