Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

angaben. Eines Morgens war der Graf plötzlich verschwunden, und die trauernde Gattinn blieb allein zurück, ohne Geldmittel dem allgemeinen Hohn preisgegeben. Doch die Pseudo-Gräfinn faßte sich kurz, verkaufte ihre Juwelen und kostbaren Gewänder, und erstand für das daraus erlöste Geld die Meierei Wiesenthal, die gerade zum Verkauf ausgeboten wurde. Hier lebte sie nun schon seit 10 Jahren still und zurückgezogen von der übrigen Welt -- eine echte Philosophinn, ruhig weiter, bis sie, durch die vielen Fremden, die dort eifrig die Gegend durchstreifen, vielfältig dazu aufgefordert, ihr kleines Eldorado zu einem öffentlichen Lustort umschuf. Zu den schwächsten Seiten dieser Frau gehörte eine große Schwatzhaftigkeit, die besonders mit vielem Behagen bei den Thaten ihrer Jugend, und all' den Eroberungen, die sie gemacht, verweilte. Die jungen Herren, die namentlich in diesem Sommer sehr häufig zu ihr herauskamen, hatten diese Schwäche bald bemerkt, hörten mit übergroßer Geduld Stundenlang den Erzählungen ihrer Erlebnisse zu, bis es ihnen gelang, ganz unvermerkt die Rede auf die jetzige Einwohnerin der Meierei, der Madame

angaben. Eines Morgens war der Graf plötzlich verschwunden, und die trauernde Gattinn blieb allein zurück, ohne Geldmittel dem allgemeinen Hohn preisgegeben. Doch die Pseudo-Gräfinn faßte sich kurz, verkaufte ihre Juwelen und kostbaren Gewänder, und erstand für das daraus erlöste Geld die Meierei Wiesenthal, die gerade zum Verkauf ausgeboten wurde. Hier lebte sie nun schon seit 10 Jahren still und zurückgezogen von der übrigen Welt — eine echte Philosophinn, ruhig weiter, bis sie, durch die vielen Fremden, die dort eifrig die Gegend durchstreifen, vielfältig dazu aufgefordert, ihr kleines Eldorado zu einem öffentlichen Lustort umschuf. Zu den schwächsten Seiten dieser Frau gehörte eine große Schwatzhaftigkeit, die besonders mit vielem Behagen bei den Thaten ihrer Jugend, und all' den Eroberungen, die sie gemacht, verweilte. Die jungen Herren, die namentlich in diesem Sommer sehr häufig zu ihr herauskamen, hatten diese Schwäche bald bemerkt, hörten mit übergroßer Geduld Stundenlang den Erzählungen ihrer Erlebnisse zu, bis es ihnen gelang, ganz unvermerkt die Rede auf die jetzige Einwohnerin der Meierei, der Madame

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0078" n="66"/>
angaben.                     Eines Morgens war der Graf plötzlich verschwunden, und die trauernde Gattinn                     blieb allein zurück, ohne Geldmittel dem allgemeinen Hohn preisgegeben. Doch die                     Pseudo-Gräfinn faßte sich kurz, verkaufte ihre Juwelen und kostbaren Gewänder,                     und erstand für das daraus erlöste Geld die Meierei Wiesenthal, die gerade zum                     Verkauf ausgeboten wurde. Hier lebte sie nun schon seit 10 Jahren still und                     zurückgezogen von der übrigen Welt &#x2014; eine echte Philosophinn, ruhig weiter, bis                     sie, durch die vielen Fremden, die dort eifrig die Gegend durchstreifen,                     vielfältig dazu aufgefordert, ihr kleines Eldorado zu einem öffentlichen Lustort                     umschuf. Zu den schwächsten Seiten dieser Frau gehörte eine große                     Schwatzhaftigkeit, die besonders mit vielem Behagen bei den Thaten ihrer Jugend,                     und all' den Eroberungen, die sie gemacht, verweilte. Die jungen Herren, die                     namentlich in diesem Sommer sehr häufig zu ihr herauskamen, hatten diese                     Schwäche bald bemerkt, hörten mit übergroßer Geduld Stundenlang den Erzählungen                     ihrer Erlebnisse zu, bis es ihnen gelang, ganz unvermerkt die Rede auf die                     jetzige Einwohnerin der Meierei, der Madame
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0078] angaben. Eines Morgens war der Graf plötzlich verschwunden, und die trauernde Gattinn blieb allein zurück, ohne Geldmittel dem allgemeinen Hohn preisgegeben. Doch die Pseudo-Gräfinn faßte sich kurz, verkaufte ihre Juwelen und kostbaren Gewänder, und erstand für das daraus erlöste Geld die Meierei Wiesenthal, die gerade zum Verkauf ausgeboten wurde. Hier lebte sie nun schon seit 10 Jahren still und zurückgezogen von der übrigen Welt — eine echte Philosophinn, ruhig weiter, bis sie, durch die vielen Fremden, die dort eifrig die Gegend durchstreifen, vielfältig dazu aufgefordert, ihr kleines Eldorado zu einem öffentlichen Lustort umschuf. Zu den schwächsten Seiten dieser Frau gehörte eine große Schwatzhaftigkeit, die besonders mit vielem Behagen bei den Thaten ihrer Jugend, und all' den Eroberungen, die sie gemacht, verweilte. Die jungen Herren, die namentlich in diesem Sommer sehr häufig zu ihr herauskamen, hatten diese Schwäche bald bemerkt, hörten mit übergroßer Geduld Stundenlang den Erzählungen ihrer Erlebnisse zu, bis es ihnen gelang, ganz unvermerkt die Rede auf die jetzige Einwohnerin der Meierei, der Madame

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie - A Digital Library of Works by German-Speaking Women: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax von "Sophie". (2013-03-13T15:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Heinrich Heine Universität Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-13T15:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-13T15:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847/78
Zitationshilfe: Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847/78>, abgerufen am 24.11.2024.