Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

sie sich sehnten, an dem schweren, weißen Gewand als blendender Schmuck zu prangen.

"Es ist fest und unwiderruflich, Johanna," sprach der Greis mit heiserer Stimme; "heute wirst Du die Gattin des Herrn Oburn. Ich habe mein Wort gegeben; ich halte mein Wort. Der Mann ist reich, sehr reich; Du wirst ein glänzendes, vielfach beneidetes leben führen, da vergißt sich rasch die sentimentale Jugendliebe, das Spiel einer müssigen Phantasie, das vor dem Ernst des Lebens verschwinden muß. Du wirst es mir später Dank wissen, daß ich Dein Geschick gewählt."

"Mir schaudert, Vater," entgegnete das Mädchen, "wenn ich an den Mann nur denke, von dem man so viel Unheimliches sagt, dessen ganzes Wesen mir widerwärtig ist. Aus seinen Zügen spricht ein Geist, der mir ewig fremd bleiben wird, den ich nicht verstehe, nicht verstehen will, der mir wie eine feindliche Macht gegenübertritt und mein Gefühl empört. Nie, nie könnte ich diesem Manne angehören! D'rum, laß mir mein Glück, meinen Frieden, Vater! Sieh', ich bin noch so jung! Du hast mich so oft Deine holde Blume genannt!

sie sich sehnten, an dem schweren, weißen Gewand als blendender Schmuck zu prangen.

„Es ist fest und unwiderruflich, Johanna,“ sprach der Greis mit heiserer Stimme; „heute wirst Du die Gattin des Herrn Oburn. Ich habe mein Wort gegeben; ich halte mein Wort. Der Mann ist reich, sehr reich; Du wirst ein glänzendes, vielfach beneidetes leben führen, da vergißt sich rasch die sentimentale Jugendliebe, das Spiel einer müssigen Phantasie, das vor dem Ernst des Lebens verschwinden muß. Du wirst es mir später Dank wissen, daß ich Dein Geschick gewählt.“

„Mir schaudert, Vater,“ entgegnete das Mädchen, „wenn ich an den Mann nur denke, von dem man so viel Unheimliches sagt, dessen ganzes Wesen mir widerwärtig ist. Aus seinen Zügen spricht ein Geist, der mir ewig fremd bleiben wird, den ich nicht verstehe, nicht verstehen will, der mir wie eine feindliche Macht gegenübertritt und mein Gefühl empört. Nie, nie könnte ich diesem Manne angehören! D'rum, laß mir mein Glück, meinen Frieden, Vater! Sieh', ich bin noch so jung! Du hast mich so oft Deine holde Blume genannt!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0017" n="5"/>
sie sich sehnten, an dem                     schweren, weißen Gewand als blendender Schmuck zu prangen.</p>
        <p>&#x201E;Es ist fest und unwiderruflich, Johanna,&#x201C; sprach der Greis mit heiserer Stimme;                     &#x201E;heute wirst Du die Gattin des Herrn Oburn. Ich habe mein Wort gegeben; ich                     halte mein Wort. Der Mann ist reich, sehr reich; Du wirst ein glänzendes,                     vielfach beneidetes leben führen, da vergißt sich rasch die sentimentale                     Jugendliebe, das Spiel einer müssigen Phantasie, das vor dem Ernst des Lebens                     verschwinden muß. Du wirst es mir später Dank wissen, daß <hi rendition="#g">ich</hi> Dein Geschick                     gewählt.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Mir schaudert, Vater,&#x201C; entgegnete das Mädchen, &#x201E;wenn ich an den Mann nur denke,                     von dem man so viel Unheimliches sagt, dessen ganzes Wesen mir widerwärtig ist.                     Aus seinen Zügen spricht ein Geist, der mir ewig fremd bleiben wird, den ich                     nicht verstehe, nicht verstehen will, der mir wie eine feindliche Macht                     gegenübertritt und mein Gefühl empört. Nie, nie könnte ich diesem Manne                     angehören! D'rum, laß mir mein Glück, meinen Frieden, Vater! Sieh', ich bin noch                     so jung! Du hast mich so oft Deine holde Blume genannt!
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0017] sie sich sehnten, an dem schweren, weißen Gewand als blendender Schmuck zu prangen. „Es ist fest und unwiderruflich, Johanna,“ sprach der Greis mit heiserer Stimme; „heute wirst Du die Gattin des Herrn Oburn. Ich habe mein Wort gegeben; ich halte mein Wort. Der Mann ist reich, sehr reich; Du wirst ein glänzendes, vielfach beneidetes leben führen, da vergißt sich rasch die sentimentale Jugendliebe, das Spiel einer müssigen Phantasie, das vor dem Ernst des Lebens verschwinden muß. Du wirst es mir später Dank wissen, daß ich Dein Geschick gewählt.“ „Mir schaudert, Vater,“ entgegnete das Mädchen, „wenn ich an den Mann nur denke, von dem man so viel Unheimliches sagt, dessen ganzes Wesen mir widerwärtig ist. Aus seinen Zügen spricht ein Geist, der mir ewig fremd bleiben wird, den ich nicht verstehe, nicht verstehen will, der mir wie eine feindliche Macht gegenübertritt und mein Gefühl empört. Nie, nie könnte ich diesem Manne angehören! D'rum, laß mir mein Glück, meinen Frieden, Vater! Sieh', ich bin noch so jung! Du hast mich so oft Deine holde Blume genannt!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie - A Digital Library of Works by German-Speaking Women: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax von "Sophie". (2013-03-13T15:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Heinrich Heine Universität Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-13T15:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-13T15:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847/17
Zitationshilfe: Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847/17>, abgerufen am 23.11.2024.