Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847.Küsse auf ihr Gewand. In diesem Augenblicke wurde die Thüre leise geöffnet und das schöne, doch maliciöse Gesicht der Gräfinn Lichtenfels schaute hinein. Ein spöttisches Lächeln verklärte gleichsam ihre Züge und bildete den besten Commentar zu ihren Worten: "Entschuldigen Ew. Königl. Hoheit, wenn ich störe; ich wünschte nur, mich hier an diesem kühlen Ort etwas von der Hitze des Balles zu erholen." -- Gräfinn Sidonie sorgte, nach den Grundsätzen der christlichen Liebe und weiblichen Ritterlichkeit dafür, daß nach wenigen Minuten die ganze Ballgesellschaft über die Liebesscene im Klaren war. Ueberall flüsterte man von der zärtlichen Attitüde, in der Prinz C** mit Madame Oburn im einsamen Gemach betroffen worden, und fügte natürlich hinzu, daß die Frau den Bewerbungen des Prinzen ein williges Ohr geschenkt. Die Stimmung in der Gesellschaft war hierüber sehr verschieden. Die jungen Fräuleins, nebst den altadligen Müttern, konnten es einer Bürgerlichen nimmer vergeben, zu der Ehre einer fürstlichen Maitresse, nach der sie alle selbst strebten, erhoben zu werden. Darum sprach man das Anathem Küsse auf ihr Gewand. In diesem Augenblicke wurde die Thüre leise geöffnet und das schöne, doch maliciöse Gesicht der Gräfinn Lichtenfels schaute hinein. Ein spöttisches Lächeln verklärte gleichsam ihre Züge und bildete den besten Commentar zu ihren Worten: „Entschuldigen Ew. Königl. Hoheit, wenn ich störe; ich wünschte nur, mich hier an diesem kühlen Ort etwas von der Hitze des Balles zu erholen.“ — Gräfinn Sidonie sorgte, nach den Grundsätzen der christlichen Liebe und weiblichen Ritterlichkeit dafür, daß nach wenigen Minuten die ganze Ballgesellschaft über die Liebesscene im Klaren war. Ueberall flüsterte man von der zärtlichen Attitüde, in der Prinz C** mit Madame Oburn im einsamen Gemach betroffen worden, und fügte natürlich hinzu, daß die Frau den Bewerbungen des Prinzen ein williges Ohr geschenkt. Die Stimmung in der Gesellschaft war hierüber sehr verschieden. Die jungen Fräuleins, nebst den altadligen Müttern, konnten es einer Bürgerlichen nimmer vergeben, zu der Ehre einer fürstlichen Maitresse, nach der sie alle selbst strebten, erhoben zu werden. Darum sprach man das Anathem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0070" n="58"/> Küsse auf ihr Gewand. In diesem Augenblicke wurde die Thüre leise geöffnet und das schöne, doch maliciöse Gesicht der Gräfinn Lichtenfels schaute hinein. Ein spöttisches Lächeln verklärte gleichsam ihre Züge und bildete den besten Commentar zu ihren Worten: „Entschuldigen Ew. Königl. Hoheit, wenn ich störe; ich wünschte nur, mich hier an diesem kühlen Ort etwas von der Hitze des Balles zu erholen.“ —</p> <p> Gräfinn Sidonie sorgte, nach den Grundsätzen der christlichen Liebe und weiblichen Ritterlichkeit dafür, daß nach wenigen Minuten die ganze Ballgesellschaft über die Liebesscene im Klaren war. Ueberall flüsterte man von der zärtlichen Attitüde, in der Prinz C** mit Madame Oburn im einsamen Gemach betroffen worden, und fügte natürlich hinzu, daß die Frau den Bewerbungen des Prinzen ein williges Ohr geschenkt. Die Stimmung in der Gesellschaft war hierüber sehr verschieden. Die jungen Fräuleins, nebst den altadligen Müttern, konnten es einer Bürgerlichen nimmer vergeben, zu der Ehre einer fürstlichen Maitresse, nach der sie alle selbst strebten, erhoben zu werden. Darum sprach man das Anathem </p> </div> </body> </text> </TEI> [58/0070]
Küsse auf ihr Gewand. In diesem Augenblicke wurde die Thüre leise geöffnet und das schöne, doch maliciöse Gesicht der Gräfinn Lichtenfels schaute hinein. Ein spöttisches Lächeln verklärte gleichsam ihre Züge und bildete den besten Commentar zu ihren Worten: „Entschuldigen Ew. Königl. Hoheit, wenn ich störe; ich wünschte nur, mich hier an diesem kühlen Ort etwas von der Hitze des Balles zu erholen.“ —
Gräfinn Sidonie sorgte, nach den Grundsätzen der christlichen Liebe und weiblichen Ritterlichkeit dafür, daß nach wenigen Minuten die ganze Ballgesellschaft über die Liebesscene im Klaren war. Ueberall flüsterte man von der zärtlichen Attitüde, in der Prinz C** mit Madame Oburn im einsamen Gemach betroffen worden, und fügte natürlich hinzu, daß die Frau den Bewerbungen des Prinzen ein williges Ohr geschenkt. Die Stimmung in der Gesellschaft war hierüber sehr verschieden. Die jungen Fräuleins, nebst den altadligen Müttern, konnten es einer Bürgerlichen nimmer vergeben, zu der Ehre einer fürstlichen Maitresse, nach der sie alle selbst strebten, erhoben zu werden. Darum sprach man das Anathem
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